26.05.2010

"Wir sind ein Segen für die Schweiz"

Kaum eine Woche vergeht, ohne dass er für politischen Zündstoff und rote Köpfe sorgt: Roger Köppel, 46, ist eine der umstrittensten Figuren der Schweizer Öffentlichkeit. Viele halten den Verleger und Chefredaktor der "Weltwoche" für unverschämt provokativ, aber enorm eloquent. Zuletzt heizte er die Debatten über das Minarettverbot, die UBS und den neuen SRG-Generaldirektor an. Mit "persoenlich.com" sprach er über seine Auffassung von Journalismus und seine Zeitung, die er für unverzichtbar hält. Zum Interview:
"Wir sind ein Segen für die Schweiz"

Herr Köppel, in der letzten Wemf wurden für die "Weltwoche" verringerte Leserzahlen ausgewiesen. Wie zufrieden sind Sie mit dem Geschäftsgang ihrer Zeitung?

Grundsätzlich bin ich mit dem Gang der Geschäfte der "Weltwoche" sehr zufrieden. Wir sind seit meiner Geschäftsübernahme konstant in den schwarzen Zahlen, auch im schwierigen letzten Jahr. Wir setzen publizistisch Akzente, und der Konzeptwechsel, den ich umgesetzt habe, war erfolgreich. Unsere bezahlte Aboauflage steigt. Kopfzerbrechen bereiten mir etwas die schwankenden, in Telefonumfragen erhobenen Leserzahlen. Wir scheinen immer dann zu verlieren, wenn die "Weltwoche" besonders stark im Gespräch ist. Das ist rätselhaft.

Verdienen Sie mit der "Weltwoche" Geld?

Ja. Wir sind profitabel. Als ich die Zeitung 2006 übernommen habe, fuhr sie schwere Verluste ein. Im Jahr 2007 hatten wir die Vorzeichen dann bereits gewendet und wieder schwarze Zahlen geschrieben. 2008 war noch besser, und letztes Jahr haben wir uns gegenüber dem Vorjahr sogar noch verbessern können. Auch das Jahr 2010 verlief bislang sehr gut. Die Umsätze liegen über denen des Vorjahres und die gestaltete „Luxus“-Ausgabe kommt sehr gut bei den Kunden an. Ausserdem ist die „Weltwoche“ momentan über die Grenzen der Schweiz im Gespräch.

Haben Sie das Geld schon zurückbezahlt, dass Sie damals benötigten, um die Zeitung zu übernehmen?

Ich bin auf sehr gutem Weg.

Hatten Sie damals vor vier Jahren eigentlich schlaflose Nächte, als Sie dieses Risiko eingegangen sind?

Nein. Für mich war immer klar, dass man sich diese Chance nicht entgehen lassen darf. Ich habe Herrn Tettamanti im Vorfeld gesagt, dass ich mir verbunden mit einer unternehmerischen Beteiligung eine Rückkehr in die Schweiz vorstellen könne. Als dann die Möglichkeit bestand, das ganze Blatt zu übernehmen, war für sofort mich klar: Das musst du machen.

Kann der Journalist Köppel denn nun die Zeitung machen, die ihm vorschwebt?

Ja. Ich habe die Freiheit und Unabhängigkeit, eine interessante Zeitung zu machen, die Gegensteuer gibt und Missstände aufdeckt; eine unbequeme Stimme der Vernunft. Mein Vorbild ist der "Spiegel" der frühen sechziger Jahre. Wir recherchieren Themen, an die sich andere nicht herangetrauen oder nicht herankommen. Wir stacheln Debatten an, geben provokative Impulse und haben ein breiteres Spektrum, als es in den Schweizer Medien üblich ist. Wir sind staatskritisch und wirtschaftsfreundlich. Am Ende setze ich mich publizistisch für eine zukunftsfähige, erfolgreiche Schweiz ein.

Haben Sie manchmal Probleme damit, dass Sie die Marke „Weltwoche“ repräsentieren müssen und nicht die Meinung von Herrn Köppel wiedergeben können?

