13.11.2019

Schweizer Illustrierte/L'illustré

«Die SI war mittlerweile wirklich verstaubt»

«Schweizer Illustrierte» und «L’Ilustré» erscheinen diese Woche im gleichen Kleid und arbeiten auch inhaltlich stärker zusammen. Nina Siegrist, stellvertretende Chefredaktorin der SI, sagt im Interview, was sich konkret ändert – und, ob Promis auch weiterhin in der Badewanne fotografiert werden.
Schweizer Illustrierte/L'illustré: «Die SI war mittlerweile wirklich verstaubt»
«Vorher waren wir Cousinen, jetzt sind wir Schwestern», sagt Nina Siegrist zum gemeinsamen Layout von «Schweizer Illustrierte» und «L'illustré». (Bild: Paul Seewer)
von Loric Lehmann

Frau Siegrist, woher kam die Idee für einen Relaunch?
Dass eine «Generalüberholung» fällig ist, war uns schon länger bewusst. Der definitive Entscheid fiel dann während eines einwöchigen Besuchs unserer Redaktion am Fête des Vignerons bei der «L’illustré», wo ein engerer Austausch stattfand. Chefredaktor Michel Jeanneret meinte damals, im aktuellen schwierigen Medienumfeld wäre es Zeit, etwas zu wagen. Da haben wir gemerkt, dass wir gemeinsam einen mutigen Schritt machen könnten. Im Stil von: Bis jetzt waren wir Cousinen, jetzt sind wir Schwestern.

Wie stark geht es bei diesem Relaunch darum, Kosten zu sparen?
Es geht nicht um eine Sparübung. Klar, stehen wir alle unter Druck: Vom Lesermarkt wie auch vom Werbemarkt. Darum muss man sich etwas einfallen lassen. Wir zogen zwei Grafiker aus dem Tagesgeschäft ab, die sich zusammen mit einer Bildredaktorin und der Grafik-Agentur Bodara drei Monate nur mit unserem Neuauftritt auseinandergesetzt haben. Dass wir diesen Relaunch in der kurzen Zeit geschafft haben, ist für die ganze Redaktion ein Wahnsinnswurf. Die letzten Relaunches wurden teilweise über ein ganzes Jahr hindurch mit externen Agenturen geplant und umgesetzt. Indem wir die Redaktion miteingebunden haben, ist die Identifikation mit unserem neuen Produkt grösser. Aber es war ein intensiver Prozess mit vielen Diskussionen.

Was hat sich also konkret geändert?
Das Cover hat eine neue Bildsprache, sowohl «L’illustré» als auch wir haben unser Logo aufgefrischt und dieses eingemittet. Beide Titel haben neue, gemeinsame Schriften. Übrigens Schweizer Schriften! Der Einstieg ins Heft wird farbiger, verspielter. Wir haben mehr Rubriken und neue regelmässige Heftinhalte wie die «Zukunftsmacher» oder «So machen wir das», unsere letzte Seite, auf der ganz gewöhnliche Menschen ihre Geschichten erzählen. Bei den Porträts, Interviews und Reportagen geben wir den einzelnen Bildern etwas mehr Platz, verzichten dafür tendenziell auf einige Sujets – und gewähren mehr Weissraum, mehr Luft zum atmen. So wirkt alles etwas eleganter. Neu haben wir mehr hochformatige Bilder, mehr zusätzliche kleine Inhalte.

«Print steht unter Druck, deshalb mussten wir uns etwas einfallen lassen»

Und an was hält man fest?
Was wir weiterhin behalten, ist unser «Grosses Stück»: Bis jetzt war das immer eine grosse Reportage mit zwölf Seiten und einem starren Layout. Nun haben wir das optisch und inhaltlich etwas aufgelockert. Überhaupt haben wir eine neue Bildsprache entwickelt: Früher war die SI voll von lächelnden Leuten mit frontalem Kamerablick. Von dem möchten wir etwas wegkommen.

Das sind ja einige Änderungen.
In der Geschichte der «Schweizer Illustrierten» ist das vermutlich der augenscheinlichste Relaunch. Wir behalten aber unsere kultigsten Dinge – beispielsweise die Homestory, nun einfach mit verstärktem Fokus auf Interior Design. Wir haben bei der Konzeption mit unserer Lesermarktabteilung zusammengearbeitet. Für den Relaunch haben wir eine Umfrage gemacht, um herauszufinden, was unsere Leser sich von der SI wünschen. Dies haben wir einfliessen lassen.

Das Layout schaut sehr «online» aus. Farbiger, mehr Elemente, mehr Grafiken und farbige Hintergründe: Wird man konvergenter mit dem Online-Auftritt der SI?
Im Moment sind wir vor allem bei den Service-Seiten konvergent. Da wird im Rahmen des Relaunches vermehrt ein Austausch stattfinden. Aber es funktioniert nicht alles vom Online auch im Print – und umgekehrt. Und natürlich hat man nach wie vor einen Mehrwert, wenn man die Print-Ausgabe kauft.

Also gibt es die «Schweizer Illustrierte» in zehn Jahren nur noch online?
Wir hoffen nicht. Es ist schon so, dass Print unter Druck steht. Genau deshalb mussten wir uns jetzt etwas einfallen lassen. Ich bin überzeugt, dass gerade gut gemachte Zeitschriften Bestand haben werden – auch in der digitalen Welt. Aber die Macher müssen sich anstrengen.

