NZZ-Kolumne sorgt für Twitter-Debatte

Fall Carlos - Den SRF-Film über den Straftäter «Carlos» hätte man nie zeigen dürfen, so Medienredaktor Rainer Stadler. SRF und «Blick» hätten einen vorbildlichen Job gemacht, kontert Rico Bandle in der «SonntagsZeitung».

Am Mittwoch fand ein Gerichtsprozess gegen notorischen Gewalttäter «Carlos» statt, allerdings ohne den Hauptdarsteller: Dieser weigerte sich, seine Zelle zu verlassen und ins Gerichtsgebäude zu gehen. Der Anwalt von «Carlos» stellte ein Dispensationsgesuch, weil der heute 24-Jährige in miserablem psychischen Zustand sei. Die Isolationshaft habe ihm schwer zugesetzt, eine Gerichtsverhandlung sei ihm nicht zuzumuten. Zudem habe er «schlicht Panik» vor dem Medienansturm.

Bekannt wurde «Carlos», den die Berichterstatter mittlerweile beim richtigen Namen Brian nennen, 2013 durch den «Dok»-Film «Der Jugendanwalt». Darin stellte Jugendanwalt Hansueli Gürber seinen erfolgreichsten Fall vor. Der damals 17-jährige «Carlos» schien durch ein Sondersetting zum ersten Mal seit langem auf die richtige Spur zu kommen.

«Sechs Jahre nachdem sein Fall vor allem auf dem Boulevard skandalisiert wurde, bleibt die Frage: Tragen gewisse Redaktionen eine Mitschuld daran, dass Brian nicht auf die richtige Bahn zurückgefunden hat und dass ihm nun gar eine Verwahrung droht?», fragt sich NZZ-Medienredaktor Rainer Stadler am Samstag in seiner Kolumne «In Media Ras». Es hätte damals nach dem «Dok» ein paar Tage gedauert, «bis der Boulevard die Wut über das Gezeigte entfachte». Schaue man sich den Film sechs Jahre später wieder an, verwundere die damalige Aufregung überhaupt nicht, so Stadler. «Ob das teure Experiment hätte gelingen können, wird man nie erfahren. Fern vom Scheinwerferlicht wären die Erfolgschancen zweifellos grösser gewesen», so Stadler weiter.

Stadlers Kolumne sorgte auf Twitter über das Wochenende für Diskussionen:



Auch Gürber ist der Meinung, dass damals Fehler passierten. «Ich hätte ‹Carlos› nicht in den Film nehmen dürfen. Ich verkannte, dass ich die guten Beziehungen zu den Journalisten nicht mehr habe», sagte der damalige Jugendanwalt 2016 in einem persoenlich.com-Interview. «Für mich war es in diesem gesamten Hype schwierig, weil mit Ausnahme der NZZ am Anfang alle Medien auf mich eindroschen.»

Anderer Meinung ist Rico Bandle in der «SonntagsZeitung»: SRF und «Blick» hätten «einen vorbildlichen Job» gemacht. «Dank ihnen wurde endlich publik, wie jugendliche Straftäter hierzulande umsorgt werden.» Dass der Regierungsrat im Zuge der Berichterstattung das Sondersetting plötzlich abgebrochen habe, sei allein ihm anzulasten, so Bandle.

Das Urteil gegen «Carlos» wird am Mittwoch gefällt. (cbe)