Ehemalige Mitarbeitende packen aus

NZZ - Nach ihren Abgängen in den Ressorts Inland und Feuilleton äussern sich ehemalige NZZ-Journalisten in einem Bericht kritisch gegenüber der Zeitung. Sie verscherble ihr Tafelsilber, sagt der frühere Inlandchef René Zeller. Brigitte Hürlimann spricht von einer «Säuberungswelle».

«Die Angst geht um an der Falkenstrasse», titelt die «Wochenzeitung» in der aktuellen Ausgabe. In einem zweiseitigen Artikel schreibt das Blatt von einem «radikalen Umbau von oben» bei der NZZ. Rund die Hälfte der Inlandredaktion habe die «Neue Zürcher Zeitung» verlassen, das gleiche gelte für das Feuilleton. Die WOZ hat mit mehreren aktuellen und ehemaligen Mitarbeitenden der Zeitung gesprochen. Vier lassen sich im Artikel zitieren. Den Anfang macht die Gerichtsberichterstatterin Brigitte Hürlimann, die zudem die Personalkommission der NZZ präsidiert. Im September hat sie die Kündigung eingereicht – nach 24 Jahren (persoenlich.com berichtete).

«Was hier passiert, ist eine Säuberungswelle», sagt Hürlimann gegenüber der WOZ. Die einen würden entlassen, den anderen werde das Leben schwer gemacht, bis sie gehen. Den Dritten, vor allem den jungen Frauen, werde gesagt, sie hätten keine langerfristige Perspektive. Ähnlich äussert sich Sieglinde Geisel, die während 26 Jahren für das Feuilleton schrieb. Sie habe plötzlich ein Klima der untergründigen Angst zu spüren bekommen, sagt sie im Bericht. Die Angst korrumpiere einen schon bei der Wahl der Themen. Plötzlich überlege man sich, ob ein Vorschlag «heikel» sein könnte.

Erstmals äussert sich der ehemalige Inlandchef René Zeller kritisch zu seiner langjährigen Arbeitgeberin. «Ich bin in Sorge um die NZZ», sagt er der WOZ. «Wir sollten erdulden, dass uns jemand vor die Nase gesetzt wurde», kommentiert Zeller die versuchte Einsetzung von Markus Somm als Chefredaktor Ende 2014. Nach der Absetzung von Markus Spillmann entschied sich der Verwaltungsrat für den Auslandchef Eric Gujer als Chefredaktor. Auch Zeller hatte sich um die Position beworben. Unter der neuen Rennleitung habe sich der offene Geist verflüchtigt, sagt Zeller heute. Und: «Die Zeitung verscherbelt ihr Tafelsilber.» Mitte 2016 wechselte Zeller zur «Weltwoche» (persoenlich.com berichtete).

Als vierte Person wird Feuilleton-Chef René Scheu zitiert, er hält dagegen: «Von einer Säuberungswelle zu sprechen, ist kompletter Unsinn und unseriös», sagt er zur Kritik. Personalrotationen seien normal, wenn nach so vielen Jahren der Ressortleiter wechsle. Er treffe die Entscheide unabhängig von Anweisungen von oben. (wid)