«Die Protagonisten mussten bei uns den Spagat machen und dazu eine Bratwurst essen»

Das Layout sieht sehr nach «20 Minuten Friday» aus. Auch einzelne Rubriken erinnern an das Heft.
Finden Sie? Wir haben uns zum Ziel gesetzt, die 40 bis 60-Jährigen vermehrt abzuholen. Wollten aber nicht verkrampft hip sein. Die Leute auf der Redaktion sind auch etwa in dieser Altersgruppe. Wir haben uns gesagt: Lasst uns ein Heft machen, das wir selber kaufen würden. Denn die SI war mittlerweile wirklich etwas verstaubt. Mit dem Relaunch, würde ich sagen, sind wir modern, aber nicht zu hip. Wenn man die alte SI anschaut, war sie immer sehr «laut» im Design. Ein Grafiker hat mal kritisiert, die Protagonisten müssten bei uns quasi den Spagat machen und dazu eine Bratwurst essen. Nun wollen wir mehr variieren im Layout. Mal knallt es in der Gestaltung, mal wird es aber auch ruhiger.

Als Kind erinnere ich mich, war die SI jeweils vor den Miss Schweiz Wahlen immer ein Highlight, um die Fotos der Kandidatinnen zu vergleichen.
Genau, unter meinen Freunden hiess es immer «Komm, wir kaufen noch die Schwillu und wetten, wer Miss Schweiz wird». Aber die SI entspricht schon lange nicht mehr diesem Klischee, das viele immer noch haben. Thematisch werden wir oft unterschätzt. Es ist jedoch immer noch so, dass die Promis vor Ort denken, sie müssten für ein Foto gleich in die Badewanne hüpfen. (lacht)

Wieso hat man am Namen festgehalten? Bei so vielen Klischees wäre das doch naheliegend.
Es gab auch Entwürfe, die noch viel weiter gingen. Aber die «Schweizer Illustrierte» ist eine Kultmarke und wir wollten diese bewahren. Wir schämen uns ja nicht für diesen Brand, im Gegenteil! Mit dem Relaunch haben wir aber schon einiges geändert, das sieht man auch am neuen Fotokonzept, das beispielsweise unterschiedlichere Distanzen und Stile beinhaltet.

Also lässt man den Fotografen mehr Freiheiten?
Ja, das war auch ein Stichwort beim Relaunch. Die ersten Rückmeldungen und Resultate der Fotografen sind vielversprechend. Bis jetzt waren die Fotos oft künstlich ausgeleuchtet. Nun arbeiten wir vermehrt mit natürlichem Licht und wollen weniger inszenieren, mehr beobachten.

Wie sieht denn die Zusammenarbeit mit der «L’illustré» genau aus?
Vorher hat man selten zusammengearbeitet. Höchstens Material ausgetauscht. Jetzt sehen wir in unseren Redaktionsmanagementtools gegenseitig, was für Themen geplant sind, und gehen einige Top-Shots gezielt gemeinsam an. Die Titelgeschichte des nächsten Heftes ist beispielsweise ein Interview mit Alain Berset und da haben wir die gleiche Geschichte, in deutsch und französisch.

«Wir konnten geeint unsere Anliegen einbringen»

Gut, das wird ja wahrscheinlich nicht allzu oft passieren. Viele Promis, die in der Deutsch- und der Westschweiz vertreten sind, gibt es ja nicht.
Genau, von daher wird dies auch eine Ausnahme bleiben. CEOs, Bundesräte oder auch Schweizer Sportler und Sportlerinnen könnten da noch attraktiv sein.

Werden jetzt also selber nationale Promis von der «Schweizer Illustrierten» und der «L’illustré» geschaffen?
Bei uns stehen weiterhin «Menschen, die die Schweiz bewegen» im Zentrum. Das sind oft Promis, aber auch ganz normale Menschen mit spannenden Geschichten. Im aktuellen Heft porträtieren wir einen Metzger, der seine Metzgerei in ein Schloss umgewandelt hat. Daher bleibt der Wechsel von Promis und Normalos bestehen.

Zum Schluss noch: Wie steht es um die Französischkenntnisse der Redaktoren der «Schweizer Illustrierte»?
Michel Jeanneret, Chefredaktor von «L’illustré», kann zum Glück sehr gut Deutsch…

...also müssen die Leute der «L’illustré» Deutsch sprechen?
Das halten wir unkompliziert: Wir waren ja eine Woche auf der Redaktion von L’illustré in Lausanne und da hat man immer entweder Französisch, Deutsch oder Englisch gesprochen. Und schlussendlich hat das super funktioniert. Das Gute ist auch: Bis jetzt war der Kontakt zwischen den zwei Redaktionen nur telefonisch. Seit wir jetzt aber vor Ort waren, hat man ein Gesicht zu den Namen.

Sind jetzt regelmässige Treffen geplant?
Auf jeden Fall! Am Schluss ist es auch diesem neuen, gemeinsamen Drive zu verdanken, dass wir den Relaunch vor der Geschäftsleitung durchgebracht haben: Wir konnten geeint unsere Anliegen einbringen.



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