Nach dem «Rundschau»-Beitrag vom 22. Mai über eine verprügelte und von den Behörden im Stich gelassene Frau in Schaffhausen gehen die Wogen hoch. Doch ein Artikel der Schaffhauser AZ rückt die Tatnacht in ein anderes Licht.
So heisst es im SRF-Beitrag, ein Schaffhauser Anwalt, in dessen Wohnung die Prügelattacke Ende 2021 stattgefunden hat, habe die Frau zu sich nach Hause zum Abendessen eingeladen, um sie von einer Anzeige abzubringen, schreibt die SonntagsZeitung. Die Einvernahmeprotokolle und verschriftlichten Videoaufnahmen, aus denen die AZ Schaffhausen zitiert, stützen diese Darstellung nicht.
Sie zeigen, dass der Anwalt die Frau nicht eingeladen hatte und es bei der Party allem Anschein nach nicht darum ging, sie von einer Anzeige abzuhalten. Wer den «Rundschau»-Beitrag schaut, geht ausserdem davon aus, dass in der Nacht der Prügelattacke in der Wohnung des Anwalts auch eine Vergewaltigung stattgefunden hat.
Allerdings sagte die Frau weder in den polizeilichen Einvernahmen noch im «Rundschau»-Bericht, sie sei am betreffenden Abend vergewaltigt worden. Und sie sagte der Polizei mit Blick auf die Schmerzen zwischen den Beinen, dazu könne sie noch sagen, dass sie vor fünf Tagen vergewaltigt worden sei. Diesen Zusatz lässt die «Rundschau» weg.
Fokus auf den Ermittlungen
SRF wehrt sich gegenüber der SonntagsZeitung gegen den Vorwurf. «Es wird nichts suggeriert, sondern gezeigt, wie die Frau in ein Zimmer gebracht wird, von welchem keine Videoaufnahmen vorliegen, und dass sie rund sieben Minuten später wieder herauskommt und Handschellen trägt», sagt «Rundschau»-Redaktionsleiter Mario Poletti. Dazu werde die Frage aufgeworfen, was hier passiert sei.
Auf die Frage, warum SRF nur einen sehr beschränkten Ausschnitt der Ereignisse gezeigt habe, die schockierende Prügelattacke auf die Frau, nicht aber den Kontext, der zwar die Attacke nicht entschuldigt, aber die ganze Nacht in ein anderes Licht rückt, antwortet Poletti: «Die ‹Rundschau› hat nicht versucht, den Tathergang aufzuklären. Vielmehr lag der Fokus auf den Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden, die gemäss der Einschätzung des renommierten Strafverteidigers Konrad Jeker fragwürdig seien.» (pd/spo)
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02.06.2024 18:43 Uhr