02.02.2021

Serie zum Coronavirus

«Freies Leben und Arbeiten wird schwieriger»

Ronnie Grob, Chefredaktor des Schweizer Monats, fühlt sich immer mehr eingeengt und kritisiert die Medien. In Folge 154 unserer Serie sagt er ausserdem, welche Auswirkungen die Pandemie auf sein Magazin hat.
Serie zum Coronavirus: «Freies Leben und Arbeiten wird schwieriger»
Ronnie Grob ist seit August 2019 Chefredaktor des Magazins Schweizer Monat. (Bild: Julien Barrat)
von Matthias Ackeret

Herr Grob, erneut ist der Lockdown ausgebrochen. Was heisst das für Sie und Ihre Reaktion?
Ein Lockdown bricht ja nicht aus wie eine Naturkatastrophe. Es sind von der Regierung verhängte Verordnungen, die die Freiheit der Bürger beschränken. Wir sind glücklicherweise in der Lage, mehr oder weniger normal weiterarbeiten zu können. Dass die Behörden den persönlichen Austausch zwischen Menschen zunehmend verunmöglichen, bedaure ich. Die Kommunikation der Leute verschiebt sich so zunehmend zwangsweise ins Internet, wo im Zweifelsfall alles kontrollierbar ist. Welche Gefahr hierbei für die Freiheit droht, haben viele leider noch nicht verstanden.

Sie wohnen ja in unmittelbarer Nähe Ihrer Redaktion, besteht da nicht die Versuchung, ins Geschäft zu gehen?
Natürlich gehe ich hin und wieder hin, es lassen sich ja nicht alle Probleme von zu Hause aus lösen. Ich habe auch nicht vor, Printausgaben künftig unter dem Bett zu lagern, um so Nachbestellungen bedienen zu können.

Wird Homeoffice langfristig bleiben?
Gut möglich, vielleicht werden wir bald wieder alle im Dorf wohnen und, so wie im Mittelalter, einmal im Jahr für Besorgungen in die Stadt fahren; das wäre ja auch sehr umweltfreundlich. Es gibt aber auch noch eine andere Komponente des Homeoffice: Viele Heimarbeiter, auch die Journalisten, unterschätzen womöglich, wie dringend es sie noch braucht in einer globalisierten Welt, in der es dann wirklich auf das Geleistete ankommt und auf den Preis, den man dafür verlangt. In Pakistan, in Brasilien, im Niger und in China warten Hunderte Millionen von klugen, fähigen und fleissigen Talenten darauf, in den Wettbewerb treten zu können mit Leuten, die es gerne etwas gemütlich nehmen im Schweizer Homeoffice und womöglich weder herausragende Fähigkeiten haben noch herausragende Leistungen bringen, sondern einfach recht viel kosten. Das besorgt mich auch ganz persönlich.

«Prosperiert die Wirtschaft, so prosperiert auch der Mensch»

Ist dieser Lockdown notwendig?
Nein, Lockdowns sind hilflose Zwangsmassnahmen von Regierungen, die in der Bilanz mehr Schaden als Nutzen anrichten: Wirtschaftskrisen, Schuldenexplosion, Inflation, der Vertrauensverlust in die Institutionen des demokratischen Rechtsstaats – das dicke Ende der Krise kommt ja erst noch. Der Mensch und die wirtschaftlichen Leistungen, die er hervorbringt, benötigen Freiheit, um sich entfalten zu können. Prosperiert die Wirtschaft, so prosperiert auch der Mensch. Ohne gedeihende Wirtschaft sieht es dann auch bei uns bald so aus wie damals in der DDR. Ganz ehrlich: Mir bereitet die Aussicht auf die nächsten Jahre grosse Sorgen.

Sie beschäftigen sich in Ihrem Magazin immer wieder mit Zukunftsthemen. Wird Corona unsere Gesellschaft verändern?
Die getroffenen Massnahmen werden unsere Gesellschaft grundlegend verändern und in eine Krise führen, die Entwicklungen, die sich in den letzten Jahrzehnten angebahnt haben, zu einem Höhepunkt bringen werden. Der Schweizer Monat beschäftigt sich genau damit. Die neusten drei Ausgaben drehen sich um die Staatsgeldalternative Bitcoin, um die Kritik an staatlicher Überwachung und um die Krise von Autoritäten und Institutionen. Alle drei Themen sind direkte Auswirkungen der von Zentralbanken und Regierungen getroffenen Massnahmen. Ich denke, dass alle drei Themenbereiche in den nächsten Monaten wichtiger werden. Nehmen wir das Thema Bitcoin: Meines Wissens gibt es kein anderes Schweizer Medium, das das Thema – mit je einem ausführlichen Dossier im Juni 2018 und im November 2019 – bereits so umfassend und tiefgreifend abgehandelt hat.

