30.04.2001

Schawinski ist bereit, Belcom-Gruppe zu verkaufen

In der Tele24-Sendung "SonnTalk" zeigte sich Roger Schawinski (Bild l.) enttäuscht darüber, via Medien erfahren zu müssen, dass Tamedia kein Interesse an der Belcom-Gruppe hat. Damit signalisiert der Schweizer "Medienzar" erstmals öffentlich, dass er bereit ist, sein Medienunternehmen zu verkaufen. Im Interview mit "persoenlich.com" nimmt Schawinski zu den geheimen, seit Januar intensiv laufenden Verhandlungen mit der Tamedia Stellung: "Tamedia hat auf Exklusivität gepocht, und ich habe verschiedene Massnahmen aufgeschoben. Doch jetzt übernehme ich das Gesetz des Handelns und bin sehr guten Mutes." Diese Geisteshaltung hat durchaus ihre Berechtigung. Denn Patrick Eberle, Finanzchef der Tamedia (Bild r.), erklärt: "An Radio 24 haben wir nach wie vor Interesse." Die Interviews:
Schawinski ist bereit, Belcom-Gruppe zu verkaufen

Roger Schawinski: 'Jetzt übernehme ich das Gesetz des Handelns'

Herr Schawinski, Sie haben im "SonnTalk" vom 29. April das Verhalten der Tamedia öffentlich kritisiert. Weshalb?

Wir standen mit der Tamedia seit einem halben Jahr in Verhandlungen. Die Tamedia hat sogar eine auf "Merger Acquisition" spezialisierte Firma eingeschaltet und in den letzten zwei Monaten einen 50-seitigen Vertrag und ein konkretes Kaufangebot vorgelegt. Darauf haben wir der Due Diligence, der vollständigen Überprüfung unserer Bücher, unserer Prognosen und Anlagen zugestimmt - obwohl TV3 ein direkter Konkurrent ist. Immer wieder wurde mir versichert, wie wichtig unser Unternehmen für die Zukunft der Tamedia-Gruppe sei. Und nun entnehme ich den Medien, dass die Tamedia einseitig und unter Verletzung der Vertraulichkeitsklausel erklärt, dass man erstens nicht an uns interessiert sei und zweitens die Strategie TV3 heisse. Falls dem wirklich so wäre, hätte man diesen langen Weg nicht gehen müssen.

Wie beurteilen Sie das Verhalten der Tamedia?

Möglicherweise herrscht an der Konzernspitze eine gewisse Unsicherheit über das Vorgehen. Vielleicht ist die Tamedia auch auf Grund der branchenweit schlechteren Resultate in den letzten Monaten verunsichert worden und hat dadurch die Meinung gewechselt - auch weil das Unternehmen Scandinavian Broadcasting System (SBS) als Partner von TV3 verloren hat und jetzt die Verluste alleine tragen muss.

Mit Ihrer Äusserung am Sonntagabend bestätigen Sie, dass Sie die Belcom-Gruppe verkaufen wollen.

Die Situation des Schweizer Privatfernsehmarktes ist äusserst schwierig. Auch Jürg Wildberger hat immer wieder davon gesprochen, dass ein Zusammengehen zwischen Tele24 und TV3 Synergieeffekte bringt. Dieser Meinung bin ich ebenfalls, gerade weil die SRG und die deutschen Stationen vom Gesetzgeber massiv bevorzugt werden. Die Resultate sind bekannt: RTL/Pro7 musste eingestellt werden und TV3 den Journalismus abschaffen. Alle Regionalen arbeiten mit Defizit, auch wir, und unter diesem Titel wäre eine Bündelung der Kräfte eine mögliche Lösung gewesen.

Eine Alternative wäre, dass die Tamedia lediglich Radio 24 kauft.

Nein, das war nie ein Thema. Während sechs Monaten hatte ich unzählige Sitzungen. Davon sprachen wir in keinem Moment. Diese im Tages-Anzeiger gemachte Aussage ärgert mich noch mehr als die Meldung, wonach die Tamedia kein Interesse an der ganzen Belcom-Gruppe habe, denn bei den ganzen Verhandlungen haben wir vereinbart, dass wir kommunizieren, zu Gerüchten keine Stellung zu nehmen. Daran habe ich mich stets gehalten und in meinem Unternehmen nur wenige Leute involviert. Erst mitten in meiner Live-Sendung zur Swissair erhielt ich von der Tamedia einen Anruf, dass sie zu den Anfragen der Journalisten Stellung nehmen würden.

