02.08.2000

"Bota Sot" - das albanische Unruheblatt

"Bota Sot", Tageszeitung für die Albaner Kosovos und der Diaspora, wird in der Schweiz verlegt. Kann man ihr "nationalistische Hetze" vorwerfen?

"Wir lieben Kosovo." So steht es, von Clinton, Clark und andern Schutzpatronen des kosovo-albanischen Volkes gerahmt, auf einem Plakatim Redaktionsbüro von "Bota Sot" ("Welt heute") am Zürcher Bahnhofplatz.Die Mitarbeiter tauen auf, als der Übersetzer uns den einen Satz übersetzt. Man könnte denken, da seien lauter harmlose Patrioten am Werk. Daneben gibt es freilich andere Sätze, einige davon sind vielleicht an den Computern dieser Leute entstanden. Der Patriotismus, die Vaterlandsliebe, schlägt darin jäh in Nationalismus um, eine nationale Selbstbezogenheit, die für neue Unruhe sorgt in der ganzen Balkanregion.

Veton Surroi, Herausgeber der Zeitung "Koha Ditore" in Pristina, hat als Erster reagiert. Das war vor einem Jahr, zwei Monate nach dem Einmarsch der Friedenstruppen Kfor in Kosovo. Die Racheakte von Albanern an den Minderheiten der Serben und Roma rissen nicht ab. Wieder wurden Alte zu Tode geprügelt, Mädchen geschändet, Burschen wie Hasen gehetzt. Surroi sah es, und obwohl diesmal "die andern" bluteten, erkannte er in ihren Augen die Angst wieder, die ihm nur zu vertraut war aus Zeiten, da er selbst zu den Verfolgten gehört hatte. Kollektive Schuldzuweisung und systematische Einschüchterung einer bestimmten Bevölkerungsgruppe kennzeichneten den Faschismus, schrieb der kosovo-albanische Publizist im August 1999 in seinem Blatt. "Schande uns allen, wenn wir nun ein Verhalten dulden, das wir eben noch bekämpften." Kosovapress, einst die Agentur der Befreiungsarmee UCK, bezeichnete Surroi danach als "Spion Serbiens": "Er stinkt slawisch." "Bota Sot" stiess wochenlang ins selbe Horn, wenn auch zum Teil in subtileren Varianten. In der Ausgabe vom 18. Dezember 1999 wurde eine "erschreckende Übereinstimmung" von Argumenten hier und dort festgestellt. "Daraus", so hiess es, "könnte jemand schliessen, die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), Belgrad, Bruder Sava und Veton Surroi bildeten ein Team." Bruder Sava, ein serbisch-orthodoxer Geistlicher, zählt zu jenen in Kosovo, die neuerdings das Gespräch unter Mitbürgern suchen. In den Köpfen albanischer Fanatiker aber steht er wie Belgrad für das Machtgefüge Milosevic. Mit solcher Prominenz assoziiert zu werden, kann für Einheimische gefährlich sein.

Indes lassen sich mehr und mehr auch Zwischentöne vernehmen. Seit Februar tagt regelmässig der Übergangsrat der Unmik, der internationalen Verwaltung für Kosovo. Die provisorische Exekutive leitet der Franzose Bernard Kouchner. Ihm zur Seite sitzen Lokalgrössen wie Ibrahim Rugova, Rexhep Qosja und Hashim Thaci als Gleiche unter Gleichen. Xhevdet Mazrekaj, der Herausgeber von "Bota Sot", behauptet, sein Blatt stehe der ganzen Bandbreite von Meinungen offen. Skender Bucpapaj jedoch, sein Chefredaktor in Zürich, spricht weiterhin huldvoll von "Präsident Rugova". Daneben ortet er im Übergangsrat bloss "Kommunisten und andere Perverse". Meint er Qosja, Thaci oder Kouchner? Wohl alle drei. Diese Typen, "Alliierte der Serben, Krypto-Serben", sind laut Bucpapaj samt und sonders darauf aus, "den albanischen Kampf für ein unabhängiges Kosovo in eine Sozialbewegung umzubiegen" - und die zielt dann "einzig noch auf Systemkorrektur, auf Gleichberechtigung mit den Serben in Beschäftigung, Bildung und so weiter". Die Mühe mit den nächsten Nachbarn lohnt sich gar nicht - diesen Eindruck vermittelt "Bota Sot" ständig. "Ausnahmslos alle Serben, die heute in den Enklaven Kosovos leben, haben ihre Hände mit dem Blut albanischer Kinder besudelt", liest man in einem nicht gezeichneten Editorial. Der gleiche Text, erschienen am 7. Februar, suggeriert, bereits zwölfjährige Serben seien im Legen von Landminen trainiert worden. Das Wort "angeblich" scheint für Bucpapaj und seine Kollegen nicht zu existieren - für sie sind Serben "geborene Killer", "Massenmörder und Metzger", stets schon überführt.

