26.07.2000

"Das Rezept heisst kalkuliertes Risiko..."

Mit seiner Strategie der kleinen Schritte setzt das Medienhaus Ringier in seinem Fernseh-Engagement auf kalkuliertes Risiko. Fibo Deutsch, Ringiers Fernsehboss, über die Vernetzung von Fernsehen und Internet, die Neuausrichtung von Dr. Samuel Stutzs Medizin-Sendung "1 x tägl.", die Zusammenarbeit von PresseTV mit dem Schweizer Fernsehen DRS und die Zukunft seines Bereichs. Das Interview:
"Das Rezept heisst kalkuliertes Risiko..."

Fibo Deutsch - Sie sind Chef des Ringier Fernsehens. Was umfasst Ihr Bereich?

Die Ringier Fernsehstrategie ist auf vier Pfeiler abgestützt. Das bedeutet: Verteiltes Risiko. 1. Beteiligung am PresseTV mit fünf Sendungen auf SF 2. 2. Beteiligung an SAT.1 Schweiz und damit Zugang zu einem Vollprogramm. 3. Beteiligung am Teleclub und damit Einstieg ins Pay-TV. 4. Die TV-Produktion "Rincovision" mit einem breiten Leistungsangebot vom Auftragsfilm, Fernsehsendungen, bis hin zu Werbespots und Corporate Communication für Grossfirmen.

Wie viele Mitarbeiter sind im Fernsehbereich tätig?

Auf der internen Telefonliste stehen rund 100 Mitarbeiter.

Wie gross ist der Umsatz?

Dieses Jahr zwischen 35 und 40 Millionen Franken.

Wo steht das Ringier Fernsehen heute - im Vergleich zu vor drei Jahren?

Wir sind in der Schweiz neben der SRG einer der wichtigsten privaten Player geworden. Wir haben Zugang zu Sendeplätzen - der wichtigsten Voraussetzung für die Lancierung von erfolgreichen Sendungen.

Man hört immer wieder, die Fernsehstrategie von Ringier habe sich als richtig erwiesen. Warum?

Das Rezept heisst "kalkuliertes Risiko". Wer kleine Schritte nimmt, kommt weniger schnell ins Stolpern. Im kleinen Markt Schweiz ist nicht alles möglich, was etwa in Deutschland möglich ist. Das haben wir rechtzeitig erkannt.

Trotzdem: Das Schweizer Fenster von SAT.1 weist unbefriedigende Zahlen aus - bei den Sportsendungen, aber auch bei der Medizinsendung "1x tägl." Die Quoten liegen bei knapp 2 Prozent Marktanteil. Warum, wo liegen die Probleme?

Nach nur vier Monaten sind die neuen Sendungen noch zu wenig bekannt. "1x tägl." mit Sämi Stutz läuft in Konkurrenz zur Tagesschau, das haben wir etwas unterschätzt, werden es aber korrigieren. Die Sendungen kommen an, das zeigen steigende Zuschauerzahlen innerhalb der Sendungen. Wer einmal drin ist, steigt nicht mehr aus.

Liegt das Schweizer Fenster von SAT.1 im Budget?

Die Kosten waren am Anfang etwas höher, pendeln sich aber ein. Gesamthaft liegen wir zurzeit etwas unter dem Budget. Das 2. Halbjahr sehen wir als grosse Chance und Herausforderung zur Resultatverbesserung.

Was tun Sie, um die Zuschauer wieder vor den Fernsehschirm zu holen?

Eine Verbesserung des Konzeptes von "1 x tägl.", die Sendung wird länger, vielfältiger, attraktiver: eine Arzt-Praxis-Doku-Soap. Und sie erhält einen besseren Sendeplatz. "täglich ran" soll ebenfalls ausgebaut werden.

Wie haben die Werber auf die Neuerungen reagiert?

Die Werbewirtschaft begrüsst die Profilierung des Senders. Der grosse Erfolg mit "live ran"-Fussball-Übertragungen am Sonntag hat SAT.1 Schweiz einen grossen Imagegewinn gebracht. Der Medienverbund mit Ringier hat den Sender zusätzlich gestärkt. Man traut uns einiges zu...

Die SonntagsZeitung kritisierte am 25. Juni, dass Dr. Stutz für die in Gründung befindliche Ringier Stiftung "Medizinische Aufklärung und Kommunikation" bei den Pharmafirmen um Geld für einen Programmausbau bittet, obwohl diese noch gar nicht existiert. Vorwürfe gibt es im gleichen Blatt auch gegen Konzept und Ausrichtung der Sendung. Ist das Vorgehen von Sämi Stutz nicht etwas fragwürdig?

