29.08.2000

"Risikobereitschaft ist unerlässlicher Bestandteil modernen Managements"

Dr. Hans Heinrich Coninx zum geplanten Börsengang der Tamedia.

Anlässlich der Medienkonferenz vom 29. August informierte Dr. Hans Heinrich Coninx, Präsident des Verwaltungsrates, über die Veränderungen im Hause Tamedia in Hinblick auf den geplanten Börsengang vom 2. Oktober 2000. "persoenlich.com" bringt die ganze Rede:

Anlässlich der Medienkonferenz vom 29. August informierte Dr. Hans Heinrich Coninx, Präsident des Verwaltungsrates, über die Veränderungen im Hause Tamedia in Hinblick auf den geplanten Börsengang vom 2. Oktober 2000. "persoenlich.com" bringt die ganze Rede:

"Anlässlich unserer Bilanz-Medien-Orientierung vom 19. Mai dieses Jahres orientierte ich über die Absicht der Familie Coninx, einen Teil ihrer Aktien über die Börse einem breiten Publikum und den Mitarbeitenden der TA-Media AG anzubieten. Gleichzeitig gab ich bekannt, dass wir über den jeweils aktuellen Stand des geplanten Börsengangs offen und umfassend informieren würden. Diese Gelegenheit nehmen wir heute wahr.

Die Entwicklung von Tamedia ist vergleichbar mit derjenigen anderer Medienunternehmen ähnlicher Grösse oder ähnlichen Alters. In der 107-jährigen Geschichte unseres Hauses haben wir während rund 100 Jahren ausschliesslich Printprodukte hergestellt und vertrieben. Seit gut 10 Jahren erfolgt nun etappenweise unser Einstieg in neue Medien. Die Marksteine heissen TeleZüri, TV3, Radio Zürisee, Winner-Market und die strategischen Partnerschaften mit Bluewin und mit Credit Swiss.

Möglicherweise unterscheiden wir uns von Mitbewerbern dadurch, dass wir uns etwas zügiger und mit einer gesunden Portion Risikobereitschaft Neuem geöffnet haben. So war es nach der Aufhebung der staatlichen Monopole, die eine Privatisierung von Radio und Fernsehen mit sich brachten. So war es, als das Medium Internet seinen revolutionären Einzug in die Welt der Medien hielt.

Risikobereitschaft ist unerlässlicher Bestandteil modernen Managements. Dazu gehört jedoch immer auch eine Portion Glück. Ich weiss wovon ich rede, denn ich entsinne mich nur zu gut an mahnende Verlautbarungen, als wir uns entschlossen, die SonntagsZeitung oder später FACTS zu lancieren. Ich bin überzeugt, dass Tamedia ihre führende Position als multimedialer Content-Provider vor allem deshalb erreicht hat, weil Verwaltungsrat und Management die neuen medialen Herausforderungen frühzeitig erkannt und die sich ergebenden Chancen genutzt haben. Und es verdient Erwähnung, dass die jüngste Periode in der Entwicklung des Unternehmens nahtlos zusammenfällt mit der Amtszeit von Michel M. Favre als Vorsitzendem der Geschäftsleitung.

Es ist unschwer nachzuvollziehen, dass das Tempo der Entscheidungen in einem Traditionsunternehmen manchmal wie ein Kulturschock wirken musste. Ein wesentlicher Faktor für das bisherige gute Gelingen des Wandlungsprozesses war die Fähigkeit des Managements, die Mitarbeitenden aller Stufen von der Notwendigkeit von Veränderungen zu überzeugen und sie immer wieder neu zu motivieren. Ein führender Bankier soll gesagt haben, das eigentliche Kapital seiner Bank gehe jeden Abend nach Hause, und es sei deshalb alles vorzukehren, damit es am anderen Morgen wieder erscheine.

In einem Unternehmen, dem es gelungen ist, sich während Jahrzehnten im harten Mediengeschäft zu behaupten, sammeln sich publizistische und journalistische Kompetenzen, Erfahrungen und Wissen: Content-Know-How. Gepaart mit Qualitätsbewusstsein ergibt sich eine Professionalität, die Voraussetzung ist für den Einstieg in die neuen Medien. Die heutige Tamedia steht auf drei Säulen: Printmedia, Electronic Media und Services. Die im Januar erfolgte Übernahme von Finanz und Wirtschaft zeigt, dass wir bereit sind, nicht nur in die elektronischen Medien, sondern auch in unser Kerngeschäft Print zu investieren.

Die Familie Coninx wird auch nach dem in zwei Schritten geplanten Börsengang 67 Prozent des Aktienkapitals halten. Mit einem neuen Aktionärsbindungsvertrag, der für maximal 10 Jahre Gültigkeit hat, wollen die Familienmitglieder mit dazu beitragen, die publizistische und wirtschaftliche Unabhängigkeit und Stabilität des Unternehmens zu erhalten. Dieser Entscheid bedeutet eine Weiterführung der verlegerischen Familientradition. Im Zuge der vorgesehenen Öffnung des Unternehmens wird sich der Verwaltungsrat der Tamedia neu zusammensetzen. Er wird inskünftig noch sieben Mitglieder umfassen. So werden in ihm nur noch zwei Vertreter der Familie, der Sprechende, als Präsident, und Dr. Pietro Supino Einsitz nehmen. Dem neuen Verwaltungsrat werden ferner die bisherigen Mitglieder Dr. Robert Karrer, Dr. Iwan Rickenbacher, sowie Karl Dietrich Seikel angehören. Zusätzlich haben wir die Absicht, zwei weitere Persönlichkeiten in den Verwaltungsrat zu berufen. Sie werden sich durch herausragende Erfahrung und Kompetenz in den Bereichen Publizistik und "IT" auszeichnen. Das Auswahlverfahren für die Berufungen, das mit aller Sorgfalt vorbereitet wurde, ist derzeit noch im Gange. Die Wahl obliegt der Generalversammlung der Tamedia AG. Die Familie Coninx tritt damit im Verwaltungsrat ihre Mehrheit an fünf unabhängige Persönlichkeiten ab. Sie unterstreicht damit auch ihren Willen, dieses Gremium für neue Ideen und Impulse zu öffnen und den Anliegen der Publikumsaktionäre den gebührenden Stellenwert zukommen zu lassen.

Mit dem weiteren Engagement der Familie Coninx ist sichergestellt, dass auch die publizistische Grundausrichtung des Hauses erhalten bleibt, wie sie im Unternehmensleitbild umschrieben ist. "Wir wollen unseren Beitrag zur freien Meinungsbildung leisten und dabei Argumente, Wissen und Unterhaltung vermitteln. Wir wollen von politischen, religiösen, wirtschaftlichen und anderen Interessengruppen unabhängig sein. Wir lassen uns journalistisch von den Prinzipien der Wahrhaftigkeit und der Fairness leiten."

Der geplante Börsengang erfolgt aus einer Position der Stärke. Unser Unternehmen befindet sich in einer kerngesunden Verfassung. Die Gruppe ist grundsolide finanziert, ihre Liquidität und Substanz bilden ein tragfähiges Fundament für die Zukunft, wie auch der Halbjahresabschluss zeigt, den wir Ihnen heute präsentieren werden. Diese Position haben wir ganz entscheidend auch dem Wirken unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu verdanken. Das Beteiligungsmodell, das unseren Mitarbeitenden den Erwerb von Aktien ermöglicht, ist ein Zeichen unserer Anerkennung für diese Leistungen. Darüber hinaus werden wir allen Mitarbeitenden je eine Aktie übergeben.


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