25.01.2001

"Lieber eine Canard à l’orange als eine Zeitungsente"

Seit zehn Tagen ist Hannes Britschgi (Bild), langjähriger Leiter der renommierten TV-Sendung "Rundschau", Chefredaktor von Facts. In welche Richtung wird sich das Schweizer Nachrichtenmagazin unter seiner Handschrift positionieren? Welche Neuerungen sind zu erwarten? "persoenlich.com" hat sich mit dem Innerschweizer kurz vor seinem Besuch am Weltwirtschaftsforum in Davos unterhalten.
"Lieber eine Canard à l’orange als eine Zeitungsente"

Wie stolz sind Sie darauf, dass Sie bereits die erste Zeitungsente produziert haben, in dem Facts Frank Bodin als Werber des Jahres vorstellte?

Dazu bin ich wie die Jungfrau zum Kind gekommen. Mit der Ausgabe von letzter Woche hatte ich herzlich wenig zu tun. Natürlich fand ich am Antrittsgeschenk der Redaktion keinen besonderen Gefallen. Ich hätte lieber eine "Canard à l’orange" statt einer Zeitungsente.

Sie gehören jetzt zur Zunft der Schreibenden. Was vermissen Sie in diesen Tagen vom Fernsehen am meisten?

Ich hatte noch keine Sekunde Zeit, an das Fernsehen zu denken. In diesen Tagen möchten alle ihre Sorgen abladen, und es gibt eine Unmenge von Arbeiten zu erledigen. Trotzdem bin ich elektrisiert von der interessanten Aufgabe.

Welcher Primeur von Facts hat Sie während Ihrer "Rundschau"-Zeit am meisten überrascht?

(schmunzelt) Da fällt mir nicht so schnell etwas ein. Bei jenen Inhalten, die wir für die "Rundschau" übernommen haben, war Facts nicht unbedingt das Leitmedium.

Greifen Sie nun auch selbst in die Tasten? Ist das neueste Editorial auch tatsächlich von Ihnen geschrieben?

Aber sicher, von wem denn sonst? Ja, es wird hie und da vorkommen, dass auch ich schreiben werde. Allerdings ist das nicht primär meine Aufgabe. Viel wichtiger ist das Coaching: Es geht darum, dass das Team motiviert arbeiten kann. Wir sind zwischen 40 bis 50 Journalisten und insgesamt 80 Angestellte – Produktion, Grafik und Bild inklusive.

Führen Sie eine Rubrik "Heisser Stuhl" oder ähnliches ein – analog zu Ihren bekannten Befragungen am TV?

Das ist so nicht vorgesehen. Sicher werde ich auch Interviews einbringen. Die Redaktion hat gewünscht, dass sie von dieser Erfahrung profitieren kann.

Die "Rundschau" ist eine gut gemachte Sendung mit einem hohen journalistischen Niveau. Jetzt arbeiten Sie bei einem Unternehmen, das "Big Brother" und andere Unterhaltungssendungen ausstrahlt. Haben Sie damit kein Problem?

Nein, überhaupt nicht. Ich sehe darin nichts Böses oder Abwertendes, dass TV3 im Fernsehduell mit einem provozierenden Format erscheint. Das ist eine gute und zwingende Strategie, die ich sehr überzeugend finde. TV3 nützte die Chance und hat sich auf den Unterhaltungsbereich gestürzt, der von den Konkurrenten noch nicht genügend abgedeckt ist.

Die NZZ zitierte Facts – zumindest eine Zeit lang – als "Unterhaltungsmagazin". Was halten Sie dieser Bezeichnung entgegen?

Das Schweizer Nachrichtenmagazin. Wenn die NZZ diese Formulierung benützt, ist es Ausdruck dafür, dass sie sich an unserer Konkurrenz nicht freut. Damit wollen sie Facts schlecht machen. Nur täte die Tageszeitung gut daran, den Mund nicht so voll zu nehmen, denn der NZZ-Journalismus mit seinen eigenen Fehlleistungen hat keinen Grund, uns so zu bezeichnen.

Einige Facts-Titelgeschichten waren doch sehr an den Haaren herbeigezogen. Welche Art von Frontstories schwebt Ihnen vor?

Jene, die beispielsweise gerade jetzt läuft. Da geht es um einen Schweizer Handballspieler der Nationalliga A und um Sportfunktionäre, die Drogenpolitik machen. Damit haben wir eine reale Person, die sich ungerecht behandelt fühlt. Harte, gute und reale Geschichten sollen auf den Titel.

Ist ein kiffender Handballer wichtiger als Bruggissers Rücktritt?

Wir hatten am Dienstagabend Redaktionssitzung und blitzartig mit einem Hinweis auf der Front auf die Swissair reagiert. Ich bin stolz auf diese Leistung. Doch mit dem Handballer veröffentlichen wir einen Primeur, der auch belegt, was aus dem Labor resultiert. Sport und Drogenkonsum sind äusserst spannend.


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