16.08.2024

NZZ

Die Zukunft der Lebruments als Psychogramm

Der NZZ-Journalist Samuel Tanner analysiert den Radiostreit in Graubünden mit Roger Schawinski und stellt sich dabei die Frage, ob der Vater die Konzession auch verloren hätte.
NZZ: Die Zukunft der Lebruments als Psychogramm
Das Medienhaus der Somedia im April 2015 in Chur. (Bild: Keystone/Gian Ehrenzeller)

Unter dem Titel «Das Erbe des Kriegers» widmet die NZZ am Freitag einen einseitigen Artikel der Mediendynastie der Familie Lebrument im Kanton Graubünden. Dabei geht es vor allem um die Frage, wie sich diese nach dem Rückzug von Gründer und Patron Hanspeter Lebrument weiterentwickelt und wie dessen Nachkommen mit seinem Erbe umgehen. Auslöser ist der Streit um die Bündner Radiokonzession, die Anfang dieses Jahres nach mehreren Jahrzehnten von Somedia, dem Unternehmen der Familie Lebrument, zum Zürcher Radiounternehmer und Medienpionier Roger Schawinski und dessen Geschäftspartner, dem Bündner Stefan Bühler, ehemals Chefredaktor und Kadermann von Somedia, wechselte.

Momentan befinden sich die beiden Gruppierungen in einem Rechtsstreit um die Konzessionsvergabe, sowie um den Namen Radio Grischa, den Schawinski wegen Nichtgebrauch für seinen geplanten Sender beansprucht. Somedia hat im Gegenzug einen Internetsender mit dem Namen Radio Grischa ins Leben gerufen und will damit beweisen, dass sie auf den Namen «Radio Grischa» keineswegs verzichten wollen (persoenlich.com berichtete).

Fokus auf psychologischer Ausgangslage

Autor Samuel Tanner geht in seinem Artikel weniger auf die rechtliche Auseinandersetzung ein, die nun von Gerichten entschieden wird, sondern fokussiert sich primär auf die psychologische Ausgangslage. Es sei der Kampf um eine Konzession der Zukunft, der mit Belegen aus der Vergangenheit geführt werde, schreibt Tanner und verweist auf Patron Hanspeter Lebrument, der nicht nur König, sondern auch Krieger gewesen sei. Sobald ihm jemand gefährlich geworden sei, habe er «zurückgepfeffert». Mehrfach habe er erklärt, dass er keine Freunde habe und auch keine brauche: «Aber jetzt, da er als König abgedankt hat, holt eine seiner aufwendig gepflegten Feindschaften seine Kinder ein», so die NZZ. Gemeint ist dabei Roger Schawinski, der Lebrument bereits vor bald 15 Jahren die Bündner Radiokonzession streitig machen wollte, dabei aber unterlag.

Hätte auch Vater Lebrument heute die Konzession verloren? fragt sich Autor Tanner. «Er hätte wohl mehr Guzzi gegeben, anders lobbyiert und ein riesiges Brimborium veranstaltet», so Andrea Masüger, langjähriger Stellvertreter Lebruments und heutiger Verlegerpräsident, gegenüber der NZZ. Seine Kinder und ihr CEO Thomas Kundert seien entspannter, kooperativer, was in Graubünden eigentlich gut ankomme. Im Kampf um das Radio gehe es zu 90 Prozent um Psychologie, so Masügers Analyse, «um gegenseitige narzisstische Kränkungen aus der Vergangenheit». Dies alles gehöre zum Erbe.

Geister der Geschichte

Bemerkenswert ist, dass sowohl Schawinski wie auch die Lebruments ihren Gegner in dessen eigenen Bücher analysieren. So hat Schawinski die Lebrument-Biografie von Christian Ruch gelesen, während Susanne Lebrument, Tochter von Hanspeter Lebrument und Delegierte des Verwaltungsrats, «Die Schawinski-Methode – Erfolgsrezepte eines Pioniers» studierte. Sie wolle damit verstehen, wie er funktioniert.

Ihr Fazit: Im Buch schreibe Schawinski, als Chef von Sat 1 habe er Krawallsendungen gestrichen, weil das nicht sein Stil sei. «Jetzt macht er Krawall gegen uns.» Schawinski sieht dies naturgemäss anders: «Die Lebruments waren verblüfft, ja schockiert, dass ich noch einmal versucht habe, ihr Bündner Monopol zu brechen», so der Medienunternehmer. «Sie dachten, ihr Vater habe ihnen nicht nur die Firma, sondern vor allem Millionen-Subventionen vererbt. Aber dann kam ich mit meinem Bündner Partner!» Da sein Vater in Chur aufgewachsen ist, nimmt er für sich in Anspruch, dass die Schawinski länger in Chur seien als die Lebruments.  

