Medienschaffende brauchen Personenschutz

Corona-Demos - Das Aggressionspotenzial gegen Journalistinnen und Journalisten nimmt zu. In Bern, an einem Protest gegen die Ausweitung der Zertifikatspflicht, mussten Reporter geschützt werden. Wie Blick, 20 Minuten und SRF auf zunehmend verhärtete Fronten reagieren.

von Christian Beck

Einige tausend Menschen haben sich am Mittwochabend in Bern zu einer Spontandemo gegen die Ausweitung der Zertifikatspflicht versammelt. Zur Demo aufgerufen haben eine Reihe von Organisationen, die sich seit Längerem gegen die Corona-Massnahmen wehren. Auch Gegendemonstranten waren aufgetaucht.

Die Besammlung erfolgte auf dem Bahnhofplatz, der Umzug führte durch die Innenstadt mit dem Ziel Bundesplatz. Die Kundgebung wurde begleitet durch diverse Medien. So streamten beispielsweise blick.ch und 20min.ch live von der Kundgebung. Der Reporter von 20 Minuten erwähnte während der Übertragung, dass er Personenschutz habe – wie andere Medien auch.

20 Minuten bestätigte gegenüber persoenlich.com den Einsatz von Personenschützern. «Die Sicherheit unserer Mitarbeitenden ist uns sehr wichtig, weshalb wir bei Anlässen, bei denen eine explosive Stimmung zu erwarten ist, Sicherheitspersonal zu den Einsätzen mitschicken», so Eliane Loum-Gräser, Leiterin Kommunikation 20 Minuten. Ausschlag für die Massnahme hätte ein tätlicher Angriff auf einen eigenen Journalisten in Luzern im Mai 2021 gegeben (persoenlich.com berichtete).

Aber weshalb wird nicht gleich auf Livestreams verzichtet und stattdessen inkognito von solchen Anlässen berichtet? «Livestreams sind für 20 Minuten ein wichtiges Mittel, um in Echtzeit darüber zu informieren, was in der Schweiz passiert», so Loum-Gräser weiter. «Wir entscheiden fallbezogen aufgrund von Aktualität und Relevanz, ob wir einen Livestream realisieren oder nicht.»

Risikoabschätzung vor Einsätzen

Etwas bedeckter ist die Blick-Gruppe. Zwar werde «mit Sorge das zunehmende Aggressionspotenzial (verbal und physisch) gegen Journalistinnen und Journalisten» beobachtet. Aber: «Sicherheitsmassnahmen sind umso wirksamer, je weniger darüber bekannt ist», so Ringier-Kommunikationschefin Johanna Walser auf Anfrage. Deshalb gebe die Blick-Gruppe zu diesem Thema generell keine Auskunft.

Auch SRF stellt fest, «dass der Ton gegenüber Medienschaffenden rauer geworden ist» – auch in den sozialen Medien. «Bei Dreharbeiten in der Schweiz ist der Tonfall je nach Thema punktuell rauer geworden», so SRF-Sprecher Stefan Wyss zu persoenlich.com. «Öffentliche Impfveranstaltungen werden häufig auch von Kritikern begleitet und gestört, welche auch die Journalistinnen und Journalisten immer mal wieder verbal beleidigen oder bei Interviews stören. Wir merken, dass sich die Fronten verhärtet haben.»

Seit Längerem gibt es solch aufgeheizte Stimmungen beispielsweise bei 1.-Mai-Demonstrationen oder Fanmärschen. Neu ist dies bei Demos von Impfskeptikern oder Kritikern der Corona-Massnahmen der Fall. «Vor solchen Einsätzen wird stets eine interne Risikoabschätzung durchgeführt, um das Gefahrenpotenzial eines Drehs vor Ort zu beurteilen», so Wyss. Je nach Einschätzung würden die Journalistinnen und Journalisten sowie Kameraequipen durch zusätzliches Sicherheitspersonal geschützt. Oder aber der Drehort werde so festgelegt, dass die Medienschaffenden aus sicherer Distanz arbeiten können.

Die Demonstration in Bern blieb derweil ohne grosse Zwischenfälle. Im Zusammenhang mit den diversen Provokationen rund um die Demo seien mehrere Personen kontrolliert worden, wie die Kantonspolizei Bern auf Twitter schrieb. In neun Fällen sei eine Wegweisung ausgesprochen worden.