13.12.2000

"Keine Sparübung, sondern ein Platzproblem"

Mit einer rabenschwarzen Karikatur auf der Front des eigenen Bundes erschien am Mittwoch die letzte Ausgabe von Ernst, der Jugendbeilage des Tages-Anzeigers. "persoenlich.com" wollte von Chefredaktor Philipp Löpfe (Bild) wissen, was ihn zur Einstellung bewegt hat und ob heute nur noch der Kommerz regiert. Das Interview:
"Keine Sparübung, sondern ein Platzproblem"

"Ausgelesen" titelte Ernst in seiner letzten Ausgabe. Weshalb allen Ernstes das Ende?

Ich möchte betonen, dass Ernst kein Produkteproblem war. Es gab muntere Texte, und die Beilage war sehr gut produziert. Nur möchten die Jungen von heute als Erwachsene angesprochen werden. Bis jetzt haben wir denn auch erst rund ein halbes Dutzend Leserbriefe erhalten, in denen sich Leute über das Ende von Ernst beklagen. 50 Prozent der Absender war über 60-jährig. Das ist symptomatisch, denn die Jungen wollen keinen Jugend-Teil.

Wieviel Geld spart der Tages-Anzeiger mit der Einstellung ein?

Der Entschluss hat nichts mit einer Sparübung zu tun. Im Gegenteil: Dass wir ab 2001 den sechsten Bund das ganze Jahr über produzieren, bringt mehr Investitionen mit sich. In den letzten zwei bis drei Jahren produzierten wir ohnehin jährlich fast 2000 zusätzliche redaktionelle Seiten. So gesehen haben wir viel eher ein Platzproblem. Nun geht es genau auf: Die bis anhin tägliche Medien-Seite erscheint neu im Wochenbund, und an ihrer Stelle publizieren wir jeden Tag eine Service-Seite mit Ausgeh-Tipps und anderem.

Trotzdem sparen Sie mit dem Wegfall von Ernst Geld ein. Wieviel?

Das sind interne Zahlen, die ich lieber nicht veröffentlichen möchte.

Fördern Sie dadurch nicht, dass die Jungen verstärkt von Tages- auf Pendlerzeitungen wechseln?

Nein, das hat damit nichts zu tun. Die Jungen lesen Pendlerzeitungen, weil diese gratis sind. Und die "Helleren" konsumieren nach wie vor beide Print-Produkte. Unsere neue tägliche Service-Seite bewirkt, dass gerade auch die erwähnte Altersgruppe wieder vermehrt den Tages-Anzeiger liest.

Sie lassen Ernst auf dem Internet weiterleben. Die Homepage des Tages-Anzeigers ist aber seit Monaten überlastet.

Unser News Channel ist sehr erfolgreich, und wir hatten bei den US- und Bundesrats-Wahlen bis zu 600‘000 so genannte Page-Views. Vor einem Jahr lagen diese noch bei 90‘000. Für die technische Infrastruktur ist es relativ komplex, diese zusätzliche Nachfrage sofort zu befriedigen. Neben dem News Channel gibt es ausserdem den Community-Bereich, der rund um den Züri-Tipp aufgebaut und interaktiver ist. Einer der beiden Ernst-Redaktoren stösst übrigens zu unserem Online-Team – wiederum zum Vorteil der Zielgruppe. Wie wichtig ist heute ein lukratives Werbeumfeld wie beim Savoir-vivre? Dass wir ein Umfeld schaffen, um Inserate zu platzieren, ist eine falsche Überlegung. Sicher gibt es sehr viele Inserenten, die es schätzen, dass wir solche Themen wie in Savoir-vivre anbieten. Aber die Inserenten wollen nicht direkt bei den Beilagen erscheinen

Pfiff ab Januar in Zürichsee-Zeitung



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