11.01.2022

Medienpaket

Wie die 246 Parlamentarier zur Vorlage stehen

Wer aus dem National- und Ständerat ist für das Medienpaket? Wer ist dagegen? Und bei wem ist es noch offen? persoenlich.com zeigt die Übersicht – inklusive Statements von Politikern, die entweder anders als die Fraktionsmehrheit oder anders als die Parteiparole stimmen.
Medienpaket: Wie die 246 Parlamentarier zur Vorlage stehen
Unter anderem in Sachen indirekter Presseförderung herrscht bei den Bundesparlamentarierinnen und Bundesparlamentariern Uneinigkeit. (Bild: Keystone/Christian Beutler)
von Tim Frei

Die Abstimmung über das Medienpaket vom 13. Februar dürfte voraussichtlich sehr eng ausfallen. Diesen Schluss legen die ersten Umfragen der SRG und des Medienhauses Tamedia nahe. Gemäss der GFS-Umfrage im Auftrag der SRG sind je 48 Prozent für sowie gegen die Vorlage, die Tamedia-Erhebung kommt dagegen auf eine Nein-Mehrheit von 51 Prozent und einen Ja-Anteil von 42 Prozent (persoenlich.com berichtete).

Mehrheiten für das Medienpaket sehen beide Umfragen bei der Anhängerschaft von SP, Grünen und GLP. Die Anhängerinnen und Anhänger der FDP und der SVP hätten das Medienpaket dagegen mehrheitlich abgelehnt. Doch auch die Haltung der aktiven National- und Ständeräte darf nicht unterschätzt werden, ist deren Haltung doch oft meinungsbildend in breiten Kreisen der Bevölkerung. persoenlich.com hat daher analysiert, wie die 246 Bundesparlamentarierinnen und -parlamentarier Mitte Februar abstimmen werden.

Komitees, Abstimmungsprotokolle, Anfragen

Deren Stimmverhalten wurde zum einen so erhoben: Jene aktiven Parlamentarier, die im Ja- oder Nein-Komitee vertreten sind, wurden dementsprechend eingestuft. 112 figurieren im Ja-Komitee «Die Meinungsfreiheit», 66 im Parlamentarier-Komitee «Nein zum Massnahmenpaket zugunsten der Medien».

Zum anderen wurde die Haltung der restlichen 68 National- und Ständeräte über die Generalsekretariate beziehungsweise Medienstellen oder direkt angefragt. Bei solchen Anfragen werde üblicherweise auf das öffentlich einsehbare Protokoll zur Schlussabstimmung im National- und Ständerat verwiesen, hiess es von einigen Parteivertretern und Parlamentariern. Genau dies hat persoenlich.com bei jenen Politikern getan, die innert Frist nicht antworteten (in den folgenden Tabellen als «Bezug auf Schlussabstimmung» deklariert). Jene Parlamentarier, die reagierten, wurden entweder als «bestätigt» aufgeführt (wenn sie angaben, wie sie am 13. Februar abstimmen werden) oder als «Verweis auf Schlussabstimmung» (wenn sie dementsprechend geantwortet haben).



Der Berner Ständerat Werner Salzmann hatte sich bei der Schlussabstimmung zum Medienpaket noch enthalten. Nun wird er aber Nein stimmen, wie er gegenüber persoenlich.com sagt. Salzmann legt allerdings Wert darauf, dass sein Stimmverhalten «nicht ohne Erklärung offen gelegt wird». Auch wenn er heute dagegen sei, sagt er: «Ich habe mich aber in der Kommission dafür eingesetzt, dass Lokalradios und Lokalfernsehen und Verbandszeitschriften unterstützt werden.»

Er sei jedoch klar gegen die Unterstützung der «bezahlten Onlinemedien», weil das so nicht verfassungskonform sei. «Was nun auf dem Tisch liegt, kann ich in der Gesamtform daher nicht mehr unterstützen», betont Salzmann. Er sei aber keinem Komitee beigetreten, weil es Bereiche gibt – Unterstützung Verbandszeitungen und Lokalsender –, die er unterstütze.



