06.07.2000

Eclat um Presse GAV 2000

Einige Medienunternehmer haben die Mitgliedschaft beim Verband Schweizer Presse gekündigt. Südostschweiz-Verleger Hanspeter Lebrument sagt warum. Das Interview:

Knapp zwei Monate nach Inkrafttreten des neuen "GAV 2000 für JournalistInnen und das technische Redaktionspersonal" hat eine Reihe von Medienunternehmen die Mitgliedschaft beim Verband Schweizer Presse vorsorglich gekündigt, um sich ab Anfang 2001 nicht mehr an den Branchenvertrag halten zu müssen. Der Presse-GAV war am 1. Mai 2000 nach langem Verhandlungen in Kraft getreten; der Verband Schweizer Presse hatte den Vertrag am 5. April 2000 ratifiziert. Das Interview mit Hanspeter Lebrument, Verleger der Südostschweiz:

Knapp zwei Monate nach Inkrafttreten des neuen "GAV 2000 für JournalistInnen und das technische Redaktionspersonal" hat eine Reihe von Medienunternehmen die Mitgliedschaft beim Verband Schweizer Presse vorsorglich gekündigt, um sich ab Anfang 2001 nicht mehr an den Branchenvertrag halten zu müssen. Der Presse-GAV war am 1. Mai 2000 nach langem Verhandlungen in Kraft getreten; der Verband Schweizer Presse hatte den Vertrag am 5. April 2000 ratifiziert. Das Interview mit Hanspeter Lebrument, Verleger der Südostschweiz:

Herr Lebrument, warum haben Sie Ihre Mitgliedschaft beim Verband Schweizer Presse aufgekündigt?

Dafür gibt es drei Gründe: Zum ersten haben wir gefordert, dass die Löhne in den Betrieben ausgemacht werden sollen – zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer –, und dass wir nicht wieder ein Lohndispositiv mit Berufsjahrlöhnen von den Verbänden bekommen. Eine wesentliche Rolle spielen hier die sogenannten Minimallöhne für Zeitungen in kleineren Gebieten, die meines Erachtens ausserordentlich hoch liegen. So gibt es Minimallöhne, die über 90‘000 Franken sind. Zum zweiten habe ich mich dagegen gewehrt, dass die Druckvorstufe resp. das technische Redaktionspersonal mit in den Gesamtarbeitsvertrag kommt. Zwischen technischem Redaktionspersonal und Journalisten gibt es gravierende tarifliche Unterschiede und auch zwei völlig verschiedene Systeme. Dadurch entsteht eine wesentliche Ausdehnung des GAV. Und zum dritten habe ich mich gegen die Regionalisierung der Löhne gewehrt. Bern, Basel und Zürich haben nun die höchsten, der Rest der Schweiz die zweithöchstem und das Tessin die tiefsten Löhne. Das hatte ich befürchtet und das ist nun bereits Tatsache geworden.

Die Mediengewerkschaft comedia spricht in ihrem Communiqué von den Kündigungen als "unerhörtem Vorgang, der die Sozialpartnerschaft ernsthaft in Frage stelle".

In gewisser Hinsicht verstehe ich die comedia. Es gibt da einen unterschriebenen Vertrag, der über vier Jahre läuft... Ich für mich habe bereits vor Vertragsunterzeichnung gegenüber dem Verband mündlich gesagt, dass ich mich dem Vertrag nicht anschliessen werde und sie sind deswegen sogar nach Chur gekommen. Man hat das also bereits gewusst. In der entscheidenden Ausmarchung bei der Ausserordentlichen Mitgliederversammlung bin ich schliesslich mit 50 zu 51 Stimmen unterlegen.

Wer hat Sie damals gestützt?

Hinter mir sind vorallem die kleinen und mittleren Betriebe gestanden, von denen jetzt viele ebenfalls gekündigt haben.

In Zahlen?

Soviel ich weiss, sind es bis jetzt 21 und es werden sicherlich noch mehr werden. Mich hat es selbst erstaunt, dass derart viele Betriebe aus dem Verband ausgetreten sind. Biel und Basel Land waren ja schon länger nicht mehr mit dabei. Aber nun sind nochmals 21 teils namhafte Zeitungen gefolgt.

Und die Schweizerische Depeschenagentur...

Allein bei der sda hätte das Ganze zusätzliche Personalkosten von rund einer Million Franken bedeutet. Stellen Sie sich das einmal vor: Wenn die sda den Vertrag einhalten würde, hiesse das, dass sich die Tarife für ihre Dienstleitungen für alle Zeitungen um 5 bis 8 Prozent erhöhen würden!

Was genau sind nun Ihre Forderungen?

Nun, wenn man sich nochmals für Nachverhandlungen gemeinsam an einen Tisch setzen würde, wäre ich sicherlich nicht abgeneigt. Vorraussetzung wäre aber, dass alle Partner teilnehmen...


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