04.11.2020

Sexuelle Belästigung

SRG leitet unabhängige Untersuchung ein

Generaldirektor Gilles Marchand hat in einem Interview Fehler im Zusammenhang mit den Affären um mögliches Mobbing und sexuelle Belästigungen bei RTS eingeräumt. Zwei beschuldigte Kaderleute wurden bereits suspendiert.
Sexuelle Belästigung: SRG leitet unabhängige Untersuchung ein
«Wir haben nicht nichts gemacht, aber wir haben sicher nicht genug gemacht», so SRG-Generaldirektor Gilles Marchand. (Bild: Keystone/Salvatore Di Nolfi)

Der Verwaltungsrat der SRG leitet eine unabhängige Untersuchung ein, um die Verantwortungskette für die kürzlich in den Medien aufgedeckten Fälle sexueller Belästigung beim Westschweizer Radio und Fernsehen RTS zu ermitteln. Ausserdem erteilte er ein Mandat, das System zur Meldung von Belästigungsfällen zu verbessern. Zwei beschuldigte Kaderleute wurden bereits suspendiert.

Die RTS-Direktion hatte diese «konkreten und sofortigen Massnahmen» ergriffen, nachdem sie am Montag eine Vertretung des Schweizer Syndikats Medienschaffender (SSM) getroffen hatte, die sofortige Massnahmen gegen sexuelle Belästigung und Mobbing forderte.

Die RTS-Direktion schrieb an die Mitarbeitenden, dass sie sich bewusst sei, dass zahlreiche Personen nicht angehört worden seien und sie dies zutiefst bedauere. «Wir denken an die Opfer.»

VR verurteilt «aufs Schärfste»

Der Verwaltungsrat handle in Absprache mit dem Direktor von RTS und dem Generaldirektor der SRG, heisst es in einer Mitteilung der SRG vom Mittwochabend. Die SRG verurteile Belästigungen «aufs Schärfste» und bedauere, dass Mitarbeitende des Unternehmens einem solchen Verhalten ausgesetzt gewesen seien.

Die beschlossene unabhängige Untersuchung ziele darauf ab, die bestehenden Instrumente, die den Mitarbeitenden in allen Unternehmenseinheiten der SRG für solche Fälle zur Verfügung stehen, zu analysieren und zu verbessern.

Die SRG verfügt nach eigenen Angaben über drei solche Möglichkeiten: eine von der Internen Revision verwaltete Whistleblowing-Plattform, die direkt beim Verwaltungsrat angesiedelt ist; die externe Firma Movis, die von der SRG mit der Entgegennahme von Beschwerden beauftragt ist sowie zusätzliche Mechanismen in jeder Region wie zum Beispiel zusammen mit dem Sozialpartner organisierte Mediationsgruppen.

Die Ergebnisse dieser Untersuchung werden dem Sozialpartner mitgeteilt, wie die SRG weiter schreibt. Auch gegenüber den Mitarbeitenden und der Öffentlichkeit ist eine Information vorgesehen.

Der SRG-Verwaltungsrat genehmigte auch die Massnahmen, die die RTS-Geschäftsleitung im Auftrag des Generaldirektors eingeleitet hatte und die die Transparenz in Fällen von Belästigungen verbessern sollen.

Vorwurf: Konsequent weggeschaut

Die Westschweizer Tageszeitung Le Temps hatte am Samstag unter Berufung auf anonyme Quellen enthüllt, dass es innerhalb von RTS während Jahren zu Mobbing und zu sexueller Belästigung gekommen sei. Angeschuldigt wurden drei Mitarbeiter, darunter der ehemalige Star-Fernsehmoderator Darius Rochebin. Die Direktion und die Personalverantwortlichen von RTS hätten konsequent weggeschaut (persoenlich.com berichtete).

Der Generaldirektor der SRG, Gilles Marchand, nahm am Mittwoch in einem Interview von Le Temps Stellung zu den Vorfällen. «Wir haben Fehler gemacht», sagte er in dem Zeitungsinterview. Marchand räumte ein, dass eine frühere Untersuchung betreffend eine der beschuldigten Kaderpersonen nicht vollständig gewesen sei.

Auf die Frage, ob RTS die grösste Krise seit ihrem Bestehen durchlaufe, sagte Marchand: «Das ist eine schwere Krise, sicherlich. Ich unterschätze sie absolut nicht. Man muss schnell korrigieren, was nötig ist.» Auf die Frage, ob er von einem der Fälle gewusst habe, als er 2014 noch RTS-Direktor gewesen sei und wenn ja, weshalb er damals nichts unternommen habe, sagte Marchand: «Wir haben nicht nichts gemacht, aber wir haben sicher nicht genug gemacht.» (sda/cbe)



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Kommentare

  • Victor Brunner, 04.11.2020 13:02 Uhr
    Plötzlich rasche Aufklärung? Die Vorwürfe waren Gilles Marchand längsten bekannt und er hat nichts unternommen. Die Aufklärung sollten Unabhängige machen, Marchand ist die falsche Person!
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