Sacha Wigdorovits
Mitgründer von 20 Minuten
Ohne genaue Kenntnis der Wirtschaftlichkeitsrechnung ist es schwierig, die Einstellung der 20-Minuten-Printausgabe zu beurteilen. Sicher ist auch, dass ich es vermissen werde, in Tram und Bus Fahrgäste mit «meinem Baby» 20 Minuten in Händen zu sehen. Aber für solche Sentimentalitäten hat es im Geschäftsleben keinen Platz, schon gar nicht im hart umkämpften Mediengeschäft. Und es ist nun einmal eine Tatsache, dass das Medienkonsumverhalten heute von digitalen Angeboten mit all ihren Vorteilen geprägt ist, von der unbeschränkten Verfügbarkeit bis hin zur Attraktivität audiovisueller Inhalte. Hinzu kommt der Kostenvorteil von digitalen Medien gegenüber dem teuren Druck und Vertrieb von Printprodukten. Vor diesem Hintergrund kann ich den Entscheid nachvollziehen, die Printausgabe von 20 Minuten einzustellen.
Rolf Bollmann
Erster Geschäftsführer 20 Minuten
Es verwundert mich wirklich, dass die gedruckte 20-Minuten-Ausgabe, die immer noch über eine Million Leserinnen und Leser hat, eingestellt wird. Die Produktivität pro Mitarbeiter hat in den vergangenen 20 Jahren massiv abgenommen. Höchstwahrscheinlich hat sich das Management zu lange auf den Lorbeeren der Vergangenheit ausgeruht. Es ärgert mich, dass die gleichen Leute, die sich vor einem Jahr für die ganze Aufbauarbeit, aber auch die Erfolge, die man eigentlich Schibsted zu verdanken hat, feiern liessen, bereits ein paar Monate später die gedruckte Ausgabe wegen fehlender Rentabilität einstellen. Wie sagt Christoph Blocher immer: «Nichts ist schwerer zu ertragen als eine Reihe schöner Tage.»
Peter Röthlisberger
Ehemaliger Chefredaktor von Blick und Gründer von Blick am Abend
Als Gründer und langjähriger Chefredaktor des Konkurrenzprodukts Blick am Abend ist die Einstellung für mich ein Schock. Wenn die grösste Tageszeitung der Schweiz nicht mehr gedruckt wird, kommt das einer Zeitenwende und einem gefährlichen Verlust an Informationsvermittlung gleich. In der Printausgabe lesen die U30 als Beifang News, die sie in ihrer fremdkuratierten Newsbubble-Welt nicht mehr bekommen werden. Demokratie funktioniert aber nur mit informierten Bürgerinnen und Bürgern. Angesichts der weltpolitischen Grosswetterlage eine sehr deprimierende Entwicklung.
Patrik Müller
Chefredaktor CH Media
Die Einstellung ist eine Zäsur. Sie markiert das Ende der Gratis-Pendlerzeitungen. Als diese vor einem Vierteljahrhundert gestartet waren und bald Erfolg hatten, dachten alle, sie seien die Zukunft - und die Abozeitungen würden das Einsehen haben. Nun erweisen sich diese als resilienter als gedacht. Ich bedaure den Wegfall von 20 Minuten – und insbesondere den Verlust von so vielen Arbeitsplätzen.
Peter Hartmeier
Partner und Teilhaber von Lemongrass Communications AG, Vorsitzender des publizistischen Ausschusses von CH Media
Ich lese auf Papier nur noch Publikationen, deren Inhalte mich über mehrere Tage begleiten – ich denke an Die Zeit aus Deutschland oder den Economist aus England. Tagesnews hingegen konsumiere ich online. In diesem Sinne hatte ich die Einstellung der gedruckten Ausgabe von 20 Minuten früher oder später erwartet: Als passionierter Zugfahrer beobachtete ich ohnehin nur noch wenige Menschen, welche sich an der gedruckten 20-Minuten-Ausgabe ergötzten. Kritisch hingegen beurteile ich den Entscheid, die redaktionellen Aussenstationen einzustellen: 20 Minuten profilierte sich in den letzten Jahren als einziger nationaler Titel in allen drei Landessprachen – angefangen bei der Tessiner Ausgabe als Teil der publizistischen Schweiz. Politisch-publizistisch tut dieser Entscheid deshalb weh.
Kurt W. Zimmermann
Ehemaliger Chefredaktor Schweizer Journalist
Mit der gedruckten Ausgabe von 20 Minuten endet der einzige Weltrekord, den die Schweiz in den Medien jemals hatte. 20 Minuten war mit Abstand das erfolgreichste Gratisblatt, das es auf diesem Planeten jemals gab. Wenn man Verleger in Berlin, in London oder in New York traf, dann kannten alle 20 Minuten und alle staunten, dass so eine finanzielle Bombe aus der kleinen Schweiz möglich war. Zu seinen besten Zeiten machte 20 Minuten einen Gewinn von 40 Millionen Franken im Jahr, ein einsamer Weltrekord. Inzwischen sind es noch knapp zehn Millionen, und das Geld kommt vor allem aus der Onlinewerbung. Es macht darum keinen Sinn, die Printausgabe mit ihren hohen Druck- und Vertriebskosten im Markt zu halten. Bye-bye, du Weltrekordhalter. 20 Minuten ist der Leuchtstern, der die Schweiz in der weltweiten Pressegeschichte für immer verewigt.
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