03.01.2023

Medien und Kommunikation

Diese acht Trends werden 2023 wichtig

Fokus, programmierte Intelligenz oder Portfolio: Der Strategieberater Konrad Weber hat über 20 Trendberichte analysiert und miteinander verglichen, um daraus acht Metatrends abzuleiten.

Was wird 2023 für die Medien- und Kommunikationsbranche wirklich wichtig? Laut dem Strategieberater Konrad Weber* sind es folgende Themen:

Trend 1: Fokus – weniger ist mehr

Mit weniger mehr zu erreichen, zeichnete sich bereits als grosse Herausforderung in den letzten Monaten ab. Steigende Preise und höhere Kosten wirken sich auch direkt auf die Medienbudgets der Nutzerinnen und Nutzer aus. Bei den Ausgaben für Medieninhalte wird als Erstes gespart. Gleichzeitig nimmt auch unser Zeitbudget ab. Mehr denn je ist nun echter Service nahe an unserer Lebensrealität gefragt.
 
Gleich mehrere Trendreports kommen zum Schluss: Medienunternehmen sollten lieber weniger anbieten, dafür den Mehrwert für die Nutzerinnen und Nutzer noch schneller ersichtlich und im besten Fall unverzichtbar machen. Das betrifft die Kommunikations- und Werbebotschaften, das Werteversprechen, aber auch die Einfachheit der angebotenen Produktfeatures und Zahlungsmöglichkeiten.
 
Trend 2: Programmierte Intelligenz – künstlich erstellte Inhalte

Es war ein Augenöffner der besonderen Art, als OpenAI Ende November 2022 die neue Anwendung ChatGPT lancierte. Plötzlich schienen die Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz gefühlt über Nacht allen zugänglich zu sein. Auch wenn sich das wahre Potenzial erst erahnen lässt, sehen einige Beobachterinnen und Beobachter darin den Anfang einer KI-Revolution. Diese werde die Wissensarbeit ähnlich revolutionieren, wie im 18. Jahrhundert die mechanischen Maschinen die Fabrikarbeit grundlegend verändert haben.
 
Dies wird vielleicht noch nicht gleich 2023 eintreten. Wichtig zu verstehen ist aber, dass gesellschaftliche Wendepunkte nicht so sehr durch die Erfindung revolutionärer Technologien, sondern vielmehr durch deren breite Anwendung entstanden sind. Und dafür lohnt es, sich bereits jetzt über mögliche moralische Grenzen Gedanken zu machen.
 
Trend 3: Finden lassen – statt ewig zu suchen

Als Google im letzten Sommer eine Studie zu den Suchpräferenzen seiner Nutzerinnen und Nutzer präsentierte, mochten die Resultate einige überraschen. Demzufolge verwenden rund 40 Prozent der jüngeren Nutzerinnen und Nutzer, wenn sie einen Ort zum Essen suchen, nicht etwa Google Maps oder die Google Suche, sondern lassen sich von Inhalten auf TikTok oder Instagram inspirieren.
 
Social Video wird zunehmend zum Ort, an dem die Suche beginnt – oder noch extremer: zum Ort, an dem Inspiration gefunden wird, obwohl man gar nicht wusste, dass man danach auf der Suche war. In diesem Zusammenhang kündigte Google an, die Suche künftig visueller und interaktiver gestalten zu wollen.
 
Andere Anbieter werden nachziehen, was sich wiederum auch auf die Auffindbarkeit von Medieninhalten auswirken wird. Denn im Zentrum steht unterdessen nicht mehr nur, dass die Nutzerinnen und Nutzer schnell ihre Antworten finden, sondern genauso oft überrascht und unverhofft erfreut werden wollen.
 
Trend 4: Goodbye – schwieriger Ablöseprozess von Drittplattformen

Obwohl auch für 2023 einige Trendreports (erneut) das Ende von Social Media voraussehen, ist die Realität eine andere: Nach wie vor profitieren viele Medienhäuser von Social-Media-Traffic. Trotzdem ist es kein Geheimnis: 2023 wird das Jahr sein, in dem viele Medien- und Kommunikationsunternehmen ihre Strategien für die Bindung von Nutzerinnen und Nutzer abseits der Drittplattformen aufzuwerten versuchen.
 
Mit Blick auf Übernahmen, Umstrukturierungen und Entlassungen bei den Plattformunternehmen müssen Medienhäuser eine ganzheitliche Publikumsstrategie auf und abseits der Plattformen entwickeln. Die Antwort darauf ist einfach und komplex zugleich: Wer starke Communities rund um das eigene Angebot aufbauen kann, wird umso unabhängiger von marktdominierenden Plattformen sein. Das haben bereits einige Medienhäuser verstanden und verkaufen unterdessen statt Premiuminhalten neu den Zugang zur exklusiven Community.

