23.01.2022

Parlamentarier-Umfrage

Wie Branchenkenner zum Medienpaket stehen

Aus welchen Gründen sind jene Nationalrätinnen und Nationalräte, die in der Medien- und Kommunikationsbranche arbeiten, für respektive gegen die Vorlage? persoenlich.com hat bei Roger Köppel, Min Li Marti, Marianne Binder-Keller, Esther Friedli und Jon Pult nachgefragt.
Parlamentarier-Umfrage: Wie Branchenkenner zum Medienpaket stehen
Äussern sich zum Medienpaket (oben v.l.): Roger Köppel (SVP), Marianne Binder-Keller (Mitte), Jon Pult (SP), (unten v.l.) Esther Friedli (SVP), Min Li Marti (SP). (Bilder: Keystone, Pixabay, zVg.)
von Tim Frei

Der Abstimmungskampf zum Mediengesetz geht in die heisse Phase. Mittlerweile zeigt sich: Vor allem auf das Ja-Lager wartet bis zum Abstimmungstermin vom 13. Februar noch viel Überzeugungsarbeit. Dies legt die jüngste Umfrage von Tamedia und 20 Minuten nahe mit einer Mehrheit von 57 Prozent der Personen, die Anfang der vergangenen Woche sicher oder eher mit Nein gestimmt hätte. Lediglich 39 Prozent der Teilnehmenden hätten ein Ja eingelegt. 

Für die noch unentschlossenen Bürgerinnen und Bürger dürfte nicht zuletzt das Abstimmungsverhalten der Politik eine Rolle spielen. Vor etwas mehr als zwei Wochen präsentierte persoenlich.com deshalb eine Übersicht, wie die 246 Parlamentarier aus Bundesbern bei dieser Vorlage stimmen werden. 

Einige Nationalrätinnen und Nationalräte sind nebst ihrer politischen Tätigkeit auch in der Medien-, Kommunikationsbranche tätig. Im Ja-Lager sind dies: Marianne Binder-Keller, Christian Lohr, Lorenz Hess (alle Die Mitte), Doris Fiala (FDP), Min Li Marti, Jon Pult (beide SP) und Léonore Porchet (Grüne). Binder-Keller ist Kommunikationsberaterin und Publizistin, Fiala betreibt die Firma Fiala Risiko- und Chancenmanagement – Öffentlichkeitsarbeit, Lohr ist freischaffender Journalist und Publizist, Hess betreibt mit Hess Advisum eine PR-Beratungsfirma, Marti ist Verlegerin und Chefredaktorin der Wochenzeitung P.S., Pult arbeitet als Strategie- und Kommunikationsberater für die Marketing- und Kommunikationsagentur Feinheit und Léonore Porchet ist Kommunikationsspezialistin.



Auf der Nein-Seite stehen gemäss Recherche* von persoenlich.com folgende Nationalrätinnen und Nationalräte: Esther Friedli, Roger Köppel (beide SVP), Lorenzo Quadri (Lega), Philipp Kutter (Mitte) und Judith Bellaiche (GLP). Friedli bietet mit ihrem Unternehmen Polestica Beratung in politischer Kommunikation an, Köppel ist Verleger und Chefredaktor der Weltwoche.

Bellaiche, die bei der Schlussabstimmung im Nationalrat im vergangenen Juni Nein zur Vorlage gestimmt hat, wollte sich auf Anfrage von persoenlich.com nicht zum Medienpaket äussern: «Die Abstimmung um die Stempelsteuer ist eigentlich mein Schwerpunkt. Die Swico hat zum Mediengesetz keine Parole gefasst, weshalb ich als Geschäftsführerin nicht Stellung nehmen kann.»



Der ehemalige Journalist Philipp Kutter betreibt mit seiner Frau Anja die Kommunikations- und Marketingagentur Kutter Kommunikation. Kutter erklärte seine ablehnende Haltung zum Medienpaket in einem persoenlich.com-Interview so: 
«Mit dem Medienpaket erhalten Verlage erstmals direkt Geld vom Staat. Für mich war sofort klar – das geht nicht.»

Wir haben nun bei weiteren Bundesparlamentariern aus der Medien- und Kommunikationsbranche Bundesbern nachgefragt, weshalb sie für respektive gegen das Mediengesetz sind:

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Min Li Marti (SP), Verlegerin/Chefredaktorin P.S.

«Die Medien sind unter Druck: Werbeeinnahmen sind eingebrochen und haben sich ins Internet verlagert, Konsumgewohnheiten geändert. Die Folgen: Abbau von Qualität, Zusammenlegen von Titeln, Zeitungssterben. Für die Demokratie ist diese Entwicklung problematisch. Wir stimmen jedes Jahr bis zu vier Mal über komplexe Vorlagen ab, in der Gemeinde, im Kanton und im Bund. Dazu muss man sich eine Meinung bilden können. Das geht nur mit fundierter Berichterstattung. Studien aus den USA zeigen: Der Niedergang der Lokalmedien führt zu geringerer Beteiligung an lokaler Demokratie. Für die lokale Presse hierzulande ist das Medienpaket überlebenswichtig. Und es ermöglicht den Strukturwandel, weil neu auch Onlinemedien gefördert werden und nicht wie heute nur gedruckte Presse und Radio und TV. Deshalb sage ich Ja zum Medienpaket.»



