Newsportale machen Kommentarschleusen dicht

Fall Rupperswil - Das grosse Interesse am Vierfachmord von Rupperswil dürfte den Onlinemedien in diesen Tagen hohe Leserzahlen bescheren. Wie aber gehen die Social-Media-Abteilungen mit den Kommentaren um? Eine Umfrage zeigt: Nur zwei Medien lassen eine Debatte überhaupt zu.

von Michèle Widmer

Breaking News, Liveticker und Reportagen: Das mediale Interesse am Vierfachmord von Rupperswil ist enorm (persoenlich.com berichtete). Am Dienstag hat in Schafisheim der Prozess zur Tat begonnen. Der Fall weckt Emotionen, welche sich die Bevölkerung in den Kommentarspalten von Onlinemedien von der Seele schreiben will.

«Leserkommentare sind das Spiegelbild eines Mediums», schrieb Gastkommentator Stefan Millius in einem Blog auf persoenlich.com. Verbrechen wie dieses, seien das beste Beispiel dafür, wie Medien den virtuellen Stammtisch bewirtschaften würden. Ökonomisch mache das auch Sinn, denn die Kommentarfunktion sorge für Klicks.

Mehrzahl schliesst Kommentarspalte

Nachgefragt bei verschiedenen Onlinemedien zeigt sich: Bei den Kommentaren sind die Portale im Fall Rupperwil zurückhaltend. Vier von sechs Titeln haben die Interaktion bewusst unterbunden – so srf.ch, 20min.ch, tagesanzeiger.ch/Newsnet sowie die NZZ.

Bei SRF News werden die Leserinnen und Leser aktiv über die Schliessung der Kommentarspalte informiert. «Aus Rücksicht auf die Opfer und ihre Angehörigen» sei diese Funktion deaktiviert worden, heisst es in einem Kästen inmitten von Artikeln.


Auch tagesanzeiger.ch/Newsnet hat entschieden, die Kommentarspalte in diesem Fall zu schliessen und bittet die Leserinnen und Leser unterhalb der Artikel um Verständnis. Und auch 20min.ch hat diese Funktion «aus Rücksicht auf die Opfer und Angehörige» deaktiviert, wie Tamedia-Sprecherin Nicole Bänninger auf Anfrage sagt. Die Redaktionen würden sich stets vorbehalten, die Kommentarfunktion bei Artikeln zu gewissen Themen geschlossen zu lassen, wenn erfahrungsgemäss davon auszugehen sei, dass die Kommentare inhaltlich unhaltbar sind.


Einen generellen Kommentarverzicht gibt es bei der «Neue Zürcher Zeitung». Vor über einem Jahr hat die Zeitung beschlossen, die Kommentarspalte zu deaktivieren und täglich moderierte Leserdebatten durchzuführen (persoenlich.com berichtete). Im Fall Rupperswil entschied sich die NZZ bewusst gegen eine solche Leserdiskussion. «Solange der Prozess läuft, beschränken wir uns auf die Berichterstattung. Wir halten es nicht für sinnvoll, einen sehr emotionalen und traurigen Fall zur Leserdebatte zu stellen», sagt Social-Media-Chef Oliver Fuchs auf Anfrage. Falls sich im Nachgang Fragen ergeben würden, die beispielweise rechtstaatlich relevant seien, würde man prüfen, wie und zu was eine Debatte konstruktiv und fruchtbar sein könnte.

Debatte zulassen

Eine andere Strategie fahren blick.ch und watson.ch. Beide lassen die Kommentatschleusen auch im Fall Rupperswil offen. «Für uns ist es wichtig, dass sich die User mit unseren Inhalten auseinandersetzen und sich auch zu diesen Themen äussern können», sagt Katia Murmann, Chefredaktorin Digital der Blick-Gruppe, auf Anfrage. Man halte die Kommentarfunktionen grundsätzlich offen, würde aber sehr streng monitoren und die Funktion schliessen, wenn sich die Nutzer nicht an die Richtlinien halten.

Ähnlich klingt es beim jungen Portal der AZ Medien. Die Kommentarspalte bleibe aktiviert, allerdings «streng überwacht von mir persönlich», sagt «Watson»-Chefredaktor Maurice Thiriet auf Anfrage. «In sehr differenziertem Rahmen» wolle man eine Debatte über Tat und Aufarbeitung des Falles von Rupperswil zulassen und führen. Dies etwa wenn es um Fragen über Kosten/Nutzen von Therapien oder Verhältnismässigkeit in der Rechtssprechung oder die verschiedenen Möglichkeiten von Verwahrung gehe. Aber: «Beschimpfungen oder Vorverurteilungen dulden wir nicht», fügt Thiriet an. Da diese letztlich zu einer Strafreduktion für den mutmasslichen Täter führen könnten, was nicht im Interesse der «Watson»-Redaktion sei.