Kritiker «vernebeln die Verhältnisse»

Fall Spiess-Hegglin - NZZ-Medienjournalist Rainer Stadler kommentiert das Gerichtsurteil von letzter Woche – und kritisiert den «Blick».

Nach dem Urteil im Fall Jolanda Spiess-Hegglin gegen den «Blick» nimmt NZZ-Medienjournalist Rainer Stadler das Thema in seiner Kolumne «Media in Ras» auf. Journalisten, welche das Urteil des Zuger Kantonsgerichts gegen den «Blick» als Verletzung der Medienfreiheit interpretieren, würden die Verhältnisse vernebeln, schreibt er darin.

Die Medien sollten selbstkritisch zurückblicken auf die Zuger Landammann-Feier, die vor viereinhalb Jahren zu einem Sexskandal hochstilisiert wurde. Die Berichterstattung sei damals schnell ausser Kontrolle geraten.

Das Zuger Kantonsgericht habe mit seinem Urteil etwas Klarheit geschaffen und an Grundsätze erinnert, wie sie auch im Verhaltenskodex für Journalisten festgehalten seien. Der «Blick», so schreibt Stadler, habe diese Schutzregel missachtet, und das zu einem Zeitpunkt, als kaum zu erkennen war, was zwischen den beiden Kantonspolitikern am Rande der Feier vorgefallen war. In diesem Sinn habe das Blatt die Persönlichkeitsrechte von Jolanda Spiess-Hegglin verletzt.

Das Argument der Kritiker, die Klägerin Jolanda Spiess-Hegglin könne sich nicht mehr auf den Persönlichkeitsschutz berufen, da sie sich selber an die Öffentlichkeit gewandt habe, lässt Stadler nicht gelten. «Dieses Argument verdreht die Verhältnisse. Wenn jemand unfreiwillig ins Scheinwerferlicht gezerrt wird und er deswegen selber in der Öffentlichkeit aktiv wird, legitimiert er damit keineswegs das Outing. Er hat die Persönlichkeitsverletzung nicht mitverursacht; er reagiert nur darauf», schreibt er.

Öffentliches Interesse und Persönlichkeitsschutz seien zwei fundamentale Werte einer freiheitlichen Gesellschaft. Im Einzelfall sei es zuweilen heikel abzuwägen, welchem Aspekt man mehr Gewicht geben soll. Im Fall des «Blicks» sei es aber offensichtlich mehr ums geschäftliche als ums öffentliche Interesse gegangen. (wid)