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Roger Köppel (SVP), Verleger/Chefredaktor Weltwoche

«Ich bin gegen diese Vorlage als Unternehmer und Chefredaktor, der jede Woche, jeden Tag im Markt seine eigene Überflüssigkeit durch Leistungen überwinden muss, für die unsere Leser und Zuschauer freiwillig bereit sind, Geld zu zahlen. Zeitungen, Medien und Fernsehsendungen müssen sich am Markt bewähren, das heisst: Geld verdienen. Man rennt doch nicht zum Staat, weil man sonst pleitegehen würde. Das sind dekadente Vorstellungen. Ich beobachte mit grosser Sorge, wie sich der Staat in der Schweiz immer mehr ausbreitet und jetzt auch noch die Medien mit Steuergeld an sich binden will. Dass es Journalisten gibt, die jetzt erzählen und schreiben, dass staatliche Subventionen die Unabhängigkeit der Medien sichern gegenüber dem Staat, der sie bezahlt, zeugt von einem Verlust an Wirklichkeitssinn. Leider sind viele Journalisten derart ideologisch links und staatsgläubig, dass sie die Bedeutung des Wortes Unabhängigkeit offenbar nicht mehr verstehen. Unternehmerische Unabhängigkeit bedeutet, dass man sein Geld im freien Wettbewerb am Markt verdient und profitabel geschäftet. Ich bin zuversichtlich, dass die Vorlage bachab geht. Nach der Causa Ringier dürfte der Hinterste und Letzte gemerkt haben, dass Verlage, die für diese Vorlage eintreten, viel zu eng mit dem Staat verbandelt sind.»



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Marianne Binder-Keller (Mitte), Kommunikationsberaterin/Publizistin

«Ich unterstütze dieses Gesetz aus staatspolitischen Erwägungen und sehe es auch als Investition in einen attraktiven Medienunternehmensstandort. Die Medienvielfalt stärkt eine Demokratie und bildet in der Schweiz mit ihren direkt-demokratischen Prozessen einen unverzichtbaren Wert. Als Vertreterin des politischen Zentrums bin ich angewiesen auf eine Berichterstattung, die das Konkordanzsystem würdigt, die politischen Kräfte im Sinne des guten Zusammenspiels abbildet, der Polarisierung entgegenwirkt und der sachlichen Kommunikation ihren Stellenwert einräumt. Eine bessere Ressourcierung, so meine Erwartung, fördert die seriöse Recherche und unterstützt, weil die Informationsbeschaffung zunehmend digital und in den sozialen Medien stattfindet, die pragmatische Debatte in diesen Räumen. Zudem decken im bevölkerungsstarken Kanton Aargau, dem Kanton der Regionen, verschiedenste kleine Verlagshäuser eine lokale Berichterstattung ab, die zu den überregionalen Medien Ergänzung und auch Konkurrenz bilden.»



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Jon Pult (SP), Strategie- und Kommunikationsberater Feinheit

«Als Kommunikationsberater und Beobachter des Medienmarktes weiss ich, dass unsere Schweizer Medien insgesamt in einer wirtschaftlichen Strukturkrise stecken. Darum müssen wir sie stärker unterstützen. Denn Journalismus kann man nicht einfach wie andere Tätigkeiten in Billiglohnländer verschieben. Zumal die weggefallenen Werbeeinnahmen für Schweizer Medien nicht zurückzuholen sind. Dafür sind die internationalen Tech-Giganten schlicht zu marktmächtig. Insofern ist das Medienpaket eine demokratiepolitische Notwendigkeit. Nicht umsonst nennt man die Medien auch ‹Vierte Staatsgewalt›. Für ein viersprachiges, föderalistisches und direktdemokratisches Land wie die Schweiz ist ihre Bedeutung umso grösser. Unabhängige Medien – gerade auch in den Regionen – sind für unsere Demokratie systemrelevant.»



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Esther Friedli (SVP), Geschäftsführerin Polestica

«In meiner Funktion als Geschäftsführerin der Polestica bin ich politisch an der Front nicht tätig und nehme in dieser Funktion zu politischen Themen keine Stellungnahme. Die Polestica berät verschiedene politische Akteure und unterstützt diese in ihrer politischen Arbeit. Gerne nehme ich jedoch als Politikerin zum Medienpaket Stellung: Das Massnahmenpaket ist staatspolitisch ein Dammbruch, weil neu Medien direkt mit Steuergeldern unterstützt werden. Dies gibt Abhängigkeiten. Zudem kommen die Erhöhungen der Verbilligung der Postzustellung primär den grossen Verlagen zugute. Unhaltbar an der Vorlage ist zudem die Tatsache, dass nur Geschäftsmodelle unterstützt werden, die sich mit Abonnenten oder Spendern finanzieren. Dies verhindert Innovation, zementiert die heutige Medienlandschaft und wirkt wettbewerbsverzerrend.»


Für die Recherche wurden das Adressverzeichnis auf parlament.ch, LinkedIn-Profile und Webauftritte der Politiker berücksichtigt. Es wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben, da auf parlament.ch nicht bei allen Politikern Angaben zum Beruf aufgeführt sind.

Lorenzo Quadri (Lega) war es nicht möglich, die schriftliche Anfrage innert Frist zu beantworten.



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