Falls die Tamedia die Belcom-Gruppe übernimmt, kommt es eben doch zur Zusammenlegung von Tele24 und TV3.

Darüber muss ich jetzt nicht mehr reden. Dieses Thema ist vom Tisch.

Welche Alternativen stehen Ihnen offen?

Das Schlimmste an der ganzen Angelegenheit ist, dass ich während sechs Monaten lahm gelegt wurde. Tamedia hat auf Exklusivität gepocht, und ich habe verschiedene Massnahmen wie Investitions- und Programmentscheide aufgeschoben. Doch jetzt übernehme ich das Gesetz des Handelns und bin sehr guten Mutes.

Eine Option wäre ein Going Public. Was würde sich sonst noch anbieten?

Ein Börsengang ist bei der jetzigen Situation nicht angesagt. Über weitere Alternativen möchte ich nicht spekulieren, weil ich nur über Fakten spreche und nicht über Prognosen.

Tele 24 hat mehr oder weniger seit Monaten den gleichen Marktanteil. Der Sender will nicht so vom Fleck kommen, wie Sie es sich gewohnt sind. Hier besteht wohl Handlungsbedarf.

Wir haben tatsächlich in starken Sendungen wie "News" und "Talk" zugelegt, und in anderen Gefässen stagnieren wir. Wir müssen uns verschiedene Möglichkeiten überlegen, denn im Gegensatz zu Tamedia können wir es uns nicht leisten, mit Fernsehen 60 Millionen Franken pro Jahr zu verlieren.

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Patrick Eberle: 'An Radio 24 haben wir nach wie vor Interesse'

Herr Eberle, Roger Schawinski wirft der Tamedia vor, sie habe die Geheimhaltung gebrochen.

Es ist richtig, dass wir beidseitig eine Vereinbarung zur Geheimhaltung unterschrieben haben. Unmittelbar nach dem Entscheid des Verwaltungsrats am 25. April haben wir Herrn Schawinski orientiert und ihm gesagt, dass wir als börsenkotiertes Unternehmen eine Anfrage von "persoenlich.com" sowie des Tages-Anzeigers kommentieren müssen. Wir haben ihm unsere Stellungnahme am Telefon vorgelesen, und er hatte nichts einzuwenden. So gesehen haben wir die Geheimhaltung nicht gebrochen.

Offenbar war die Tamedia kurz davor, mit der Belcom-Gruppe handelseinig zu werden. Weshalb jetzt dieser Kurswechsel?

Im November gab es erste Kontakte. Seit Januar haben wir intensive Gespräche und Verhandlungen geführt. Herr Schawinski gab uns Informationen über Hörer- und Zuschauerzahlen sowie finanzielle Entwicklungen, und wir haben darauf basierend eine Offerte ausgestellt - vorbehältlich der Due Diligence. Diese dauerte rund eine Woche, und wir haben dabei festgestellt, dass für uns primär das Radiogeschäft der Belcom-Gruppe interessant ist, da wir im Fernsehbereich zu wenig Synergien hätten realisieren können.

Eine Teilübernahme der Belcom-Gruppe - namentlich Radio 24 - stand laut Roger Schawinski nie zur Diskussion.

Das ist richtig.

Ist damit das Thema Belcom definitiv vom Tisch?

Nein, am Radio haben wir nach wie vor Interesse. Radio 24 ist ein gutes Radio mit einer anerkannten Marke.

Wie wollen Sie die über 50 Millionen Franken Verluste der Tamedia im Fernsehbereich ohne SBS ausgleichen, wenn eine Zusammenlegung von Tele24 mit TV3 Ihrer Ansicht nach zu wenig Synergien bringt?

Dieses Jahr erwarten wir ein Minus von 45 Millionen Franken. Wir gehen davon aus, dass wir insgesamt einen Verlust von 180 Millionen Franken einfahren werden, und zwar seit dem Start 1999 bis Anfang 2004. Danach werden wir die Gewinnschwelle erreichen.

Wie wollen Sie mit TV3 schwarze Zahlen schreiben?

Momentan halten wir einen Zuschauer-Marktanteil zwischen sieben und acht Prozent. Im 2004 rechnen wir mit zehn Prozent und einem Anteil des Werbemarktes von 15 bis 20 Prozent. Wenn der Werbebereich im Fernsehen weiterhin mit sieben Prozent wächst, dürften wir mit TV3 im Jahr 2004 einen Umsatz von 95 Millionen Franken erzielen.



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