Silvio Lebrument, Sohn von Hanspeter und Verwaltungsratspräsident von Somedia, dementiert gegenüber der NZZ den Vorwurf eines Monopols. Dieser komme aus einer anderen Zeit. In vielen Regionen gebe es inzwischen nicht einmal mehr ein Monopol – weil die Medien einem Verleger in Zürich oder in Aarau gehörten. Mit der Konzessionsvergabe an Schawinski und Bühler schwäche man ausgerechnet einen der letzten kleineren Verlage. Obwohl in den Berggebieten viele Junge abwanderten und Hotels schliessen müssen, investiere Somedia wieder in die Zukunft. Doch jetzt – so Tanners Schlussfazit – kehrten die «Geister der Geschichte» wieder zurück. (ma)

 

 


Kommentar wird gesendet...

KOMMENTARE

Raphael Weber
16.08.2024 18:17 Uhr
Geht es wirklich ums Monopol oder ist es nicht eher dem Umstand geschuldet, dass das Bündner Konzessionsgebiet am besten entschädigt wird? Was ist mit dem Monopol zwischen Biel und St. Margrethen bzw. Full-Reuenthal und Realp? Aber von dessen Monopolisten erhält man ja nun die Schnipsel - News, auch nicht gerade ein Garant für mehr Vielfalt und weniger Monopol. Schade, der einstige Radiopionier wird zum Mediengriesgram. Wollen wir wetten, in spätestens ca. 2-3 Jahren übergibt Roger, Radio 1 und wie auch das Bündner «ich vergolde mir meine Pension» Radio, dem Monopolisten welcher mit «W» anfängt und mit «anner» aufhört…
Roger Schawinski
16.08.2024 14:23 Uhr
Der ganze Artikel basiert auf einer süffigen, eingeflüsterten These: Es gehe um Rache an Hanspeter Lebrument. Es sei ein Kampf zwischen zwei Alphatieren. Um dies zu belegen, zitiert NZZ-Inlandredaktor Samuel Tanner sehr ausführlich und absolut einseitig meine Gegenspieler in Chur, die mich aus der Ferne detailliert psychologisieren. Das ist ihre Erklärung über das Ungemach, das sie befallen hat. Mich hat die NZZ nicht mit dieser These konfrontiert. Ich hätte erklärt, dass sie völlig falsch ist. Die Person Hanspeter Lebrument interessiert mich nicht. Nicht mehr. Vielleicht 2008 hätte man eine Story damit aufbauen können. Aber 2024? Entscheidend ist für mich etwas anderes, nämlich der Kampf gegen ein weiteres Monopol. Ich möchte nach dem Radio- und dem Fernsehmonopol nun auch noch das besonders hässliche Bündner Monopol knacken. Dagegen kämpfe ich und übe nicht Rache an einem heute leider dementen Gegner. So etwas wäre extrem peinlich, geradezu lächerlich. Monopole sind schädlich, demokratiefeindlich. Dagegen kämpfe ich ein ganzes Leben lang. Und regionale Monopole sind die schlimmsten. Das motiviert mich auch heute. Deshalb nahm ich selbst im fortgeschrittenen Alter diese nicht nur leichte Aufgabe in Angriff. Warum? Weil es sonst niemand tut. So wie es schon früher der Fall war. Sogar die NZZ hat von einem «wasserdichten Monopol» in Graubünden geschrieben. Passiert ist nichts. Mit der aktuellen Vergabe der Radiokonzessionen hat man eine der letzten Stellschrauben, um die Medienkonzentration in einem ganzen Landesteil zu verringern. Unkommentiert übernimmt Tanner auch die Lebrument-These, dass es um einen Kampf gegen einen Unterländer gehe. Dagegen müssen sich die Bündner wehren. Dies war ja auch der Ansatz der völlig lächerlichen Somedia-Petition, mit der man die Bevölkerung in die Irre geführt hat. Dabei erleben wir als Initianten von «Radio Grischa» zurzeit unglaublich viel Zustimmung in Graubünden, weil wir es als Einzige wagen, gegen dieses arrogante, völlig unbeliebte und unprofessionell agierende Monopol anzutreten. Und dies mit einem Team, aus Bündnern mit Studios im Zentrum von Chur. Und zusätzlich mit der materiellen und professionellen Unterstützung aus Zürich. So wie die Zürcher – vom Bau der Staumauern bis zur gewaltigen Entwicklung der Tourismusindustrie – mit den Bündnern schon immer zusammengearbeitet haben. Und es auch in Zukunft tun werden.
Kommentarfunktion wurde geschlossen

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren