16.11.2000

Keine Bundesgelder für romanische Zeitung La Quotidiana

Bundesamt für Kultur verteidigt Beschluss.

Christoph Reichenau, der stellvertretende Direktor des Bundesamtes für Kultur (BAK), hat die Weigerung des BAK, der "Lia Rumantscha" Geldmittel für die romanische Tageszeitung La Quotidiana zur Verfügung zu stellen, am Mittwoch verteidigt. Vorausgegangen war die Ankündigung der Tageszeitung La Quotidiana, per Ende Januar nächsten Jahres ihre Engadiner Redaktion zu entlassen. Die Entlassungen war die Reaktion des Churer Südostschweiz-Verlegers Hanspeter Lebrument auf ein vom Bund abgelehntes Projekt zur Verbreitung der Zeitung im Engadin. Das Bundesamt für Kultur hatte das Projekt der "Lia Rumantscha", der Dachorganisation der romanischen Sprachverbände, als verfassungswidrig eingestuft. Die "Lia Rumantscha" wollte dafür 50'000 Franken aus Subventionen ausgeben. Der Südostschweiz-Verlag hätte 200'000 Franken gezahlt. "persoenlich.com" bringt die gesamte Stellungnahme:

"Der Entscheid der Südostschweiz Mediengruppe, Verlag der Rätoromanischen Tageszeitung La Quotidiana (LQ), die gesamte Engadiner Redaktion auf Ende Januar 2001 zu entlassen, hat die Frage nach der Zukunft der rätoromanischen Printmedien neu aufgeworfen. Der Entscheid steht im Zusammenhang mit einer Aufforderung des BAK an die Lia Rumantscha, keine Mittel ausschliesslich für eine stärkere Verbreitung von LQ einzusetzen, da eine solche Massnahme als direkte Presseförderung zu qualifizieren und daher nicht verfassungskonform ist. Mit der folgenden Stellungnahme gehen wir auf zahlreiche Artikel und Kommentare zu dieser Frage in den Zeitungen der Südostschweiz Mediengruppe ein:

Die Erhaltung und Förderung der rätoromanischen Presse ist eine bedeutende sprachpolitische Massnahme. Bei der Umsetzung der sprachpolitischen Bestimmungen der Bundesverfassung (Art. 4 und 70 BV) hat der Bund die für die rätoromanische Presseförderung notwendigen gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen und die Mittel dafür bereit gestellt. Im Wissen um die tiefgreifenden Veränderungen in der rätoromanischen Presselandschaft (1996/1997) und in enger Zusammenarbeit mit dem Kanton Graubünden sowie mit allen Beteiligten wurden die bestmöglichen Voraussetzungen für eine wirksame Unterstützung der rätoromanischen Presse geschaffen. Der Bund erfüllt seine Aufgabe zur Spracherhaltung und zur Sprachförderung auch im Rahmen der allgemeinen verfassungsrechtlichen Bestimmungen. Dazu gehört das Verbot, bestimme Angebote zu bevorzugen. Dies würde einzelnen Presseerzeugnissen ungerechtfertigte Vorteile verschaffen und letztlich der Vielfalt zuwiderlaufen.

Aufgrund der neuen Rechtslage wurde im Juni 1996 die Agentura da Novitads Rumantscha (ANR) gegründet. Neben der Privatinitiative des Verlegers, dem dafür Dank und Anerkennung gebührt, war dies eine wichtige Voraussetzung für die Herausgabe einer rätoromanischen Tageszeitung, der LQ. Bund und Kanton Graubünden unterstützen seither die ANR mit rund einer Mio. Franken jährlich. Die Leistungen der ANR werden den rätoromanischen Medien gratis angeboten. Die LQ, ein Desiderat zahlreicher Rätoromaninnen und Rätoromanen, wurde auch beim Bund stets als Bereicherung der rätoromanischen Medienlandschaft gewertet, zumal sie als erste Tageszeitung die gesamte rätoromanische Sprachenvielfalt und Sprachlandschaft berücksichtigt.

LQ ist ein Angebot, das von der rätoromanischen Bevölkerung angenommen oder abgelehnt werden kann, darüber entscheidet die Logik des Marktes sowie die Bedeutung des geschriebenen Wortes. Eine Sprache braucht primär die Unterstützung durch jene Menschen, die sie sprechen und denen sie etwas bedeutet. Ferner liegt die Verantwortung auch bei den Verlegern, denen die redaktionelle Verantwortung für die quantitative und qualitative Informationsvermittlung zufällt. Verantwortung liegt auch beim Bund und beim Kanton Graubünden, deren Leistung zur Förderung der rätoromanischen Medien in deren Grundversorgung (ANR) mit Informationen und aufbereitetem Stoff besteht. Und es ist letztlich auch Aufgabe der Sprachorganisationen, die öffentliche Aufgaben erfüllen, sich im Rahmen des rechtlichen Spielraumes für ein genügendes Presseangebot zu engagieren.

Tatsache ist, dass seit der Gründung von LQ (1996) die Zahl der Abonnenten der heute in LQ inte-grierten sprachregionalen Zeitungen (Fögl Ladin, Gasetta Romontscha und Casa Paterna/La Pùnt) um rund die Hälfte gesunken ist. Weshalb? Der Entschluss des LQ-Verlegers, als Folge der mangelnden Akzeptanz von LQ im Engadin, die gesamte Engadiner Redaktion zu entlassen, lässt darauf schliessen, dass er das Projekt Tageszeitung möglicherweise bereits als gescheitert betrachten könnte. Sollte dies zutreffen, was aus der Sicht des BAK sehr zu bedauern wäre, ist eine gründliche Analyse der Situation mit allen Beteiligten erforderlich, um die rätoromanische Presse in einer anderen Form zu erhalten.


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