In der Schlussabstimmung stimmte die FDP-Nationalrätin Daniela Schneeberger für das Medienpaket (siehe untere Tabelle). Doch nun sagt sie gegenüber persoenlich.com: «Für mich war das im Parlament eine schwierige Frage, dies auch aufgrund unserer lokalen Zeitungen: Einerseits sind die Medien sehr stark gefordert aufgrund der Digitalisierung und wegen des Abwanderns der traditionellen Werbung ins Internet. Andererseits sträubt sich bei mir mein liberales Gewissen gegen eine staatliche Medienförderung. Ich habe mich noch nicht definitiv entschlossen.»

Die Nationalrätin (Basel-Landschaft) betont: «Ich fühle mich einfach unwohl damit, dass der Staat die privaten Medien subventioniert. Das ist für mich eine grundsätzliche Frage. Gleichzeitig sorge ich mich auch, dass durch das Wegbrechen der Werbung die kommerziellen Verlage die Versorgung mit guter Information nicht mehr so gewährleisten können, wie ich es mir in unserer Demokratie wünsche.»


Keine wesentliche Veränderung zur Schlussabstimmung

Gemäss Recherche besteht mit 145 von 246 Stimmen eine Ja-Mehrheit von 59 Prozent in der vereinigten Bundesversammlung (siehe Infografik unten). Das Nein-Lager erreicht mit 90 Stimmen einen Wert von 37 Prozent. Zum Vergleich: Bei der Schlussabstimmung im Juni 2021 war das Verhältnis von Ja- zu Nein-Stimmen mit 143:85 respektive 58 zu 35 Prozent praktisch identisch – Veränderungen in den Räten von damals zu heute hatten also keinen wesentlichen Einfluss. 



Zudem zeigte sich, dass Meinungswechsel von Ja zu Nein oder umgekehrt in der Tat äusserst unrealistisch sind.

«Ziele privater Investoren sind auch nicht immer erkennbar»

Wenn man auf das Stimmverhalten in den Bundeshaus-Fraktionen schaut, ergeben sich auf den ersten Blick keine Überraschungen. Die SP-Fraktion wie auch die Grüne-Fraktion stehen geschlossen hinter dem Medienpaket – das deckt sich mit den Ja-Abstimmungsempfehlungen der beiden Parteien (im Fall der Grünen unter Vorbehalt des Beschlusses der Delegiertenversammlung vom 15. Januar 2022). In der Fraktion der SVP, welche die Nein-Parole beschlossen hat, hat sich nur der Schwyzer SVP-Ständerat Alex Kuprecht (auf Anfrage) für die Annahme bekannt.



«Ich bin der Auffassung, dass vor allem regionale Teile von Zeitungen für unsere Bevölkerung sehr wichtig sind», sagt Kuprecht gegenüber persoenlich.com. Er lese zum Beispiel am Morgen immer zuerst die Regionalzeitung und erst danach eine der grossen Zeitungen. Gerade Regionalzeitungen in seiner Region hätten noch private Verleger im Hintergrund. Die Gefahr drohe, dass sie die über Jahrzehnte geprägten Zeitungen infolge rückgängiger Inserate und dem Wandel hin zu Onlinemedien ihren Betrieb einstellen oder dann verkauft werden müssten. «Das wäre ausserordentlich schade und hätte für den regionalen Sport oder die regionale Kultur wie auch für regionalpolitische Themen ausserordentlich grosse Auswirkungen. Das möchte ich nicht.
 Dafür werde ich stimmen», betont Kuprecht.

Eines der Hauptargumente des Nein-Lagers lautet, die direkte Onlineförderung führe zu einer Abhängigkeit vom Staat. Dazu Kuprecht: «Dem steht eine Abhängigkeit privater Investoren gegenüber. Deren Ziele sind auch nicht immer erkennbar.»

«Paradigmenwechsel ist grundsätzlich falsch»

Bei der Mitte-Fraktion herrscht derweil eine Ja-Mehrheit mit 36 von 45 Stimmen. Sechs Mitte-Politiker sind gegen das Medienpaket, darunter nicht nur Parteichef Gerhard Pfister, sondern auch der St. Galler Ständerat Benedikt Würth. Auf Anfrage von persoenlich.com begründet Würth seine Haltung einerseits so: «Mit der neuen direkten, umsatzabhängigen Mediensubvention will man einen Paradigmenwechsel einleiten, der grundsätzlich falsch ist. Dadurch werden die Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit der Medien geschmälert.»

