Frau Imboden, was brachte das Fass zum Überlaufen?
Wir waren sehr überrascht und schockiert über die Ankündigung von Anfang April. Wir haben auf Juni die Bekanntgabe der Sparmassnahmen erwartet. Nicht gerechnet haben wir, dass das Radiostudio nach Leutschenbach verlegt wird. Wir mussten uns zuerst organisieren, das Vorgehen planen und diesen Brief formulieren.
Es gab also keinen aktuellen Anlass für den Protest-Brief an die SRG-Chefs (persoenlich.com berichtete).
Das alles brauchte Zeit, denn das war ein längerer Prozess mit vielen Beteiligten. Zudem gab es gewisse Unstimmigkeiten. Zuerst hiess es, mit dem Umzug wolle man 10 Millionen Franken sparen, später hiess es intern in einer schriftlichen Notiz plötzlich, dass man damit nur 3,5 Millionen sparen wolle.
Glauben Sie, die SRG habe das Sparpotential zu wenig genau berechnet?
Ich denke, diese Abklärungen finden jetzt statt. Die Verwirrung weist aber auf eine Hauruckübung hin.
Wahrscheinlich haben vor allem Radio-Mitarbeitende aus Bern unterschrieben, die künftig nicht nach Zürich pendeln wollen.
Ja, aber auch sehr viele, die in Zürich wohnen und momentan «umgekehrt pendeln». Auch Kollegen vom SRF TV unterstützen uns. Das tun sie jedoch nicht öffentlich, sondern lieber hinter den Kulissen. Für uns steht das Argument des neuen Arbeitsorts nicht im Zentrum. Das spielt für die einzelnen Mitarbeiter natürlich eine grosse Rolle, doch in unserem Schreiben an die SRG argumentieren wir publizistisch.
Laut Ihrer Mitteilung sind Sie der Meinung, dass Bern eine wichtige Rolle spielt «als Brückenkopf spielt zwischen der Deutschschweiz und der Romandie». Wichtiger ist wahrscheinlich, dass viele Radio-Mitarbeitende Angst haben, dass die journalistischen Standards sinken, wenn Radio dem TV ähnlicher wird.
Es gibt natürlich verschiedene Argumente. Ein Punkt befremdet uns: In der No-Billag-Diskussion wurde das Radioschaffen immer als positiver Punkt herausgestrichen. Radio wurde nie kritisiert, sondern nur gelobt, im Sinne von «zum Glück gibt es noch Radio SRF». Nun will die SRG ausgerechnet bei uns, die eine grosse Unterstützung haben in der Bevölkerung, sparen. Dass die SRG als erste Sparmassnahme bei uns ansetzt, ist einfach nicht richtig. Ein Umzug nach Leutschenbach bringt dem Radio keinen Gewinn, im Gegenteil.
Synergien, Multimedia und weitere Konvergenz: Das wären doch Fortschritte?
Technisch und ökonomisch vielleicht, aber die Vielfalt würde weiter eingeschränkt. Denn jetzt sind die Informationsabteilungen von Radio und TV eigenständig. Wir beim Radio in Bern haben im Tagesgeschäft keine Ahnung, was das TV für Themen aufgreift und welche Schwerpunkte gesetzt werden. Das wäre natürlich in einem gemeinsamen Standort anders. Wir haben nichts gegen das Fernsehen, aber Radio ist ein anderes Medium, das anders produziert wird. Rein von den Kräfteverhältnissen her verlören wir unsere Eigenständigkeit.
Sie meinen, das Radio wäre dem TV personell unterlegen.
Ja, denn in punkto Personal sind wir kleiner, aber auch bezüglich Aufwand: Radio ist im Vergleich zu TV viel günstiger zu produzieren. Wir hätten gegenüber dem Fernsehen und Online praktisch kein Gewicht und bei einer vollständigen Integration würden bald schon TV und Online den Takt angeben. Radio-Informationen würden einfach überfahren von den Strukturen im Leutschenbach – zu Lasten der Qualität.
Und warum ist der SRG-Föderalismus so wichtig?
Der immer stärkere Zürcher Blick auf die ganze Deutschschweiz wird zum Problem. Aufgrund der Pressekonzentration wird Zürich als Zentrum der Schweizer Medienszene stärker und stärker. Radio SRF ist die letzte grosse Medienorganisation, die in Bern angesiedelt ist. Wenn wir nun auch noch nach Zürich kommen, verstärkt sich der Blick auf die Schweiz oder auf die Welt durch die Zürcher Brille. Für die journalistische Perspektive ist es relevant, wo ein Journalist oder eine Journalistin wohnt, arbeitet, wo er oder sie herkommt. Daher setzen wir uns dafür ein, dass die Abteilung Information in Bern bleibt.
Ihre Chefin, Radio-Direktorin Lis Borner, sagte gegenüber medienwoche.ch, sie spare lieber bei «Mauern statt Menschen». Wenn Sie sich dem Umzug verweigern, stehen also Arbeitsplätze auf dem Spiel?
Das ist schlicht und einfach Erpressung. Für uns ist klar: So probiert die Führung uns gefügig zu machen, und zu erreichen, dass wir diesen Umzug akzeptieren. Natürlich machen uns Entlassungen Sorgen. Wir glauben aber nicht, dass einfach im grossen Stil Personal abgebaut würde, falls die SRG auf diesen Umzug verzichtet.
Doch die SRG will das Budget um 100 Millionen Franken reduzieren. Haben Sie alternative Vorschläge, wie das Radio SRF seinen Beitrag leisten könnte?
Sparvorschläge zu machen, ist nicht unsere Aufgabe. Ein Grund, weshalb wir das Radiostudio verlassen sollen, ist, dass die Generaldirektion der SRG aus den Mietbüros am Stadtrand in die Nähe des Stadtzentrums umziehen möchte. Also ins Radiostudio. Im Zentrum von Bern gibt es genügend Bürofläche. Die Stadt könnte der SRG möglicherweise ein attraktives Angebot machen.
Wie geht es nun weiter: Welche Protest-Aktionen sind geplant?
Was wir weiter unternehmen, hängt davon ab, ob die SRG unsere Argumente aufnimmt und eine ernsthafte Diskussion stattfinden kann. Bis jetzt haben wir noch kein Feedback erhalten.
Ist es für Sie als SRF-Bundeshausredaktorin riskant, sich für dieses Interview zu exponieren?
Die Angst, sich zu exponieren, ist bei den SRF-Radio-Mitarbeitenden relativ gross. Aber wir müssen uns zu solch grossen Schritten, die unsere Arbeit grundlegend verändern, äussern können. Falls wir das nicht dürften, hätten wir noch ganz andere Probleme.
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20.04.2018 15:19 Uhr
18.04.2018 16:29 Uhr
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18.04.2018 08:47 Uhr