Das Gericht folgte mit der Berechnung des Betrags zu grossen Teilen der Klägerin. Deren Anwältin machte einen Gewinn von 431'000 Franken plus Zinsen geltend, den Blick mit vier persönlichkeitsverletzenden Artikeln erzielt habe.
Neben der Gewinnherausgabe muss das Medienhaus Ringier der ehemaligen Zuger Kantonsrätin eine Entschädigung von 112'495 Franken zahlen.
Ringier weist in einer Reaktion auf das Urteil darauf hin, dass die Höhe des zugesprochenen Gewinnherausgabeanspruchs in keinem Verhältnis zum effektiv erzielten Gewinn stehe. Man habe die entsprechenden Zahlen dem Gericht im Detail offengelegt und mit einem Gutachten von PwC belegt. Dieses bezifferte den aus den vier Artikeln erzielten Gewinn auf rund 5000 Franken.
Ringier werde das Urteil beim Obergericht des Kantons Zug anfechten, so der Verlag weiter.
Ringier-Schweiz-Chefin kritisiert Urteil
In einer Stellungnahme nennt Ladina Heimgartner, CEO von Ringier Medien Schweiz, das Urteil einen fatalen «Schlag für den freien Journalismus», der die Medienfreiheit gefährde. «Journalistinnen und Journalisten werden unter diesen Vorzeichen das ‹Risiko› einer personenbezogenen Berichterstattung kaum mehr eingehen wollen», schreibt Heimgartner. Eine Haltung, die sie mit dem Verlegerverband Schweizer Medien VSM teilt, der auch den Investigativjournalismus in Folge des Urteils unter Druck sieht.
Gleichzeitig anerkennt Heimgartner die Verfehlungen, die der Blick – vor ihrer Zeit als Ringier-Chefin – im Umgang mit Jolanda Spiess-Hegglin gemacht hatte. Die Berichterstattung in den Jahren ab 2014 zähle «nicht zu den publizistischen Sternstunden dieses Landes und des Blicks» und sei «Ausdruck eines harten Boulevardstils, den Blick längst nicht mehr praktiziert, und das ist gut so.»
Forderung sei «verjährt», Gewinnberechnung «realitätsfremd»
In der Verhandlung vor dem Kantonsgericht Ende Oktober 2024 argumentierte der Ringier-Anwalt mit «formellen» und «inhaltlichen» Gründen. Die Forderung sei «verjährt», die Gewinnberechnungen «realitätsfremd».
Jolanda Spiess-Hegglin und das Medienhaus sahen sich nicht zum ersten Mal vor Gericht. 2022 stellte das Zuger Kantonsgericht fest, dass der Blick mit vier Artikeln die Persönlichkeit von Spiess-Hegglin verletzt habe. Ringier müsse den erzielten Gewinn herausgeben.
Zum Verfahren vor dem Zuger Kantonsgericht kam es durch die
Berichterstattung des Blick über die Zuger Landammannfeier von 2014. Spiess-Hegglin nahm am Anlass teil, wo es zu einem intimen Kontakt kam.
«Nachvollziehbar und überzeugend»
Im nun am Montag publizierten, 57 Seiten umfassenden Urteil, das der Nachrichtenagentur Keystone-SDA vorliegt, wird der Klägerin attestiert, ihre angewendeten Kriterien und Überlegungen bei den Gewinnberechnungen seien «grundsätzlich nachvollziehbar» und «überzeugend». Die Gewichtung der Klägerin sei «jedoch um mehrere Rechnungsfehler zu korrigieren».
Das Gericht hält im Urteil weiter fest, es sei ausgeschlossen, auf den Franken genau zu eruieren, welche Personal- und Redaktionskosten mit der Publikation der einzelnen vier Artikel angefallen seien. Das sei aufgrund der vorliegenden Datenlage «unmöglich».
Gerichte seien «sehr zuverlässige Faktenchecker»
In einer Stellungnahme sagte Spiess-Hegglin der Nachrichtenagentur Keystone-SDA, sie sei sehr glücklich, dass das Gericht der Argumentation und den Herleitungen ihrer Gutachter gefolgt sei. «Es stellt sich heraus, dass in einer Auseinandersetzung mit der Medienbranche die Schweizer Gerichte die einzigen, aber sehr zuverlässigen Faktenchecker sind», sagte Spiess-Hegglin. (sda/nil)
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27.01.2025 10:59 Uhr