Die Angst vor dem elitären Journalismus

Republik - Das digitale Magazin ist bis anhin kein einziges Mal erschienen. Dennoch hat es bereits über die Landesgrenze hinaus für Schlagzeilen gesorgt. Zurzeit sind die Initianten des Medienprojekts in der Schweiz unterwegs, um es zu promoten. Der Inhalt bleibt vage.

von Marion Loher

Die «Republik» tourt durchs Land und machte am Dienstagabend Halt im ausserrhodischen Teufen. Dort, wo die wohlhabenden Städter steuergünstig wohnen, die Dorfzeitung «Tüüfner Poscht» noch eine hohe Leserbindung hat und Nadja Schnetzler, eine der Initianten des Medienprojekts, einen Teil ihrer Kindheit verbrachte. Schnetzler war es auch, die zusammen mit den beiden ehemaligen Chefredaktoren Hanspeter Spörri («Der Bund») und Gottlieb F. Höpli («St. Galler Tagblatt») über die Medienkrise, die gemäss Spörri «noch nie so tiefgreifend war wie heute», diskutierte – und über die «Republik», eine der «möglichen Antworten» auf die offenen Fragen, wie es in der Einladung zum Podium heisst.

Etwa 50 Medieninteressierte waren ins Zeughaus gekommen, um aus erster Hand mehr über das Projekt zu erfahren. Was viele bedauerten: Journalist und Co-Gründer Christof Moser konnte krankheitsbedingt nicht ins Appenzellerland reisen.

Die Erwartungen sind hoch

Das digitale Magazin der Genossenschaft «Project R» ist bis anhin kein einziges Mal erschienen. Dennoch hat es bereits landesweit – und darüber hinaus – Schlagzeilen gemacht. Die anvisierten 750'000 Franken und 3000 Abonnenten waren innerhalb weniger Stunden zusammen, das Medienprojekt kann wie geplant nächstes Jahr starten (persoenlich.com berichtete). Die Macher hatten sich für das Spendensammeln 36 Tage Zeit gegeben. Mittlerweile sind zwei Wochen vergangen und der Zähler auf der Homepage zeigt 2,84 Millionen Franken und 11'300 Abonnenten (Stand Mittwochnachmittag). Und er steht nicht still.

«Ein phänomenaler Erfolg», sagte Spörri an der Podiumsdiskussion. «Ich hätte nicht gedacht, dass das möglich ist.» Die Initianten waren vom Erfolg «überfordert», wie Schnetzler zugab. Aber er habe ihnen gezeigt, dass die Leute genug davon haben, wie die Medien heute funktionieren. «Wir wollen, dass der Journalismus wieder das wird, was er sein muss.» Was genau sie damit meinte, ist im Manifest der «Republik» nachzulesen: «Guter Journalismus soll Fakten und Zusammenhänge liefern, pur, unabhängig, nach bestem Gewissen, ohne Furcht vor niemandem als der Langeweile.» Guter Journalismus soll grosse Debatten führen, grossen Fragen nachgehen und das grosse Bild liefern – ohne Abhängigkeit von Verlagshäusern und Inserenten, steht auf der Einladungskarte geschrieben. Grosse Worte, die Erwartungen an das digitale Magazin sind immens.

Nadja Schnetzler, Mitinitiantin des Medienprojekts, mit den beiden ehemaligen Chefredaktoren Hanspeter Spörri («Der Bund», links) und Gottlieb F. Höpli («St. Galler Tagblatt»).

Ein Zuschauer wollte es etwas genauer wissen und fragte, wie die «Republik» beispielsweise über die Wahlen in Frankreich berichtet hätte. Eine konkrete Antwort gab es nicht. «Dazu kann ich nicht viel sagen, da ich nicht den journalistischen Hut trage», so Schnetzler, die im Projektteam für die Prozesse und Zusammenarbeit zuständig ist. Allgemein lasse sich aber sagen: «Wir wollen nicht den ersten Artikel zu einem Thema schreiben, sondern den letzten.» Es soll abgewartet, intern diskutiert und analysiert werden, ohne Zeitdruck, ohne Klicks generieren zu müssen. «Wir wollen nicht über das Wetter berichten, sondern über das Klima», sagte sie im übertragenen Sinn. Der frühere «Bund»-Chefredaktor merkte an: «Für Journalisten eine Traumstelle.» Ja, sagte Schnetzler, das sähen sie auch an den vielen Bewerbungsmails.

Eine «publizistische Heimat»

Bis zu drei Beiträge möchte das Magazin täglich veröffentlichen. «Nur Relevantes», betonte Schnetzler. Darauf sollen sich die Leser verlassen können, die «Republik» soll für sie eine «publizistische Heimat» sein.

«Ich glaube, das wird ein elitäres Projekt», kritisierte ein Zuschauer. Eine Befürchtung, die einige in der Runde teilten. Gottlieb F. Höpli, ehemaliger Chefredaktor des «St. Galler Tagblatts», hofft, dass das Magazin nicht nur für ein «urbanes, linksliberales Publikum» gemacht wird. Spörri wollte denn auch von der Projekt-Mitinitiantin wissen, wie sie und ihre Kollegen den Anspruch erfüllen könnten, nicht bloss diesen einen Teil der Gesellschaft anzusprechen. «Wenn man die Community auf unserer Webseite anschaut, sieht man, wie breit die Unterstützung ist. Es sind Menschen unterschiedlichen Alters und mit unterschiedlichen Berufen dabei, solche, die in der Stadt leben oder auf dem Land.» Sie müssten aber dort anfangen, wo sie die meisten Interessenten hätten.

Ihnen sei klar, dass sie nach einem Jahr rund 40 Prozent der Abonnenten verlieren werden, «das ist statistisch einfach so», sagte Schnetzler. «Wir werden aber von unserem Plan nicht abweichen. Unser Ziel ist es, in fünf Jahren selbsttragend zu sein.» Und selbsttragend heisst mindestens 22'000 Abonnenten.