Trend 5: Portfolio – neue Produkte, Bundles und Abos


Wer Trend 1 konsequent weiterdenkt, landet bei Trend 5: Nur wer sich in seinem Angebot fokussiert, kann in der Überflutung durch Inhalte das eigene Profil schärfen. Immer mehr Nutzerinnen und Nutzer wünschen sich eine All-in-one-Plattform für den Konsum von Inhalten. Gleichzeitig denken Nutzerinnen und Nutzer vermehrt darüber nach, ihre Medienabos zu reduzieren. Beide Bewegungen werden sich 2023 noch stärker akzentuieren.
 
Die Fokussierung, Bündelung und Neuentwicklung von Angeboten kann allerdings nur dann gelingen, wenn Klarheit über das eigene Portfolio und die Markt- und Nutzungsbedürfnisse besteht. Wer 2023 erfolgreich sein will, sollte so schnell wie möglich seine Hausaufgaben im Portfoliomanagement erledigen.
 
Trend 6: Personalentwicklung – notwendige Antworten auf den Fachkräftemangel
«Great Resignation», «Quiet Quitting» und der Fachkräftemangel prägten 2022 – und werden auch 2023 relevant bleiben. Bis 2030 werden alleine in Deutschland 5 Mio. Arbeitskräfte mehr in Rente gehen als in den Arbeitsmarkt eintreten. Gleichzeitig wird über 4-Tage-Woche, Pensenreduktion und Workation diskutiert. Das macht deutlich: Auf Unternehmen lastet im neuen Jahr ein immenser Veränderungsdruck.
 
Wer wertvolle Mitarbeitende rekrutieren und auch halten will, muss demnach in die Personalentwicklung und Unternehmenskultur investieren. Dazu gehören 2023 vor allem ein Fokus auf die psychologische Sicherheit der Mitarbeitenden und das Schaffen von Arbeitsweisen, die für alle zugänglich sind. Zum Beispiel, indem mehr Autonomie in Prozesse eingebaut wird.

Trend 7: Change-Müdigkeit – Empathie für den ständigen Umbau

Noch effizienter, noch schneller, noch agiler sollen Organisationen werden. Gleichzeitig gibt eine zunehmende Zahl von Arbeitnehmern in Umfragen an, dass sie unter «Change-Müdigkeit» leiden. Waren 2016 noch 74 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bereit, ihr eigenes Arbeitsverhalten zu ändern, um organisatorische Veränderungen zu unterstützen, sank diese Zahl bis 2022 auf 38 Prozent.

Was dagegen tun? Sämtliche Veränderungsprozesse erstmal zu stoppen, scheint kaum eine machbare Lösung zu sein. Vielmehr sollte ein schrittweises und partizipatives Vorgehen gewählt werden. Der Schlüssel zu erfolgreichen Veränderungen liegt darin, gemeinsam die richtige Balance aus transparenten Zielvorgaben und alltagstauglichen Massnahmen basierend auf persönlicher Erfahrung zu finden.

Trend 8: Netto-Null – den Worten Taten folgen lassen

Lautstark wurde in den vergangenen Monaten über die Klimakrise und aktivistische Aktionen debattiert. Im Unterschied zum letzten Jahr sehen mehrere Trendreports 2023 daher als das Jahr der echten und nachhaltigen Innovation. 2023 werden sich Unternehmen deshalb umso stärker darauf konzentrieren müssen, wie sie energieeffizientere Produkte und Dienstleistungen anbieten oder gar die ganzen Produktionsprozesse klimaneutraler gestalten können.

Doch die Herausforderung wird 2023 nicht nur darin bestehen, Produkte emissionsärmer herzustellen und neue Angebote rund um die Klimathematik zu entwickeln, sondern sie auch Nutzerinnen und Nutzern schmackhaft zu machen, die sich bisher kaum für die Thematik interessierten.

 Hier finden Sie sämtliche Quellen und Trendreports im Original. (pd/mj)


*Konrad Weber ist Strategieberater und Coach im Bereich der digitalen Transformation. Er berät Geschäftsleitungen von Grossunternehmen bis hin zu Startups bei der Entwicklung neuer Strategien und begleitet Teams und Organisationen bei tiefgreifenden Veränderungen. Jüngst hat er ein Buch über Trends und deren Auswirkungen auf die Medien- und Kommunikationsbranche veröffentlicht. Seit über 14 Jahren ist er als Brückenbauer zwischen Inhalt und Technologie tätig – vor der Zeit als selbstständiger Berater als Digitalstratege bei Schweizer Radio und Fernsehen SRF mit mehrjähriger Erfahrung in Projektleitung und Strategieentwicklung.



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