Wie spüren Sie beim Schweizer Monat die Auswirkungen dieser Pandemie?
Gesundheitlich gar nicht, der Redaktion geht es bestens. Davon abgesehen bemerken wir einen Anstieg der Aufmerksamkeit und auch der Abos. Zu Hause eingesperrt und von Kulturveranstaltungen ausgeschlossen haben die Leute wieder mehr Zeit, um zu lesen. Und sie nehmen wieder Geld in die Hand, um sich fundiert zu informieren. Wir haben die Zeit genutzt, um neue Projekte vorzubereiten, die in den kommenden Wochen und Monaten für unsere Abonnenten online gestellt werden. Und natürlich auch, um unsere Jubiläumsausgabe im April vorzubereiten – wir feiern ja dann unseren 100. Geburtstag! Meines Wissens sind wir das älteste, durchgehend erscheinende Monatsmagazin der Schweiz.

«Der Unternehmer aus der Eventbranche oder die Gastwirtin verfolgen die Ereignisse hilflos»

Was war für Sie das prägendste Erlebnis der letzten Wochen?
Dass das von Alain Berset geleitete Bundesamt für Gesundheit unter willfähriger Hilfe der Redaktionen der Grossverlage Tamedia und Ringier eine Art mediale Vernehmlassung einführen konnte, um auszuloten, welche Massnahmen auf den geringsten Widerstand stossen. Staatsangestellte, Journalisten und Parlamentarier diskutieren so zunehmend unter sich, wie es weitergeht. Der Unternehmer aus der Eventbranche oder die Gastwirtin verfolgen die Ereignisse hilflos. Sie sehen sich gezwungen, ihre Ersparnisse aufzubrauchen oder aber ihr Lebenswerk per sofort zu Grabe tragen. Immer neue, teilweise widersprüchliche Massnahmen vergällen jedem unternehmerisch handelnden Menschen das Wirtschaften. Freies Leben, freies Arbeiten wird dem Einzelnen zunehmend verunmöglicht.

Wie sehen Sie als ehemaliger Medienkritiker den Umgang der Medien mit Covid-19?
Wie einige Medien und Journalisten mit der Kritik an der Regierung umgehen, gerade in Deutschland, aber auch in der Schweiz, ist besorgniserregend. Kritiker an den Regierungsmassnahmen, also klassische Regierungskritiker, werden abgekanzelt als «Coronaleugner» oder «Verschwörungstheoretiker» – und das auch, wenn sie völlig vernünftig argumentieren. Mir kommt es manchmal vor wie ein Rückschritt in Zeiten vor der Aufklärung, als eine royalistische Presse den König und sein Umfeld mit aller Härte gegen die Bürger und die oppositionellen Journalisten im Land verteidigt hat. Wie einseitig die veröffentlichte Meinung zum Teil ist, erschreckt mich täglich neu, und es ist zu befürchten, dass es mit der staatlichen Medienförderung noch sehr viel schlimmer wird. Von den grossen Medien pflegt nicht eines einen konsequent regierungskritischen Kurs. Da muss man sich nicht wundern, wenn die Leser sich nach Alternativen umsehen. Der Schweizer Monat ist eine.

 



Was bedeutet die Corona-Pandemie für die verschiedenen Akteure der Schweizer Medien- und Kommunikationsbranche? Bis auf Weiteres wird persoenlich.com regelmässig eine betroffene Person zu Wort kommen lassen. Die ganze Serie finden Sie hier.


 



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Kommentare

  • Victor Brunner, 04.02.2021 12:28 Uhr
    Auch während Corona ist vieles möglich, es braucht nur mehr eigene Kreativität und weniger jammern. Ronnie Grob: "Kritiker an den Regierungsmassnahmen, also klassische Regierungskritiker, werden abgekanzelt als «Coronaleugner»...". Solche Aussagen machen Wutbürger. In Schweizer Medien wird heftig kritisiert ohne dass "abgekanzelt" wird! Wie Grob zu einer solchen Aussage kommt bleibt sein Geheimnis!
  • Daniel Sidler, 03.02.2021 14:38 Uhr
    Eine sehr spezielle Einschätzung, die weder Mut macht noch Alternativen vorschlägt, sondern an- und wehklagt und den Leser ratlos zurücklässt. Schade für die vielen Worte.
  • Jost Wirz, 03.02.2021 13:11 Uhr
    Lieber Herr Grob: Was schlagen Sie vor? Was ist Ihr Rezept, um der Pandemie zu begegnen? Oder sehen Sie gar keinen Anlass, etwas zu unternehmen?
  • Oliver Brunner, 03.02.2021 11:42 Uhr
    Einen Dank an Herrn Grob, dass er eine Insel ist im Strom der Regierungserklärungs-Abschreiber und Panikorchester-Dirigenten (v.a. Tagesanzeiger).
  • Seline Heller, 02.02.2021 22:41 Uhr
    Uau! Ein einsamer Wolf auf weiter Flur! Endlich ein Journalist der es wagt sich gegen den Mainstream zu stellen. Sie beweisen Rückgrat und Mut! Menschen und vor allem Journalisten wie Sie sollte es mehr geben. Wie auch der Chefredaktor der "Ostschweiz". Sehr seltene Perlen! Danke!
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