«Man fragte, ob ich einen Film für Fox-News drehe»

Serie zum Coronavirus - Seit drei Monaten arbeitet Reto Brennwald an einem Film über Covid-19 – auf eigene Kosten. In der Serie zum Coronavirus spricht der TV-Journalist über seine Motivation, fehlende kritische Fragen und sogenannte «Coronaleugner».

von Matthias Ackeret

Herr Brennwald, Sie haben einen Film über die Coronazeit gemacht. Was ist Ihre Motivation?
Ich hatte durch Corona plötzlich viel Zeit und habe mich intensiv damit befasst. Am Anfang hatte ich grossen Respekt vor der Pandemie, aber je länger je mehr irritierte mich die einseitige Berichterstattung und die wenig durchschaubaren Zahlen. Ich war auch erstaunt, dass sehr oft dieselben Experten interviewt wurden. Und als dann zum Beispiel Professor Pietro Vernazza eine etwas andere Sichtweise einbrachte, wunderte ich mich, wie scharf er angegriffen wurde. Er war schon vor seinem grossen Interview in der Sonntagszeitung in meiner Sendung und ich bekam viele Reaktionen von Zuschauern, die dankbar dafür waren. Dass kritische Stimmen plötzlich diffamiert wurden, betraf mich auch selber, obwohl ich in meinen Kommentaren immer versuchte, sachlich zu sein.

Was meinen Sie?
Der Tenor war: Im Nachhinein ist es immer einfach, zu kritisieren. Ein ehemaliger SRF-Kollege, der nicht realisierte, dass ich selbständig bin, schrieb, es sei billig, mit staatlich gesichertem Einkommen zu lästern. Man fragte, ob ich einen Film für Fox-News drehe, ja man sprach mir schlicht die journalistische Kompetenz ab.

«Ich arbeite jetzt seit drei Monaten daran und habe keinen Verdienst, nur Ausgaben»

Was gab den Ausschlag für dieses Projekt?
Ich suchte einen Weg, die Fragen, die alle bewegen, zu thematisieren. In meiner Sendung, Basler-Zeitung Standpunkte auf SRF 1, konnte ich das nicht genug vertiefen. Und es war erstaunlich, wieviel Zuspruch ich bekam und noch immer bekomme, wenn ich vom Projekt erzähle. Es scheint ein riesiges Bedürfnis zu sein, nebst all den düsteren Nachrichten auch einmal zu fragen, sind die Massnahmen eigentlich sinnvoll, war der Lockdown verhältnismässig und was hat er verursacht?

Wer ist Ihr Auftraggeber?
Niemand. Ich habe mich einfach entschieden, anzufangen, Menschen zu interviewen, Experten zu befragen, Hausärzte, Unternehmer, Demonstranten. Ich musste das einfach machen, ohne dass ich wusste, wohin dieser Film führen wird und wo ich ihn dereinst zeigen werde. Es ist ein Abenteuer, denn ich arbeite jetzt seit drei Monaten daran und habe keinen Verdienst, nur Ausgaben. Allerdings sehe ich so viel Support, dass ich zumindest hoffe, auch einen Weg zur Finanzierung zu finden, vielleicht mit einem Crowdfunding.

Bereits anfangs Februar hatten Sie das Coronavirus als gefährlich eingeschätzt. Warum waren Sie dieser Ansicht?
Ich bin ja selbständig und verlor eine ganze Menge Aufträge. Ich dachte, da kannst du ja mal deine Aktivitäten auf den sozialen Medien professionalisieren. Ich begann viel zu lesen und das eine oder andere Interview auf Facebook zu veröffentlichen, Kommentare zu posten. Schon anfangs März schrieb ich, dass ich keine Hände mehr schüttle und wir noch Dinge erleben würden, die wir uns nicht vorstellen könnten.

