14.09.2000

Martin Kall auf der Gewinnerseite

Ringier Europa dürfte in diesem Jahr das beste Geschäftsergebnis der letzten zehn Jahre ausweisen. Das Interview:

Martin Kall – sind Sie zufrieden mit der Entwicklung von Ringier Europa im ersten Halbjahr?

Martin Kall – sind Sie zufrieden mit der Entwicklung von Ringier Europa im ersten Halbjahr?

Wie sieht es in den einzelnen Ländern aus?

In Tschechien schreiben alle unsere Titel schwarze Zahlen – mit Ausnahme der Neulancierung Nedelni Noviny. Blesk verkauft mittlerweile über 330'000 Exemplare und ist somit am Schweizer Blick vorbeigezogen... Auch die Druckerei in Ostrava macht uns Freude. Sie hat durch den neuen Druckauftrag der Tageszeitung Pravo ihre Zielvorgaben deutlich übertroffen. Und dann hilft uns auch ein wenig das Glück: Nach drei Jahren einer tiefen Rezession hat Tschechien im ersten Quartal endlich wieder den Weg zurück zum Wirtschaftswachstum gefunden. Das wird selbstverständlich auch unser Wachstum kurz- und längerfristig beflügeln.

Und die Slowakei?

Dort haben wir einige Zeit gebraucht, um die Verluste zu verdauen, die uns die slowakische Kioskgesellschaft bescherte: Das Unternehmen ging letztes Jahr Pleite, obwohl es in Staatsbesitz war, und konnte seinen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen. Wir haben uns zudem von den beiden Titeln – Urb si sam und Profit – getrennt, die unsere Erwartungen nicht erfüllten; wir haben den Verlag neu ausgerichtet und den Mitarbeiterbestand von 179 auf 115 Personen reduziert. Jetzt sind wir auf gutem Weg, das merkt man auch im Ergebnis, damit die Slowakei wieder zu ihrer alten Ertragsstärke zurückfindet.

Ringier hat vor kurzem vom deutschen Springer-Verlag dessen 49-Prozent-Beteiligung am Joint-Venture Ringier-Springer B.V. in Tschechien und der Slowakei zurückgekauft? Was beinhaltet dieser Deal?

Das war eine Beteiligung, die Springer an unseren drei Tochterfirmen – den Verlagen in Bratislava und Prag sowie der Druckerei in Ostrava – gehalten hat. Springer hat sich als Nachfolger von Leo Kirch wenig um dieses Joint-venture gekümmert – nicht zuletzt weil man mit einem 49-Prozent-Anteil wenig Einfluss hatte. Ausschlaggebend für den Verkauf war sicher auch, dass das Haus Springer und wir in einigen Ländern, so in Ungarn und Rumänien, auch Konkurrenten sind. Für Michael Ringier und uns alle hat sich ein eigentlicher Traum erfüllt, als wir diese Partnerschaft neu überdenken und die Ringier Gruppe 100 Prozent der Geschäftsaktivitäten übernehmen konnte. Man darf ruhig sagen, dass es eine grössere Investition für uns war. Sie zeigt aber klar, dass Ringier auch längerfristig Vertrauen in die Entwicklung der beiden Länder hat.

Welche Perspektiven ergeben sich daraus längerfristig für Ringier?

Die neue Situation macht im Tagesgeschäft vieles leichter, weil wir rascher entscheiden können. Wir sind aber in beiden Ländern offen für neue Partner – sofern diese etwas Substantielles einbringen können, das für uns eine echte Ergänzung wäre. Tschechien und Slowakien sind für uns heute nach gut zehn Jahren sicherlich die "reifen" Märkte. Diese beiden Länder müssen für Ringier Europa in den kommenden Jahren das tun, was bisher Ringier Schweiz tat: Sie müssen als zuverlässige Finanzsäulen nicht nur sich selbst und ihre neuen Projekte finanzieren können, sondern auch andere Märkte unterstützen, die noch nicht so weit sind – beispielsweise Rumänien.

