«Es ist dramatisch, wenn Studierende der Kommunikation heute nicht mehr wissen, was auf der Welt passiert, beispielsweise wer Jamal Khashoggi ist», sagt Res Strehle, Präsident der Schweizer Journalistenschule MAZ, zu Beginn des Podiums. Braucht es denn solches Faktenwissen im Zeitalter von Google überhaupt noch? Für Mirjam Egloff, Leiterin des CAS Pädagogischer ICT-Support an der Pädagogischen Hochschule Zürich (PHZH), ist klar: «Bei Aktualitäten handelt es sich nicht um Faktenwissen, sondern um Allgemeinbildung.»
Rund 25 Journalisten und Medieninteressierte waren am Dienstagabend der Einladung des Vereins Qualität im Journalismus ins Tamedia-Gebäude gefolgt. Der Q-Club «Schulstoff redaktionelle Medienkompetenz» ging unter anderem der Frage nach, inwiefern das neue Schulfach «Medien und Informatik» neben den technischen und psychologischen Aspekten auch die publizistische Medienkompetenz berücksichtigen soll. Es diskutierten nebst Egloff und Strehle Viviane Manz, SRF-Journalistin und Initiantin der Jugendmedienwoche YouNews, sowie Jens Lucht, Leiter Wissensvermittlung des Forschungsinstituts für Öffentlichkeit und Gesellschaft (Fög). Das Podium moderierte Edith Hollenstein, Redaktionsleiterin von persoenlich.com.
Neue Medien konkurrieren die klassischen
Fakt ist, dass die Jugendlichen immer weniger journalistische Angebote nutzen, die Zahl der so genannten News-Deprivierten steigt (persoenlich.com berichtete). Den Grund dafür sieht Lucht auch bei den sozialen Medien: «Es ist eine Tatsache, dass Social Media ein extrem attraktives und hoch individualisiertes Angebot bieten. Die Herausforderung wird sein, dass man die Jugendlichen überhaupt noch für Journalismus begeistern kann.» Eine mögliche Lösung sieht er darin, dass die klassischen Medien verstärkt auf jugendgerechte Formate setzen.
PH-Dozentin Egloff ist der Ansicht, dass Schule, Politik, Eltern und Medienschaffende am gleichen Strick ziehen müssen, um die Kinder und Jugendlichen auf ein Leben in der digitalen Gesellschaft vorzubereiten. «Obwohl nicht alles an die Schule abgeschoben werden darf, muss man die Lehrpersonen in die Pflicht nehmen.» Oft höre sie den Einwand seitens der Lehrer, diese hätten keine Zeit für die Medienbildung. «Doch das ist schlicht kein Argument», so die PH-Dozentin. An der Medienkompetenz könne in jeglichen Fächern gearbeitet werden – so sei es im neu geltenden Lehrplan 21 festgelegt.
Breit abgestützte Initiative geplant
Strehle pflichtet ihr bei: «Die Lehrpersonen werden sich mit dem neuen Lehrplan vermehrt auch mit der publizistischen Medienkompetenz auseinandersetzen müssen.» Der MAZ-Präsident diskutiert gegenwärtig an einem Runden Tisch mit dem Fög, dem Verlegerverband, SRF, den Pädagogischen Hochschulen und anderen engagierten Organisationen, wie man die publizistische Medienkompetenz an den Schulen nachhaltig fördern kann.
Vorgeschlagen wurden etwa eine digitale Schülerzeitung, die jährliche Vergabe eines Schülermedienpreises oder ein redaktionelles Onlineportal für Lehrpersonen mit Unterrichtsmaterialien zu Aktualitäten wie der Debatte um den Doppeladler. Gleichzeitig weist Strehle auf eine zentrale Problematik hin: «Alle finden es wichtig, die Medienkompetenz bei Jugendlichen zu fördern, jetzt warten wir auf den Tatbeweis.» Die Projekte dieses Runden Tisches benötigen gemäss Strehle eine Anschubfinanzierung von rund einer Million Franken.
Manz findet es wichtig, dass Kinder und Jugendliche mit Medien in Kontakt kommen. Und dass sie lernen, Informationen und Kanäle auch kritisch zu bewerten: «Es ist eine neue Situation, wenn man zu einer Thematik unzählige Informationen im Internet findet und bei einem Grossteil nicht wissen kann, ob sie stimmen.» Es mache einen grossen Unterschied, ob die Informationsquelle eines Jugendlichen irgendeine – möglicherweise anonyme oder vorgetäuschte – Quelle in den sozialen Medien oder ein Qualitätsmedium sei, denn Letzteres arbeite nach den journalistischen Standards, überprüfe Fakten und bilde verschiedene Sichtweisen ab.
Koordination fehlt
Auch das Publikum beteiligte sich intensiv an der Diskussion: Vinzenz Wyss von der ZHAW warf ein, dass die Wissensvermittlung nur die halbe Miete sei, um Jugendliche zum Medienkonsum zu bewegen: «Man kann die Pferde zur Tränke führen, saufen müssen sie selbst.» Wichtig sei vor allem auch, dass sich die klassischen Medien überlegten, was auf inhaltlicher und formaler Ebene zu tun sei, um für das jüngere Publikum lebensnaher zu werden und wie sie auch in ihren Produkten direkt Medienkompetenz fördern können. Das bedeute, in der Berichterstattung selbst transparent zu machen, warum sie wie vorgingen.
Und Frank Hänecke von der Journalistenschule MAZ brachte auf den Punkt, was zuvor schon mehrfach angesprochen wurde: «Die Bestrebungen, die publizistische Medienkompetenz zu fördern, sind zu verzettelt.» Es wäre wichtig, die Ressourcen zu bündeln und die verschiedenen Projekte und Massnahmen zu koordinieren. So liessen sich Synergien schöpfen und das Kernanliegen erhalte mehr Durchsetzungskraft.
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28.02.2019 18:18 Uhr
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