«Ich war erstaunt, wie, vor allem am Anfang, wenig kritische Fragen gestellt wurden»

Hat sich Ihre Wahrnehmung in der Zwischenzeit geändert?
Ja. Denn schon bald nach dem Lockdown konnte man ja sehen, dass die Spitäler nicht an ihre Grenzen kamen und der R-Wert, die Reproduktionsrate, deutlich am sinken war. Ich fragte mich, ob das noch verhältnismässig war. Es wurde kaum davon gesprochen, welcher Schaden ein Lockdown anrichtet, nicht nur finanziell, auch sozial, gesundheitlich. Jeden Tag konnten Patienten nicht behandelt werden, wurden Menschen entlassen, häuften sich die Schulden.

Sie haben während der letzten Monate die Medien sehr genau verfolgt. Wie fanden Sie die Berichterstattung?
Ich weiss, unter welchem Druck Redaktionen stehen, deswegen liegt es mir fern, an einzelnen Medien Kritik zu üben. Aber von aussen war ich doch erstaunt, wie, vor allem am Anfang, wenig kritische Fragen gestellt wurden. Und wer das tat, war ein «Coronaleugner» oder ein Verschwörungstheoretiker. Das hat mich interessiert und ich  bin dann einfach hin und habe mich mit diesen Leuten unterhalten.

Und, wie ticken diese?
Das ist ja eben der Witz an der Sache. Das kann man nicht generalisieren. Das ist ja keine Partei, das sind Menschen, vom Professor über den ehemaligen Banker bis zur kroatischen Pflegerin, die einen sind bürgerlich, die anderen grün, aber alle, und das ist doch relevant, machen sich eigene Gedanken. Natürlich hat es an den Demos einige Spinner, aber wer bin ich, das zu kritisieren?

«Im Film kommen unterschiedliche Stimmen zu Wort und am Schluss soll sich der Zuschauer eine eigene Meinung bilden»

Wie hat der Bundesrat während der Krise agiert?
Es liegt nicht an mir, das zu beurteilen. Im Film kommen sehr unterschiedliche Stimmen zu Wort und am Schluss soll sich der Zuschauer eine eigene Meinung bilden. Interessant war für mich Bundesrat Ueli Maurer, der sagte, es sei ihm nicht mehr wohl in seiner Haut.

Nach einer anfänglichen Erleichterung hat man das Gefühl, dass die Stimmung wieder gekehrt hat. Kommt es zu einer zweiten Welle?
Diese Frage ist eine der Herausforderungen, wenn man einen aktuellen Film dreht. Die Lage ändert sich schnell. Ich bin ja kein Virologe. Aber das ist das Thema: es werden jetzt sehr viele Tests gemacht, also ist es logisch, dass die Zahlen wieder steigen. Und ich verstehe, dass man sich über Clubbesucher aufregt. Entscheidend sind aber nicht die positiven Tests, sondern die Kranken. Das sind noch immer wenige und ich glaube, wir sind fähig uns verantwortungsvoll zu verhalten und wer ein Risiko hat, weiss das selber am besten.

Wie weit sind Sie mit dem Projekt?
Die Dreharbeiten sind praktisch abgeschlossen, jetzt sind wir im Schnitt.

Wann und wo sieht man Ihren Film?
Das weiss ich noch nicht. Wenn er fertiggestellt wird, werde ich einen Sender suchen und dies auch publik machen. Er könnte beispielsweise auch bei einem Screendienst oder auch im Kino vorgeführt werden. 

Was war für Sie prägendste Erlebnis der letzten Zeit?
Die Maskenpflicht im ÖV. Noch vor ein paar Wochen trugen nur 5 Prozent eine Maske, jetzt, wo es Pflicht ist, sind es 95 Prozent.

Wohin waren Sie in den Ferien?
Ich war mit der Familie ein paar Tage am Festival da Jazz im Engadin, ansonsten habe ich am Film gearbeitet.


Was bedeutet die Corona-Pandemie für die verschiedenen Akteure der Schweizer Medien- und Kommunikationsbranche? Bis auf Weiteres wird persoenlich.com jeden Tag eine betroffene Person zu Wort kommen lassen. Die ganze Serie finden Sie hier.