Wie sieht die Entwicklung in Ungarn aus?

Wir haben im ersten Halbjahr erstmals Cash generiert, das ist ein grosser Umschwung. Unsere beiden ungarischen Tageszeitungen erfüllen unsere Erwartungen. Blikk ist mit einer verkauften Auflage von über 100'000 Exemplaren mittlerweile die Nummer zwei unter allen ungarischen Tageszeitungen; dann folgt bereits unsere Nemzeti Sport als Nummer drei. Diese Zeitung hat ihre Auflage trotz einem neuen Konkurrenten gegenüber dem Vorjahr steigern können. Der Anzeigenumsatz ist im 1. Halbjahr um über 63 Prozent gestiegen. Nemzeti Sport wird im September auf Tabloidformat und Vierfarbendruck umstellen – diese Verbesserungen werden wir erst noch mit Einsparungen von 30 bis 40 Prozent bei den Druckkosten verbinden können. Damit wird uns die Zeitung auch von der Rendite her Freude machen. Ausserdem haben wir unsere Minderheitsbeteiligung an der Wochenzeitung Szabad Föld, an der wir uns letztes Jahr mit 28 Prozent beteiligt hatten, mit einem sehr ansprechenden Gewinn verkaufen können. Die Perspektiven sind also auch für Ungarn positiver als je zuvor. Es gibt aber noch einiges zu tun, bis wir mit Tschechien gleichziehen können...

Rumänien allerdings ist immer noch ein Sorgenkind: man hört von drastischem Personalabbau und dem Verkauf von Objekten...

Das stimmt. Wir haben 1997 in Rumänien noch ein ausgeglichenes Ergebnis gehabt. Nach dem Wechsel der Regierung erwarteten wir und viele andere ausländischen Investoren eigentlich zusätzliche Impulse. Leider wurden unsere Hoffnungen auf eine wirtschaftliche Erneuerung des Landes bitter enttäuscht: Rumänien durchlebte in den vergangenen drei Jahren eine schwere Rezession; das Bruttosozialprodukt sank um über 25 Prozent; es drängten neue Wettbewerber in den Markt. Wir haben den Fehler gemacht, dass wir zu spät reagierten. Jetzt haben wir Gegensteuer gegeben. Inzwischen haben wir zwei kleinere Titel eingestellt, die Sport-Tageszeitung Gazeta Sporturilor verkauft und den Mitarbeiterbestand in Rumänien von rund 500 auf 240 Personen reduziert. Das war natürlich ein drastischer Einschnitt. Wir sind aber nach wie vor der grösste Printmedien-Verleger des Landes. Solange sich die Rahmenbedingungen nicht ändern – vor allem im Vertrieb –, werden wir uns in Rumänien auf die bestehenden Geschäfte konzentrieren, um die Verluste zu eliminieren. Die weitere Entwicklung hängt davon ab, wie rasch das Land wieder auf die Beine kommt. Es gibt aber auch Positives zu vermelden: Capital verdient gutes Geld, Libertatea hat die Auflage in einem Jahr fast verdoppelt. Dazu kommen erhebliche Druckkosteneinsparungen bei allen Titeln sowie reduzierte Personal- und Mietkosten – damit ist die wirtschaftliche Basis besser als noch vor drei Monaten.

Seit dem 1. August leiten Sie neben Ringier Europa auch den Konzernbereich Zeitschriften. Wie haben Sie sich auf diese neue Aufgabe vorbereitet?

Indem ich einige der schwierigen Herausforderungen, die noch bei Ringier Europa anstanden, gelöst habe... Dadurch habe ich seit dem 1. August genügend Zeit für meinen neuen Bereich. Hier werde ich mich in den nächsten Wochen und Monaten stark engagieren.

Wie haben Sie sich organisiert, um die Doppelfunktion als Leiter von zwei Konzernbereichen überhaupt effizient managen zu können?

