07.07.2000

Egon-Erwin-Kisch-Preis des Hamburger Magazins stern für die besten Reportagen verliehen

Preisträger 2000 sind neben Spiegel und Frankfurter Rundschau auch das Folio der Neuen Zürcher Zeitung.

Soeben hat der stern im Gruner+Jahr Pressehaus zum 23. Mal den Egon-Erwin-Kisch-Preis verliehen. Den begehrtesten deutschen Journalistenpreis vergab die Kisch-Jury in diesem Jahr an Renate Flottau (Spiegel), Cornelia Kazis (für das NZZ-Folio) und Ullrich Fichtner (Frankfurter Rundschau). Bereits seit 1977 zeichnet das Magazin jährlich die besten deutschsprachigen Reportagen aus. stern-Chefredakteur Andreas Petzold nannte in seiner Begrüssungsrede den Kisch-Preis "eine ehrenvolle Verpflichtung für den stern, die wir mit Vergnügen erfüllen". Für den stern sei die Reportage "eine Leidenschaft, die beste journalistische Form, um zu bewegen".

Die Balkan-Korrespondentin des Spiegel, Renate Flottau, erhielt den mit 25'000 Mark dotierten ersten Preis für das Kriegstagebuch, das sie während der Nato-Luftangriffe auf Jugoslawien in Pristina und Belgrad führte. "Dieses Tagebuch", hob Jury-Sprecher Hermann Schreiber hervor, sei in einer Zeit "hochgradig manipulierter Informationspolitik der Nato" eine der wenigen authentischen Informationsquellen und "ein wichtiges Korrektiv" gewesen. Die Jury honoriere "nicht nur die unabhängige Meinung der Autorin, die allen Bedrohungen standgehalten hat"; sie halte auch "die eher schlichte Form des Tagebuchs in diesem Fall für das beste Mittel zur Abbildung der Wirklichkeit". Mit dem Preis wolle die Jury auch eine Journalistin ehren, "die eine der wichtigsten Leidenschaften eines Reporters besitzt: dass sie immer sehen will, was sie beschreibt".

Der in Basel lebenden freien Autorin Cornelia Kazis wurde der mit 15'000 Mark dotierte zweite Preis zuerkannt für ihre dokumentarische Reportage "Letzte Tage", die im "Folio" genannten Magazin der Neuen Zürcher Zeitung erschien. Die Autorin schildert darin das Sterben einer krebskranken alten Frau und eines aidskranken jungen Mannes in einem Hospiz für Todkranke. Die Jury war nach Schreibers Worten beeindruckt von der Fähigkeit der Autorin, "Nähe zu erzeugen, Teilnahme und ein Mitgefühl, das auf Pathos verzichten kann". Sie beschreibe den Tod, ohne sentimental zu werden und "ohne jeden Ausrutscher in den Tonfall des Betroffenheitsjournalismus".

Ullrich Fichtner, der heute beim Zeit-Dossier arbeitet, davor Berlin-Korrespondent der Frankfurter Rundschau war, erhielt den dritten Kisch-Preis in Höhe von 10'000 Mark für seine in der FR erschienene Reportage "Die verlorene Ehre des Friedrich B." mit dem Untertitel: "Wie ein Beamter aus den alten Bundesländern in eine Brandenburger Sackgasse getrieben wurde". Dem Autor, so gab Schreiber das Votum der Jury wieder, sei es gelungen, "am Beispiel einer scheinbar skurrilen Geschichte die Psychopathologie des Umgangs der Ossis mit den Wessis - und umgekehrt - deutlich zu machen". Die "sowohl sprachlich als auch dramaturgisch beispielhafte Geschichte" sei gleichzeitig eine Mediengeschichte, aus der man lernen könne, "wie solche Kampagnen entstehen".



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