Unter dem Titel «Das Erbe des Kriegers» widmet die NZZ am Freitag einen einseitigen Artikel der Mediendynastie der Familie Lebrument im Kanton Graubünden. Dabei geht es vor allem um die Frage, wie sich diese nach dem Rückzug von Gründer und Patron Hanspeter Lebrument weiterentwickelt und wie dessen Nachkommen mit seinem Erbe umgehen. Auslöser ist der Streit um die Bündner Radiokonzession, die Anfang dieses Jahres nach mehreren Jahrzehnten von Somedia, dem Unternehmen der Familie Lebrument, zum Zürcher Radiounternehmer und Medienpionier Roger Schawinski und dessen Geschäftspartner, dem Bündner Stefan Bühler, ehemals Chefredaktor und Kadermann von Somedia, wechselte.
Momentan befinden sich die beiden Gruppierungen in einem Rechtsstreit um die Konzessionsvergabe, sowie um den Namen Radio Grischa, den Schawinski wegen Nichtgebrauch für seinen geplanten Sender beansprucht. Somedia hat im Gegenzug einen Internetsender mit dem Namen Radio Grischa ins Leben gerufen und will damit beweisen, dass sie auf den Namen «Radio Grischa» keineswegs verzichten wollen (persoenlich.com berichtete).
Fokus auf psychologischer Ausgangslage
Autor Samuel Tanner geht in seinem Artikel weniger auf die rechtliche Auseinandersetzung ein, die nun von Gerichten entschieden wird, sondern fokussiert sich primär auf die psychologische Ausgangslage. Es sei der Kampf um eine Konzession der Zukunft, der mit Belegen aus der Vergangenheit geführt werde, schreibt Tanner und verweist auf Patron Hanspeter Lebrument, der nicht nur König, sondern auch Krieger gewesen sei. Sobald ihm jemand gefährlich geworden sei, habe er «zurückgepfeffert». Mehrfach habe er erklärt, dass er keine Freunde habe und auch keine brauche: «Aber jetzt, da er als König abgedankt hat, holt eine seiner aufwendig gepflegten Feindschaften seine Kinder ein», so die NZZ. Gemeint ist dabei Roger Schawinski, der Lebrument bereits vor bald 15 Jahren die Bündner Radiokonzession streitig machen wollte, dabei aber unterlag.
Hätte auch Vater Lebrument heute die Konzession verloren? fragt sich Autor Tanner. «Er hätte wohl mehr Guzzi gegeben, anders lobbyiert und ein riesiges Brimborium veranstaltet», so Andrea Masüger, langjähriger Stellvertreter Lebruments und heutiger Verlegerpräsident, gegenüber der NZZ. Seine Kinder und ihr CEO Thomas Kundert seien entspannter, kooperativer, was in Graubünden eigentlich gut ankomme. Im Kampf um das Radio gehe es zu 90 Prozent um Psychologie, so Masügers Analyse, «um gegenseitige narzisstische Kränkungen aus der Vergangenheit». Dies alles gehöre zum Erbe.
Geister der Geschichte
Bemerkenswert ist, dass sowohl Schawinski wie auch die Lebruments ihren Gegner in dessen eigenen Bücher analysieren. So hat Schawinski die Lebrument-Biografie von Christian Ruch gelesen, während Susanne Lebrument, Tochter von Hanspeter Lebrument und Delegierte des Verwaltungsrats, «Die Schawinski-Methode – Erfolgsrezepte eines Pioniers» studierte. Sie wolle damit verstehen, wie er funktioniert.
Ihr Fazit: Im Buch schreibe Schawinski, als Chef von Sat 1 habe er Krawallsendungen gestrichen, weil das nicht sein Stil sei. «Jetzt macht er Krawall gegen uns.» Schawinski sieht dies naturgemäss anders: «Die Lebruments waren verblüfft, ja schockiert, dass ich noch einmal versucht habe, ihr Bündner Monopol zu brechen», so der Medienunternehmer. «Sie dachten, ihr Vater habe ihnen nicht nur die Firma, sondern vor allem Millionen-Subventionen vererbt. Aber dann kam ich mit meinem Bündner Partner!» Da sein Vater in Chur aufgewachsen ist, nimmt er für sich in Anspruch, dass die Schawinski länger in Chur seien als die Lebruments.
Silvio Lebrument, Sohn von Hanspeter und Verwaltungsratspräsident von Somedia, dementiert gegenüber der NZZ den Vorwurf eines Monopols. Dieser komme aus einer anderen Zeit. In vielen Regionen gebe es inzwischen nicht einmal mehr ein Monopol – weil die Medien einem Verleger in Zürich oder in Aarau gehörten. Mit der Konzessionsvergabe an Schawinski und Bühler schwäche man ausgerechnet einen der letzten kleineren Verlage. Obwohl in den Berggebieten viele Junge abwanderten und Hotels schliessen müssen, investiere Somedia wieder in die Zukunft. Doch jetzt – so Tanners Schlussfazit – kehrten die «Geister der Geschichte» wieder zurück. (ma)
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16.08.2024 18:17 Uhr
16.08.2024 14:23 Uhr