28.02.2001

Grenzen der journalistischen Unabhängigkeit

Presserat rügt Chefredaktor von Bilan.

Die "Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten" bezieht sich in erster Linie auf die Recherche und Veröffentlichung von Informationen zu Handen des Publikums. Deshalb auferlegt sich der Presserat bei der Beurteilung von redaktionsinternen Vorgängen eine gewisse Zurückhaltung und nimmt nur dann Stellung, wenn diese zumindest indirekt zu einer Verletzung der berufsethischen Regeln führen.Der Erwerb einer Uhr im Wert von über 1000 Franken durch einen Medienschaffenden zum wesentlich tieferen Fabrikpreis verstösst gegen die journalistische Berufsethik. Journalistinnen und Journalisten dürfen durch öffentliche Auftritte das Image ihres Mediums fördern. Es ist ihnen aber untersagt, sich für die Promotion von Produkten und Dienstleistungen Dritter einspannen zu lassen. Macht ein Unternehmen vom Mittel des Inserateboykotts Gebrauch, ist darüber durch die Branche und die Berufsorganisationen umgehend Öffentlichkeit herzustellen. Zu diesen Schlüssen ist der Schweizer Presserat in einer am Mittwoch veröffentlichten Stellungnahme zum Fall "Bilan" gelangt.

Im August 2000 gelangten der Schweizer Verband der Journalistinnen und Journalisten und dessen Sektion "Syndicat Lémanique des journalistes" an den Presserat und machten in einer umfangreichen Beschwerde geltend, der Chefredaktor von Bilan, Alain Jeannet, habe die "Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten" mehrfach verletzt. Alain Jeannet wies die Beschwerde als vollumfänglich unbegründet zurück ("persoenlich.com" berichtete).

Der Presserat weist in seinen Erwägungen darauf hin, dass sich die "Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten" in erster Linie auf die Recherche und Veröffentlichung von Informationen bezieht, weshalb sich der Presserat bei der Beurteilung von zu Vorgängen innerhalb einer Redaktion eine gewisse Zurückhaltung auferlegt, und nur dann Stellung nimmt, wenn redaktionsinterne Vorgänge zumindest indirekt zu einer Verletzung der berufsethischen Regeln führen. In zwei von den Beschwerdeführern zur Beurteilung vorgelegten Fällen von redaktionsinternen Interventionen des Chefredaktors sei eine solche Verletzung der "Erklärung" zu verneinen.

Mit dem Erwerb einer Uhr im Wert von über 1000 Franken zum 70 Prozent darunter liegenden Fabrikpreis wurde für den Presserat hingegen das "übliche Mass" überschritten, dass hinsichtlich der Annahme von Geschenken durch Journalistinnen und Journalisten noch tolerierbar wäre. Berufsethisch ebensowenig zulässig war weiter ein Auftritt des Chefredaktors von Bilan in einem Jahresbericht einer Westschweizer Firma.

Inserateboykott


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