18.05.2006

Marcus Knill

Die Stimme als Marke

Zum Fall des entlassenen "Radiodoktors" Fasnacht.

Der Kommunikationsberater Marcus Knill erläutert im Folgenden seine Ansicht über die Entlassung des Radioarztes Jean-Jacques Fasnacht.

"Radio DRS verzichtet auf eine weitere Zusammenarbeit mit dem Radioarzt Jean-Jacques Fasnacht. Der Entscheid wirft die Frage auf, inwieweit ein Sprecher eines öffentlichen Mediums sich gleichzeitig als Sprecher einer politischen Organisation positionieren darf. Grund für die Entlassung von Fasnacht beim Radio DRS war sein politisches Engagement gegen ein mögliches Tiefenlager von radioaktiven Abfällen im Zürcher Weinland. Fasnacht, der in der Sendung 'Ratgeber' über Gesundheitsfragen Auskunft gab, engagiert sich zugleich in den Medien als Kopräsident des Vereins 'klar! Schweiz'.

DRS begründet die Entlassung damit, dass aus Gründen der Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit redaktionelle Arbeit und politisches Engagement getrennt werden müssten. Mit dem Radioarzt hatte man sich im vergangenen Herbst darauf geeinigt, dass dieser seine politischen Auftritte einschränke. Fasnacht trat jedoch weiterhin als Radiodoktor und gleichzeitig als Sprecher von 'klar! Schweiz' auf. Radio DRS schliesst nicht aus, dass Fasnacht künftig in einzelnen Sendungen weiterhin als Arzt zu Wort kommt. Offizieller Radioarzt wird er jedoch nicht mehr sein.

Der Entscheid von Radio DRS führte zu medialem Interesse und zu Reaktionen. Eine Partei fragte sich, ob das Radio DRS nicht aus politischen Beweggründen gehandelt habe. Jean-Jacques Fasnacht nahm sogar selbst in der Presse Stellung -- zu dem für ihn überraschenden Entscheid von Radio DRS ("persoenlich.com" berichtete).

Die Stimme ist ein Marke

Wahrnehmungstests zeigen, dass die Stimme einen wesentlichen Beitrag zur Kommunikation leistet. Bei Präsentationen vor einem Publikum trägt die Stimme zu einem wesentlichen Teil zur Informationsvermittlung bei. Bei Überzeugungsprozessen ist die Stimme von zentraler Bedeutung. Bei Radiosendungen ohnehin. Radiosprecher werden von Zuhörern unmittelbar erkannt und unbewusst einem Thema oder Sendegefäss zugeordnet. Charles Clerc, Stefan Tabacznik, Katja Stauber oder Peter Achten sind Stimmen der Tagesschau, Beni Turnherr ist Mr. Sport und die Stimme von Jean-Jacques Fasnacht steht für den Radioarzt. Die Stimme von Radio-Sprechern wird damit zum eindeutigen Erkennungs- und Markenzeichen und steht gleichzeitig für das Medium. Tritt ein Mediensprecher irgendwo auf, profitiert er von diesem Image.

In der Schweizerischen Radio- und Fernsehverordung ist im Art. 15 verankert, dass politische aber auch unterschwellige Werbung verboten ist. Es ist verständlich, dass Radiostationen bewusst darauf verzichten, bekannte Stimmen möglichst exklusiv für eine Sparte einzusetzen und diese Stimmen nicht kommerziell nutzen. So würde beispielsweise ein Zuhörer manipuliert, falls ein offizieller Tagesschausprecher einen Werbespot bespricht.

Der Grundsatz für freie MitarbeiterInnen beim Radio DRS lautet: "FachexpertInnen, die regelmässig in SR DRS-Programmen auftreten und durch ihre Arbeit beim Radio einen Bekanntheitsgrad erreicht haben, können nicht gleichzeitig als ExponentInnen von öffentlichen Aktionen mit politischen Zielen auftreten". Wie der baz vom 11. Mai 2006 entnommen werden kann, teilt Medienwissenschaftler Roger Blum diesen Standpunkt.

Aus mediendidaktischen Gesichtspunkten ist deshalb die Entscheidung von Radio DRS nachvollziehbar."

(Text: Marcus Knill)

Stellungnahme von Radio DRS:

"Am 7. April 2006, ist Dr. Fasnacht am gleichen Morgen innert kürzester Zeit im Original-Ton als DRS 1-Arzt über den Sender gegangen und anschliessend im Regionaljournal ZH/SH als Co-Präsident von 'Klar!'. Herr Dr. Fasnacht hat am 7. April schriftlich die Mitteilung erhalten, dass SR DRS künftig auf seine Dienste verzichten wird. SR DRS hat mit Dr. Fasnacht bereits im September 2005 gesprochen und ihn darauf aufmerksam gemacht, dass sich die beiden Funktionen als Exponent von 'Klar!' und als Gesundheitsratgeber unter den Aspekten Unabhängigkeit, Glaubwürdigkeit und Anscheinproblematik nicht miteinander vertragen. Im Rahmen dessen wurde eine gemeinsame, schriftliche Vereinbarung getroffen, die Dr. Fasnacht akzeptiert hat, sich dann aber nicht daran gehalten hat.



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