Nein. Die "Weltwoche" war schon immer ein Titel, der von der Leidenschaft und von der Persönlichkeit der Autoren gelebt hat. Ein Titel mit einer hohen Betriebstemperatur, der nonkonformistisch ist. Das ist ein ehrlicher Ansatz. Es gibt keine Trennung zwischen Roger Köppel und der "Weltwoche". Wir bilden eine Einheit. Aber das gilt für mich genauso wie für alle anderen Redaktoren. Sie machen den vielstimmigen Chor und damit das Blatt aus.

Und wenn jemand anderer Meinung ist als Roger Köppel?

Dann ist man herzlich eingeladen seine Meinung fundiert darzulegen, gar kein Problem! Es gab allerdings immer wieder Leute, die hier gearbeitet haben und sich nicht damit abfinden konnten, dass hier jeder, der etwas zu sagen hat, zu Wort kommen darf. Als ich seinerzeit Christoph Mörgeli als Kolumnist ins Blatt geholt habe, kündigten drei Redaktoren. Nur weil sie seine politische Richtung nicht mögen. So etwas ist mir wesensfremd.

Sie arbeiten mit der Marke "Weltwoche". Haben Sie dafür eine Marke Köppel aufbauen müssen?

Nein. Die "Weltwoche" steht im Vordergrund. Das ist ein Zeitungstitel mit einer grossartigen Geschichte und bestimmten Merkmalen: Hohe journalistische Qualität, eine grosse Freiheit für die Autoren, hartnäckiger, intensiver Journalismus, dazu die nötige Portion Nonkonformismus. Die Schweiz, vor allem die offizielle Medienschweiz, neigt ja bekanntlich zum Mainstream und zur falschen Harmonie. Da muss die "Weltwoche" dagegenhalten. Ich orientiere mich, ganz konservativ, an den klassischen Tugenden des Blattes.

Kürzlich sind Sie gross im "Spiegel" porträtiert worden. "Der Unschweizer" lautete der Titel. Sind Sie dort Ihrer Meinung nach treffend beschrieben worden?

Insgesamt traf mich der Artikel sehr gut, wenn man die 10 Prozent "Spiegel"-Häme abzieht, war es sogar durchaus wohlwollend. Als "Unschweizer" empfinde ich mich allerdings nicht. Ich setze mich im Gegenteil für die Stärken und Qualitäten der Schweiz ein. Die Schweiz ist eine Art intellektuelles Leitbild für mich.

Inklusive des Ihnen zugeschriebenen Charakterzuges, mit dem richtigen Argument alles rechtfertigen zu können?

Ich weiss nicht mehr genau, was da gemeint war. Aber es ist sicher so, dass ich ein argumentationsfreudiger Mensch bin. Und dass ich die intellektuelle Auseinandersetzung interessant finde, gerne in sie einsteige und mir das in der Regel gut überlege. Man ist sicher nicht unfehlbar. Er hat vielleicht einfach gemeint, dass ich eine relativ hohe Überzeugungskraft habe. Das nehme ich natürlich als Kompliment.

Da wären wir beim kontradiktorischen Grundkonzept der "Weltwoche". Ist das nicht langsam ermüdend?

Finden Sie? Ich empfinde es als die natürlichste Sache der Welt, festgefahrene Meinungen, einseitige Wahrnehmungen mit neuen Fakten und Ideen aufzumischen. Es wäre viel bequemer, immer mitzuschwimmen. Widerspruch ist anstrengend! Es ist anstrengend zu schreiben, die UBS sei besser als ihr Ruf, wenn alle auf die UBS eindreschen. Es ist anstrengend zu begründen, warum Blocher richtig liegt, wenn eine Mehrheit von mir erwartet, das Gegenteil zu verbreiten. Davon aber, von der Vielfalt, von den anderen Sichtweisen leben Demokratien. Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom.

Und die Zuspitzung, die mit dieser Methode einher geht?

Die Zuspitzung ist entscheidend. Es geht ja darum, die Sache auf den Punkt zu bringen. Ich will doch wissen, welche Haltung der Journalist zu seinem Stoff einnimmt. Das Bemühen um Objektivität ist an der Qualität der Argumentation ablesbar, aber ohne Haltung, ohne Fazit geht es nicht. Zuspitzung und Provokation sind wichtige Instrumente. Über allem steht natürlich die Glaubwürdigkeit. Es versteht sich von selbst, dass Sie nicht einfach etwas behaupten können.