Ich fürchte, die Kollegen von der SonntagsZeitung haben unsere Sendungen gar nicht angeschaut. Sonst würden sie nicht von mangelnder Prävention und falsch eingesetztem Geld reden. Die Stiftung, welche die Öffentlichkeitsarbeit für Gesundheitsanliegen unterstützen will, ist in Gründung, das haben wir offen kommuniziert. Wir gehen bei der Suche nach Stiftungsräten besonders sorgfältig vor, das braucht Zeit. Stutz und seine Sendungen tun für die Vorsorge, die Aufklärung, die Eigenverantwortlichkeit und Mündigkeit der Patienten mehr als Farbprospekte und Versprechungen gewisser Krankenkassen.

Beim PresseTV auf SF 2 sind die Zuschauerzahlen bei "Gesundheit-Sprechstunde", "Marktplatz" und "Motorshow" sehr gut. Wie sieht es aber bei den Sponsoren aus?

Die hohe Akzeptanz der Zuschauer bringt auch Goodwill für die Sponsoren. Die Geldgeber erhalten eine adäquate Leistung - das ist wichtig. Das hat auch der Touring Club der Schweiz erkannt: Wir sind überaus glücklich, dass der TCS neu nach der Sommerpause als Hauptsponsor die Sendung "Motor Show" unterstützt.

Sind weitere Sendungen mit der SRG oder anderen Partnern geplant?

Die gute Zusammenarbeit zwischen PresseTV und der SRG auf SF 2 hat uns ermuntert, nach dem gleichen Zusammenarbeitsmodell eine Konzession für den Informationskanal "SF info" in der gesamten deutschen Schweiz einzureichen. Wir möchten, dass unsere Sendungen von noch mehr Zuschauern verfolgt werden können. Bisher war der Wiederholungskanal nur im Raum Zürich zu empfangen.

Ringier ist am Teleclub mit 20 Prozent beteiligt: Macht dies überhaupt Sinn?

Teleclub ist einer der wenigen Fernsehsender, der seit mehreren Jahren deutlich schwarze Zahlen schreibt. Und das soll keinen Sinn machen? Zudem ist der Teleclub startbereit mit einem digitalen Programmpaket für Pay-TV, in Deutschland unter dem Angebot "Premiere world" bekannt. Wir warten nur noch auf grünes Licht vom Bundesrat.

Der Teleclub setzt längerfristig auf Pay-TV. Was bedeutet das für Ringier?

Dank der digitalen Technik können Fernsehprogramme bald selektiver und billiger angeboten werden. Der Zuschauer ist bereit, für Qualität und Programme, die er sonst nicht erhält, direkt zu bezahlen: Programm à la carte. Dazu werden bald vor allem auch spezielle Sportangebote gehören. Als einziges Schweizer Medienunternehmen ist Ringier in dieser zukunftsträchtigen Sparte dabei.

Produziert die Rincovision nur eigene Sendungen oder auch für externe Auftraggeber?

Die Rincovision hat in den letzten Jahren bewiesen, dass sie eine professionelle Produktionssicherheit bieten kann. Heute produziert sie beispielsweise für SF 1 die Sendung "Notruf 144", hat Aufträge für die "Winterthur", den Flughafen Zürich und andere Grossunternehmen ausgeführt.

Verdient sie Geld?

Die Rincovision schliesst positiv ab.

Die Vernetzung von Internet und Fernsehen wird immer konkreter: Gibt es keine Kompetenz- und Abgrenzungsprobleme innerhalb des Unternehmens?

Fernsehen, was ja längst ein altes Medium ist, und die so genannten Neuen Medien arbeiten wahrscheinlich besser zusammen als manche anderen Abteilungen. Beat Lauber und ich versuchen, einander gegenseitig zu unterstützen, suchen nach Synergien. Inhalte, bewegte Bilder verschmelzen mit neuen Technologien, mit neuen Angeboten. Abgrenzung wäre Isolierung und somit völlig falsch. Internet heisst Vernetzung. Aber sie muss auch in unseren Köpfen und zwischen den einzelnen Abteilungen stattfinden. Trotzdem kann, soll jeder für das zuständig sein, von dem er am meisten versteht. Die Zukunft verlangt nach immer grösserer Flexibilität - auch in der Organisation.

Wie sehen Sie die Zukunft Ihres Bereiches?

Fernsehen, immer noch die weitaus beliebteste Freizeitbeschäftigung nicht nur der Schweizer, wird es noch lange geben. Und so lange braucht es Fernsehsendungen. Unsere Stärke ist das publizistische Potenzial, das die rein technische Produktion ergänzt. Wir möchten neue Sendungen produzieren, für unsere Partner bei der SRG, aber auch im Rahmen der neuen, grossen Senderfamilie der KirchGruppe, zu der auch SAT.1 gehört. Wir haben uns beste Optionen gesichert - jetzt müssen wir sie nur noch nutzen.



Kommentar wird gesendet...

Kommentare

Kommentarfunktion wurde geschlossen

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren:

Zum Seitenanfang20240425