Und andererseits: «Es stört mich, dass nicht nur kleine Verlage, sondern auch grosse Medienhäuser wegen des Wegfalls der Auflagenobergrenze von 40'000 neu finanzielle Unterstützung in Form der indirekten Presseförderung erhalten.»

Ausserdem sei gerade auch unter demokratiepolitischen Gesichtspunkten nicht einzusehen, wieso Online-Angebote ohne Bezahlschranke von der Förderung ausgenommen würden. «Das ist klar wettbewerbsverzerrend und schwächt insbesondere neue und regionale Anbieter», betont Würth.

«Regionalpresse ist ohne das Paket akut gefährdet»

Während die Mitte ihre Parole noch nicht gefasst hat, hat die FDP die Nein-Parole beschlossen. Mit 22 Nein- und 14 Ja-Stimmen zeigt sich in der FDP-Parlamentsfraktion jedoch ein heterogenes Bild. Zu den Politikern, die mit der Fraktionsminderheit stimmen werden, gehört der Solothurner Nationalrat Kurt Fluri: «Ich unterstütze die Vorlage, weil sie der Erhaltung der Regionalpresse und der regionalen, privaten Radiostationen dient. Die heutige ungenügende Zustellungsverbilligung wird ergänzt durch die viel wichtigere Frühzustellungsverbilligung», sagt er auf Anfrage. Ferner würde er die verstärkte Unterstützung der Vereinspresse befürworten.  

Fluri ist überzeugt: «Vor allem die Regionalpresse ist ohne dieses Paket akut gefährdet.» Auch die Befristung der Unterstützung finde er sinnvoll, da die Weiterentwicklung der Medienlandschaft im Moment nicht langfristig beurteilt werden könne. «Ohne diese Vorlage bliebe es unbefristet bei der heutigen alleinigen Postzustellungsverbilligung, was ohne Unterstützung der Frühzustellung nicht befriedigt», so Fluri weiter.

«Der Technologiewandel würde verzögert»

Die GLP-Fraktion ist mit klarer Mehrheit für das Mediengesetz: Zwölf Parlamentarier sind dafür, vier dagegen. Zudem beantrage der nationale Vorstand der Partei zuhanden der Delegiertenversammlung (DV) vom 22. Januar 2022 die Ja-Parole zur Vorlage, wie Ahmet Kut, Co-Generalsekretär der GLP Schweiz, sagt. Die DV würde schliesslich die Parteiposition festlegen.

Parteichef Jürg Grossen gehört zu jenen GLP-Parlamentariern, die gegen das Medienpaket sind. Auf Anfrage sagt er: «Die Grünliberale Fraktion ist der Meinung, dass das Bedrucken und Verteilen von Papier nicht zusätzlich gefördert werden sollte, weil damit der Technologiewandel verzögert wird. Wir sind uns aber auch einig, dass neu Online-Medienangebote gefördert werden sollten und dass, wenn Papier zusätzlich gefördert wird, zumindest eine möglichst kurze Befristung nötig ist.» Es sei der GLP in der Beratung gelungen, die Frist von zehn auf sieben Jahre zu verkürzen.

Die Mehrheit der Fraktionsmitglieder und des nationalen Vorstandes sei der Ansicht, dass die Vorteile ausreichen würden, «um mit wenig Begeisterung» Ja zu stimmen. Grossen betont: «Die Minderheit, zu der auch ich gehöre, ist der Meinung, dass die Nachteile leicht überwiegen und stimmt ebenso mit wenig Begeisterung Nein, auch weil sie die Argumente des Gegner-Komitees weitgehend nicht teilen.»



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Kommentare

  • Maja Ziegler, 12.01.2022 16:27 Uhr
    Das NEIN ist die Qualifikation zur Wiederwahl 2023. Wahrhaftig ist, wer auf käufliche und bestechliche Medien verzichtet.
  • René Lüchinger, 12.01.2022 11:01 Uhr
    Gute Recherche zum Thema Kompliment
Kommentarfunktion wurde geschlossen

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