Interview: Roger Tinner, Bild: Alex Preobrajenski
Felizitas, du bist nach einer langjährigen Führungsfunktion im Fundraising und bei einer grossen NPO zur Dienstleisterin mit eigenem Unternehmen geworden. Wie gross und wie anstrengend war dieser Rollenwechsel?
Anstrengend wäre es sicher geworden, wenn ich mich nicht sorgfältig vorbereitet hätte. Den Schritt in die Selbstständigkeit als Fundraising- und Organisationsberatung für NPO habe ich mir vor zehn Jahren reiflich überlegt und monatelang eine Marktanalyse gemacht. Gleichzeitig schloss ich ein CAS in Organisationsentwicklung ab. Der Impuls, diesen Weg zu gehen, ist durch meine lange Lehrtätigkeit für Fundraiserinnen und Fundraiser entstanden. Ich lernte dort sehr viele Organisationen kennen, die mit einem kleinen «Schubs» in ein systematisches und erfolgreiches Fundraising zum finanziellen Ziel kommen könnten. So habe ich den Bedarf und meine Nische in der Fundraising-Beratung gefunden und auch unsere Philosophie entwickelt – wir wollen befähigen und den NPO beibringen, wie sie Fundraising umsetzen können.
Wie wichtig sind aus deiner Sicht die Dienstleister:innen im NPO- bzw. Fundraising-Bereich?
Grundsätzlich sind Dienstleister:innen eine wichtige Unterstützung für NPO. Sie sind die Expert:innen, sie bringen die Erfahrung aus der Beratung vieler Kunden mit ein und kennen den Spendenmarkt und seine Trends. Sie können die Kund:innen also «spiegeln» und in die erfolgreiche Richtung lenken. Gerade in der Kreativität braucht es eine:n Sparringpartner:in, ebenso in der Digitalisierung und im Online-Fundraising. Zum anderen stellen Dienstleister:innen Produktionen, Datenbanken, Technologien, Adressen usw. zur Verfügung. Gerade kleine und mittlere NPO können sich keine Inhouse-Lösungen leisten oder wollen ihre personellen Ressourcen gezielt für das Fundraising einsetzen. Und nicht selten stellen sich Dienstleister:innen auch als Interimslösung zur Verfügung. Insgesamt sind sie von grosser Bedeutung, weil sie dazu beitragen, die Effektivität und Effizienz von NPO zu erhöhen und ihr Fundraising erfolgreich umzusetzen.
Wie siehst du das Verhältnis zwischen Dienstleister:innen und «klassischen» NPO-Fundraiser:innen?
In meiner Führungsaufgabe im Fundraising wählte ich Dienstleister:innen stets als Partner:innen aus und habe die Beziehung wie jene zu einem weiteren Team gepflegt. Ihre Beratung und ihr Wissen waren für mich immer wertvoll, und ich erlebte Dienstleister:innen (fast) immer als fair, transparent und freundschaftlich. Zu den meisten habe ich auch heute, nach dem «Seitenwechsel», eine gute Beziehung. Als Dienstleisterin lege ich besonderen Wert auf ein gutes Briefing, eine transparente Ausgangslage und einen klar definierten Beratungsprozess. Und mir sind Vertrauen und eine partnerschaftliche, mitunter freundschaftliche Beziehung zu den auftraggebenden Fundraiser:innen sehr wichtig. So entsteht ein gutes Verhältnis, und die Beratung und Unterstützung wird für beide Seiten erfolgreich verlaufen.
Und wie gut sind die Dienstleister:innen in den Verband Swissfundraising integriert?
Als langjähriges Vorstandsmitglied von Swissfundraising und gleichzeitig als Dienstleisterin ist meine Meinung vielleicht nicht ganz neutral. Ich schätze das Angebot von Swissfundraising für uns Dienstleister:innen sehr. Angefangen beim Dienstleister:innen-Verzeichnis bis hin zur informativen Website bietet der Verband viele Informationen und Austauschmöglichkeiten und nicht zuletzt den SwissFundraisingDay – den Netzwerkanlass des Jahres. Allerdings erstaunt mich, dass von über tausend Mitgliedern nur siebzig Dienstleister:innen im Online-Verzeichnis sind. Um eine Branche zu verstehen, würde ich versuchen, so dicht wie möglich an sie heranzukommen – und was gibt es da Besseres, als Mitglied von Swissfundraising zu sein?
Nun gibt es ja eine neue Fachgruppe für Dienstleister:innen. Was sind Zweck und Ziele dieser Gruppe?
Schon lange habe ich darüber nachgedacht, wie wir Dienstleister:innen uns besser vernetzen können. Die Gründung einer Fachgruppe ist ein tolles Angebot von Swissfundraising. Wir haben uns letzten Monat das erste Mal zu einem Kick-off getroffen, um für uns selbst Zweck und Ziele zu bestimmen. Neben dem Wunsch, eine Unterstützung für die gemeinnützige Branche zu sein, gab es ganz wichtige gemeinsame Themen, die wir an den nächsten Treffen behandeln wollen. Dazu gehören etwa Ethik und Code of Conduct, Positionierung und Pre-Sales, Trends und Know-how. Wir werden uns in einer Arbeitsgruppe bis zum nächsten Treffen einen Überblick über die Standards zu Ethik und Code of Conduct verschaffen. Ziel ist es, dass wir uns als Dienstleister:innen und Mitglieder von Swissfundraising einer gemeinsamen ethischen Richtlinie verpflichten.
Was erhoffst du dir als Dienstleisterin selbst vom Austausch mit Kolleg:innen aus anderen Unternehmen?
Netzwerken ist mir ein grosses Anliegen: So wie wir als Fundraiser:innen einen kollegialen Austausch pflegen, wünsche ich mir diesen Austausch auch unter uns Dienstleis-ter:innen – und zwar querbeet über alle Dienstleister:innen mit ihren ganz unterschiedlichen Angeboten hinweg. Wir können nur voneinander lernen, und das immer mit dem Gedanken, dass wir der NPO-Branche eine partnerschaftliche Unterstützung sein wollen und dass uns unsere Kund:innen so wahrnehmen.