16.05.2000

Ist Tom Kummer der Münchhausen des People-Journalismus?

Der Schweizer Journalist soll der Süddeutschen Zeitung gefälschte Interviews mit Hollywood-Stars angedreht haben. Das behauptet wenigstens FOCUS.

"Frei erfunden", "nie geführt" titelt FOCUS.

Eines der letzten Interviews, das Tom Kummer vor knapp einem Jahr mit dem Hollywood-Jungtalent Charlize Theron für das Magazin vom Tages-Anzeiger führte, trug den Namen "Etikettenschwindel". Ein symbolhafter Name, wenn man weiss, dass sich Chefredaktor Roger Köppel kurz darauf von dem freien Journalisten wegen des Verdachts auf gefälschte Interviews trennte.

Nun sorgt der Schweizer Hollywoodstar-Interviewer auch bei unseren deutschen Nachbarn für Aufregung. So wirft das aktuelle FOCUS den Kollegen von der Süddeutschen Zeitung vor, dass die Interviews von Tom Kummer, die im SZ-Magazin veröffentlicht wurden, ebenfalls "frei erfunden" seien. Die Süddeutsche Zeitung ihrerseits kontert empört, dass man "nie erfundene Interviews wissentlich abgedruckt" habe. Mit Betonung auf "wissentlich", denn wissentlich hat wohl keine Redaktion gefakte Interviews von Kummer veröffentlicht. Weder die Redaktion des Tagi-Magazins, noch die der Frauenzeitschrift Annabelle. Und auch nicht die von Facts.

FOCUS untermauert seine Vorwürfe mit Hard Facts: Interviews von Kummer, die im SZ-Magazin veröffentlicht wurden, seien "frei erfunden" oder "nie geführt" worden, zitiert das Blatt die Agenten von Brad Pitt, Sharon Stone und Kim Basinger. Und vergleicht den Fälscherverdacht gar mit den Hitler-Tagebüchern des Stern und den TV-Erfindungen des Michael Born. Zwar habe das SZ-Magazin die Zusammenarbeit mit Tom Kummer im April 1999 eingestellt, doch die redaktionellen Zweifel an seiner "Promi-Prosa" nie dem Leser mitgeteilt.

Insgesamt 19 Exklusiv-Interviews mit US-Stars hat Kummer dem SZ-Magazin verkauft; wieviele der meist gross aufgemachten und oft auch als Titelgeschichte präsentierten Interviews gefakt waren, ist noch offen. Wie Chefredaktor Christian Kämmerling am Montag bestätigte, hatte die Redaktion bereits anfangs 1999 den Verdacht geschöpft, dass "hier etwas faul sei". Unterdessen habe man Kummer zu einer Stellungnahme aufgefordert. Wenn sich die Vorwürfe bestätigten, "sieht sich das SZ-Magazin betrogen und wird alle notwendigen juristischen Schritte unverzüglich... einleiten".



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