24.08.2000

Bangen bei der SRG

Die privaten TV-Veranstalter wittern vor der Gesetzesrevision Morgenluft. Als Werbeplattform sind sie für die SRG allerdings kein Ersatz.

Die einen missgönnen ihr die Werbeeinnahmen, die anderen wollen sich an ihren Zwangsgebühren vergreifen: Die "SRG idée suisse" befindet sich im Belagerungszustand. So macht sich Tele-24-Inhaber Roger Schawinski nachdrücklich für ein Gebührensplitting stark. Der Aargauer Verleger Peter Wanner und Nationalrat Peter Weigelt, Präsident der Medienkommission der FDP, wollen demgegenüber die Werbung für die privaten Veranstalter reservieren. Die Debatte um das neue Radio- und Fernsehgesetz (RTVG), das in diesen Tagen in die Ämterkonsultation geht, wird somit zu einem Verteilkampf um den Gebührentopf von 1 Mrd. Fr. und die rund 300 Mio. Fr. Werbe- und Sponsoringgelder der SRG werden. Die Werbebranche hat Anfang dieser Woche beim Bundesamt für Kommunikation (Bakom) ihre Wünsche deponiert und unter anderem für die SRG auch die Möglichkeit der Radiowerbung gefordert. Dies ist jedoch politisch kaum realistisch.

Duales Modell unmöglich

Ihre Anliegen der Werber konzentrieren sich jedoch schwergewichtig auf das Fernsehen. Die Mediaagenturen befürchten nämlich, um eine hervorragende Plattform beraubt zu werden, wenn die Forderung von Wanner und Weigelt erfüllt würde. Die der SRG abgeluchsten Werbegelder würden wohl nur zu einem geringen Teil an die privaten Schweizer Veranstalter fliessen. Profitieren würden in erster Linie RTL und Pro 7 mit ihren Schweizer Werbefenstern. Wie Tele 24 oder TV3 können aber auch sie für die Werbewirtschaft keine gleichwertige Alternative zu Fernsehen DRS sein. "Die SRG sollte im Bereich der Werbung so frei wie möglich sein", findet deshalb Andy Lehmann, Chef der Mediaagentur Optimedia. Das in England praktizierte duale Modell sei nicht auf die Schweiz übertragbar, gibt seinerseits Bakom-Vizedirektor Martin Dumermuth zu bedenken. BBC habe ein Budget von rund 3 Mrd. Fr. und sei im Gegensatz zur SRG nicht auf Werbeeinnahmen angewiesen.

Schwammiger Service public

In der Frage des Gebührensplittings hat die SRG allerdings weit weniger starke Argumente in der Hand. Der viel beschworene Service public ist ein derart schwammiger Begriff, dass es bisher nicht einmal Armin Walpen, dem sonst um Worte wenig verlegenen SRG-Generaldirektor, gelungen ist, ihn zu definieren. Walpen weiss sich jedoch in guter Gesellschaft, verzichtet doch auch der Bundesrat in seinem Aussprachepapier ausdrücklich, den öffentlichen Auftrag näher zu umschreiben. Gehören zum Beispiel die Übertragung der Fussball-Weltmeisterschaften oder die mit einem Versli von Stephan Klapproth ausklingende Infotainment-Sendung 10 vor 10 einfach deshalb zum Service public, weil sie aus der Küche der nationalen Institution SRG stammen? So erheben denn auch die privaten Veranstalter den Anspruch, eine Service-public-Leistung zu erbringen. Auch sie wollen nun zum Futtertrog der Zwangsgebühren zugelassen werden. Mit dem Gebührensplitting käme Schawinski dem von der CS beim Einstieg bei Tele 24 gesteckten Renditeziel von 25 bis 30 Prozent natürlich einen Schritt näher.

Gemischtwarenladen

"Erst das Populäre erlaubt uns das Elitäre und Minoritäre", verteidigte Walpen kürzlich sein Konzept des programmlichen Gemischtwarenladens. Tatsächlich ist die SRG für die Erbringung der Kernleistung des Service public, wie Kultur, Bildung und Information für alle Sprachregionen, auf eine breite Publikumsbindung und eine entsprechende Programmstruktur angewiesen. Wie bereits heute bei SF 2 praktiziert, liesse sich diese allenfalls auch in Partnerschaft mit Privaten erreichen. Die Gebühren könnten dann für den eigentlichen Kern-Service public eingesetzt werden.

Neues RTVG

Der vom Bakom ausgearbeitete Entwurf für ein neues Radio- und Fernsehgesetz (RTVG) geht weiterhin von einer starken SRG mit Gebührenprivileg aus. Die privaten Radio-und Fernsehveranstalter sollen allerdings in der Werbung mehr Freiheiten als die SRG haben (Unterbrecherwerbung). Im Gegenzug sollen sie auf das Gebührensplitting verzichten. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass der Service-public-Auftrag nicht auf mehrere Veranstalter aufgeteilt werden kann. Zur Überwachung des Service-public-Auftrages soll ein unabhängiger Beirat eingesetzt werden. Die privaten Radio- und Fernsehveranstalter werden dagegen von programmlichen Leistungsaufträgen befreit. Auch soll ihnen die Konzessionserteilung erleichtert werden.



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