Im eidgenössischen Wahlherbst 1999 haben die Medien ihre Informations- und Artikulationsfunktion weitgehend erfüllt. Zu kurz kam jedoch die Kritik- und Kontrollfunktion. Die Redaktionen liessen sich dennoch nicht von Parteistrategen fremdbestimmen. Dies geht aus Forschungsbefunden hervor, die am Dienstag an einer Tagung des Fördervereins Medienwissenschaft der Universität Bern vorgestellt wurden. Untersucht wurden Leistungen und Inhalte von Zeitungen in den letzten acht, Radio und Fernsehen in den letzten vier Wochen vor den Wahlen.
Die Medien nähmen die Wahlen mehrheitlich ernst und betrieben einen hohen Aufwand, fasste Medienwissenschafter Roger Blum die Resultate zusammen. Die Schere öffne sich aber bei den Ressourcen: Grosse Zeitungen erbrachten mehr Eigenleistungen als kleinauflagige Titel, die oft auf Leserbriefe zurückgriffen. Kleine Zeitungen waren zudem eher bereit, sich auf "Pseudoereignisse" einzulassen. Nicht bestätigt wurden in diesem Zusammenhang deutsche Forschungsbefunde: Diese zählten in der Berichterstattung vor der Bundestagswahl 1990 fast 50 Prozent solcher Ereignisse, die nur für die Medien veranstaltet wurden. In der Schweiz pendelt dieser Anteil an der Wahlberichterstattung zwischen 15 und 30 Prozent. Blum liess jedoch offen, ob dies auf die Standfestigkeit der Redaktionen oder auf mangelnde Professionalität von Parteistrategen zurückzuführen ist.
Fast alle untersuchten Zeitungen schenkten der SVP mehr Aufmerksamkeit als den übrigen Parteien. Dies bestätigt sich auch in der Forschungsarbeit von Jasper Friedrich über die Wahlberichterstattung im Fernsehen. Zwar konnten sich die Bundesratsparteien etwa im gleichen Verhältnis präsentieren. Am meisten Sprechzeit verbuchte aber SVP-Nationalrat Christoph Blocher, gefolgt von FDP-Präsident Franz Steinegger. Friedrich bringt deren starke Präsenz mit der Ereignislage vor den Wahlen - "ob initiiert oder zufällig" - in Verbindung. Steinegger füllte Zeitungsspalten und Sendegefässe mit seiner Berufung in den Expo-Verwaltungsrat. Blocher seinerseits geriet eine Woche vor dem Wahltermin mit einem Brief an einen Holocaustleugner in die Schlagzeilen. Welche Wirkungen diese Medienkampagne aufs Publikum hatte, wurde bislang - obwohl an der Tagung intensiv diskutiert - nicht erforscht.