Durch eine neue Organisationsstruktur. Bisher habe ich mit sieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern direkt zusammengearbeitet. Künftig reduziert sich dies für Ringier Europa auf vier Personen. Seit dem 1. Juni haben wir unsere Aktivitäten in Bratislava, Ostrava und Prag unter der Leitung von Silvia Lepiarczyk in einer neuen Organisationseinheit zusammengefasst – unter Beibehaltung der Selbständigkeit der einzelnen Standorte. Seit Dezember 1999 haben wir mit Endre Petö einen neuen Geschäftsführer für Ungarn. Gilles Marchand wird zusätzlich zur Leitung von Ringier Romandie die Verantwortung für den rumänischen Verlag übernehmen. Mit Friederike Jung habe ich in Deutschland eine Geschäftsführerin, auf die ich bauen kann. Und dank Christoph Tonini und seinem Team haben wir in den letzten anderthalb Jahren auch im Bereich Finanz und Controlling erhebliche Fortschritte gemacht.

Frau Lepiarzcyk leitet also neu neben dem Ringier Verlag Prag auch die Druckerei in Ostrava und den Verlag in Bratislava – macht diese Zusammenlegung Sinn?

Sie bringt echte Vorteile. So ist unser Hauptproblem – ein sehr schönes! – die rasant steigende Druckauflage von Blesk. Damit Blesk sich auch im Druckbereich entwickeln kann, ist eine enge Koordination zwischen Verlag und Druckerei absolut notwendig. In der Slowakei verfügen wir andererseits über das beste Zeitschriften-Portefeuille aller Länder – da können die tschechischen Kollegen sicher eine Menge lernen. Umgekehrt wiederum bin ich überzeugt, dass die slowakischen Kollegen von den Erfahrungen, die wir in Prag während der Rezession gemacht haben, ihrerseits profitieren können.

Wird es bei Ringier Europa weitere organisatorische oder personelle Veränderungen geben?

(Lacht) Veränderungen gibt es bei uns immer. Zwei Sachen sind bereits sicher: Ringier Deutschland wird im nächsten Jahr – auch organisatorisch – dem Bereich Zeitschriften Schweiz angegliedert. Das passt ganz einfach besser! Zweitens möchte ich natürlich, dass die Zeitschriften im Verlag Schweiz enger mit ihren ausländischen Kollegen zusammenarbeiten. Es gibt hier ein enormes Know-how, das leider bisher nur ganz selten genutzt wurde. Ich denke da zum Beispiel an die Kompetenz von TELE – davon sollte man doch auch in den anderen Ländern profitieren können... Umgekehrt gibt es sicher auch vieles, von denen die Schweiz profitieren kann.

Welche Bilanz wird Ringier Europa Ende Jahr ziehen können?

Ich bin zuversichtlich, dass es das beste Jahr in den zehn Jahren von Ringier Europa sein wird. Ich habe diesen Turnaround zwar schon etwas früher erwartet. Die schlechte wirtschaftliche Entwicklung machte uns dann allerdings einen Strich durch die Rechnung. Jetzt stehen die konjunkturellen Signale wieder auf Grün – damit besteht die berechtigte Hoffnung, dass wir ein Ergebnisträger für diesen Konzern werden. Das ist für uns natürlich eine ganz grosse Motiviation für die Zukunft. Ich möchte aber betonen, dass dies nur ein erster Schritt sein kann. Wir werden uns auf den Erfolgen nicht ausruhen können. Tschechien und die Slowakei müssen dieses, beziehungsweise nächstes Jahr renditemässig auf das Niveau von Ringier Schweiz kommen – das ist gut machbar. In Ungarn, noch mehr in Rumänien, gibt es noch einiges zu tun; dann haben wir auch noch verschiedene Herausforderungen in Deutschland anzupacken. Die nächsten Monate dürften also noch einiges bringen. Ich freue mich auf diese Herausforderung.

(Interview: Rolf Gebele/DOMO).


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