Der Q-Club «Die Mediengesetz-Vorlage – und der Branchenstreit zur Medienförderung» sollte einen Überblick über die Positionen und Argumente rund um das neue Mediengesetz verschaffen. Der Anlass vom Montagabend war gut besucht. Rund 50 Journalisten, Verleger und Medieninteressierte folgten der Einladung des Vereins Qualität im Journalismus ins Tamedia-Gebäude in Zürich.
Über Sinn und Unsinn der Mediengesetz-Vorlage diskutierten Peter Wanner (Verleger der AZ Medien), Claudia Blumer (Inlandredaktorin vom «Tages-Anzeiger»), Manuel Puppis (Professor für Mediensysteme an der Universität Freiburg) sowie Walter Bachmann (Generalsekretär der SRG). Moderiert wurde die QuaJou-Podiumsdiskussion vom Medienjournalisten Philipp Cueni, einem Kenner der Materie. Die Meinungen zu drei wichtigen Diskussionspunkten.
1. Braucht es das neue Gesetz überhaupt?
Claudia Blumer stellte bereits zu Beginn fest, dass der Bundesrat und das Parlament in der Mediendebatte «etwas orientierungslos wirkten». Niemand sei wirklich zufrieden mit dem Gesetzesentwurf, von rechts bis links gebe es Kritik. Klare Worte fand Peter Wanner: Seiner Ansicht nach ist das neue Gesetz nicht nötig und muss zurückgewiesen werden. «Kleinere Anpassungen hätte man im RTVG unterjubeln können», sagte er.
Weiter kritisierte der AZ-Verleger, dass Social Media im Gesetzesentwurf nicht einmal erwähnt werde und bemerkte: «In welchem Zeitalter leben wir?» Doris Leuthard sage ja selbst: In fünf Jahren sei sowieso alles anders. So lange würde es mindestens dauern, bis das neue Mediengesetz in Kraft trete. Das bestätigte auch Bernhard Maissen, Vizedirektor des Bakom, der unter den Gästen war. Für ihn sei das aber kein Grund, den Gesetzesentwurf über den Haufen zu werfen.
Wanner beanstandete zudem, dass das Mediengesetz die bestehenden SRG-Privilegien ausbauen würde. Ziel des Gesetzes sei es, der SRG den Zugang zum Online-Bereich und somit zu Web-only zu ermöglichen. Das gehe zu Lasten der privaten Anbieter: «Die Privaten werden gepiesackt», stellte er fest.
— persoenlich.com (@persoenlichcom) 17. September 2018
Peter Wanner, @claudia_blumer, @ManuelPuppis und Walter Bachmann diskutieren den Entwurf des neuen Mediengesetzes pic.twitter.com/wFL6K0CFrh
Nicht ganz so vernichtend war das Urteil von Manuel Puppis. Der Medienprofessor nannte das Gesetz «einen halben Schritt» in die richtige Richtung. Er erachte es als notwendig, dass das veraltete RTVG in eine digitale Zukunft übertragen werde. Für ihn sei auch die unabhängige Regulierungsbehörde, die Komem, ein positiver Aspekt.
Zudem sei der SRG-Auftrag nun klarer definiert, was «höchste Zeit» gewesen sei. Schliesslich warf er eine kritische Frage in die Runde: «Für wen machen wir ein Mediengesetz? Um die Partikularinteressen zu schützen oder für die Demokratie?» Puppis kritisierte am Gesetzesentwurf, dass die Finanzierung der Medienforschung nicht mehr vorgesehen sei, das Gesetz eine Deregulierung des Radios begünstige und reine Textangebote nicht gefördert würden.
Klare Worte zum Gesetzesentwurf fand auch Medienpionier Roger Schawinski, der sich unter den Zuhörern befand und für seinen Vorschlag von einem neuen Verteilschlüssel für die Haushaltabgabe (persoenlich.com berichtete) warb: «Entweder machen wir etwas Richtiges, Kreatives, Modernes, oder wir lassen es bleiben.»
2. Online-Förderung für reine Textangebote
Puppis zufolge ist es nicht sinnvoll, dass Onlinejournalismus mit dem Bundesgesetz über elektronische Medien (BGeM) nicht gefördert werden kann: «Das ist realitätsfremd», meinte er. Er machte sich dafür stark, die direkte Förderung auf die textbasierten Onlineangebote auszuweiten. Diese Meinung teilte auch Wanner. Wenn Web-only für die SRG ermöglicht werde, dann sei es unverständlich, warum nicht auch die privaten Onlineangebote gefördert werden könnten. Puppis gab aber zu bedenken: Wer Geld bekomme, müsse auch einen Leistungsauftrag erfüllen. Ein Votum, dem Wanner widersprach.
3. Die Printmedien stecken in der Krise
Mit Nachdruck warnte Wanner: «Die Zeitungskrise ist massiv und so dramatisch, jetzt muss man über die Bücher.» Die Printmedien müssten gefördert werden, wenn sie die nächsten 15 Jahre überleben wollten. Eine Erhöhung der indirekten Presseförderung um 90 Millionen Franken sei nötig. «Wo das Geld schliesslich herkommt, ist weniger zentral», fand er. Die Rücksichtnahme auf die Printmedien sei gesetzlich postuliert. Allenfalls müsse man halt einen «juristischen Klimmzug» machen.
Der AZ-Verleger plädierte wiederum für ein Voucher-System, das in den groben Zügen dem Vorschlag von Schawinski entspricht: 60 Prozent der Gebühren stünden der SRG zu, die restlichen 40 Prozent gingen an die Privaten. Dabei sei das Ziel, dass demokratierelevante Medien unterstützt würden. Wanner zufolge ist das Voucher-System eine Form der indirekten Medienförderung, denn «nicht der Staat, sondern die Bürger entscheiden über die Geldvergabe».
Dem widersprach Puppis: Das Voucher-System sei laut der international gängigen wissenschaftlichen Definition klar direkte Förderung. Er selber befürworte die direkte Presseförderung, nicht zuletzt aufgrund der ökonomischen Realität: Der Werbemarkt im Print gehe wegen Google und Facebook zurück. «Das müssen wir akzeptieren», meinte der Medienprofessor. Es sei schwierig, die Leser wieder dazu zu bringen, für Online-Inhalte zu bezahlen.
Auch für Walter Bachmann wäre es sinnvoll, die Förderung auf die geschriebenen Medien auszuweiten. «Das ist unumgänglich, um die Medienvielfalt in der Schweiz zu bewahren», so Bachmann. Weiter teilte er die Meinung von Wanner, dass das neue Gesetz die Stellung der heute geförderten regionalen Veranstalter tatsächlich schwäche. Gleichzeitig übte er aber auch Kritik: In den neuen Gesetzesentwurf seien zulasten der SRG eine stattliche Reihe von Auflagen aufgenommen worden, die seitens der Verleger verlangt wurden. «Das Bakom hat hier zu fest auf die Verleger gehört», fand er.