Bucpapaj kam als Konsularbeamter Tiranas in die Schweiz. 1997 brach mit den Pyramiden, den nach dem Schneeballprinzip aufgebauten Anlagegesellschaften, auch das politische Gefüge in Albanien zusammen. Danach hat er hier zu Lande um Asyl ersucht. "In der Schweiz wüsste ich keinen besseren Chefredaktor für Bota Sot als ihn", rühmt Mazrekaj. Stolz weist Mazrekaj auch auf den andern "grossen albanischen Intellektuellen hin", den er für seine Zeitung verpflichtet hat: Abdi Baleta. Dieser Mann hat das Albanien Enver Hoxhas lange Jahre als Botschafter bei der Uno in New York vertreten. Heute schreibt er, zusammen mit Bucpapaj, gegen die Achse der "Verräter an der albanischen Sache" an. Diese Achse zeichnen die beiden bald schnurgerade von Moskau über Belgrad nach Paris, "seit Versailles Zeiten Serbiens Hauptstadt", bald nehmen sie Abstecher über Belgrad-Athen, Belgrad-Skopje und "Quisling-Tirana".

Am 16. Februar hat Daan Everts, Chef der OSZE-Mission für Kosovo, in Pristina die neuen Fernsehstudios eingeweiht. Dabei kündigte er Regeln an, um zu belangen, "wer im öffentlichen Leben Hass, Intoleranz und Unfrieden sät". "Pressefreiheit in Ehren", sagte Everts, "Zensur liegt uns fern. Doch werden Zeitungen hier nicht länger ungestraft Gift und Galle speien können, wie manche das bisher taten." Ein illustres Publikum applaudierte, jederman war klar, wen vor allem der Diplomat gemeint hatte: "Bota Sot". Kouchners erste Massregelung traf im Juni ein anderes Blatt. "Dita" hatte einen angeblichen serbischen Kriegsverbrecher unter Nennung von Namen und Adresse potenzieller Rachelust förmlich ausgesetzt. Als der Mann wenig später tatsächlich tot war, musste der Unmik-Chef handeln. Er liess die Zeitung für acht Tage schliessen. Die etwas harsche Massnahme löste unter Kosovos Journalisten eine Kontroverse aus. Wieder munkelte man: "Wäre 'Bota Sot' drangekommen, jeder hätte es geschluckt und gedacht: Na endlich!"" Laut wagt das aber kaum einer zu sagen. Viele fürchten Mazrekaj. In den letzten Monaten habe sich die kosovarische Presse insgesamt etwas gemässigt, sagen Medienbeobachter der OSZE, auch "Bota Sot". Allerdings - das zeigen quantitative Untersuchungen der internationalen Organisation - war diese Zeitung bis jüngst Spitzenreiterin in der negativen Nennung der serbischen Minderheit. Im April zum Beispiel hat die OSZE die Regeln zur Registrierung der Wahlberechtigten in Kosovo vorgestellt. Teki Dervishi, noch ein Starkolumnist von "Bota Sot", höhnte, die Registration werde "eine Art Fabrik mit französischer Lizenz sein". Ihr Zweck: "Serben seriell zu reproduzieren", die Kouchner sonst nirgends finden könne.

Immer noch schafft das Blatt eine Stimmung, als wäre die Südprovinz von "kriminellen Serben" sozusagen belagert, routinemässig wird dieses Volk mit dem Schimpfnamen "Shkije" bedacht. Zwar kehren einzelne kosovo-albanische Journalisten - von Geberländern wie der Schweiz ermuntert - auf den Weg des gegenseitigen Respekts zurück. Doch auch sie riskieren prompt, von "Bota Sota" als Verräter verschrien zu werden. Unter Schweizer Helfern in Kosovo findet man es "nicht gerade elegant", dass solche Post jeweils von Zürich abgeht.



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