Also ist die Provokation eine Leidenschaft von Ihnen?

Jeder interessante Gedanke, jede kritische Recherche kann eine Provokation sein. Jede gute Provokation ruft eine Reaktion hervor. So beginnt die Auseinandersetzung. Wenn eine Zeitung der anderen sagt, sie provoziere zu stark, dann steht dahinter meistens der Ärger darüber, dass man mehr über die anderen redet als über einen selber.

(Bild: Titelbild der "Weltwoche" mit Köppels Lieblingsaufmacher der letzten Monate: Die goldene Spritze als Symbol für den Sozialstaat Schweiz)

Der "Sonntag" warf Ihnen kürzlich vor, Kollegenschelte zu betreiben. Sie kritisierten die UBS-Berichterstattung des "Magazin", sie werfen den anderen Medien immer wieder schlampige Arbeit vor, stehen im Rechtsstreit mit der "NZZ". Wieso schiessen Sie immer wieder gegen andere Medien? Ist der Konkurrenzkampf so hart geworden?

Es ist die Aufgabe der "Weltwoche", wichtige Themen kritisch aufzuarbeiten. Auch die Medien sind zu kritisieren, wenn sie ihrer Aufgabe nicht gerecht werden. Ich werde selber oft kritisiert und muss mich der Kritik, wenn sie sachlich berechtigt ist, auch stellen.

Kurz nach der Wahl kritisierten Sie den neuen SRG-Generaldirektor als unnahbar und wirtschaftlich unfähig. Kurt W. Zimmermann setzte mit einem Griechenland-Vergleich – wörtlich schrieb er: "...Wir stellen uns also besser darauf ein, dass 2012 die Radio- und TV-Gebühren steigen werden. Ganz im Stil Griechenlands." – noch einen drauf. Wieso muss de Weck noch vor seinem Amtsantritt so hart angegangen werden?

Weil Roger de Weck den Chefposten im grössten Monopolmedienbetrieb der Schweiz übernimmt. Nochmals: Es ist die zwingende Aufgabe der Weltwoche, den Staat und seine Sachwalter kritisch zu untersuchen. Ich darf doch keinen Gefälligkeitsartikel schreiben, nur weil ich persönlich Roger de Weck gut kenne und ihm privat auch viel Erfolg für seine Aufgabe wünsche. Ich habe de Weck zu kritisieren – und selbstverständlich steht ihm die Weltwoche immer offen, um seine Sicht darzustellen.

Zuspitzung und Provokation gehen also – wenn ich Sie richtig verstanden habe – durchs Band.

Die „Weltwoche“ könnte sicher noch provozierender und noch zugespitzter daherkommen. Wir können noch klarer und damit besser sein. Das ist schwierig, und Sie können das nicht erzwingen. Ich bin vorsichtig. Ich habe noch nie jemandem gesagt, was er schreiben soll. Ich würde nie verlangen, dass etwas publiziert wird, woran der Journalist nicht selber glaubt. Aber ich versuche die Leute zu motivieren, manchmal zu provozieren, an den Punkt der Intensität zu gehen. Es ist kein Zufall, dass ich noch keinen Prozess verloren habe. Ich zünde keine journalistischen Tischbomben.

Sie zünden grössere Bomben, auch politische. Werden Sie aus Ihrer Sicht eigentlich zu stark als politischer Aktivist wahrgenommen?

Man muss mit Kritik leben können, wenn man unbequemen Journalismus anstrebt. Aber machen wir uns nichts vor: Jede Zeitung ist politisch aktiv. Unsere Zeitungen haben jahrelang für eine mehr oder minder linke bis linksliberale Agenda lobbyiert: EU-Beitritt, mehr Staat, weniger direkte Demokratie, höhere Steuern und Abgaben, weniger Bankkundengeheimnis. Das wurde einfach heruntergebetet vom "Blick" über "Tagi" bis hin zur "NZZ".

Deshalb halten Sie mit einer klaren rechtskonservativen Position dagegen.

Von mir aus. Das Konservative ist das Anspruchsvolle, weil es dem Zeitgeist misstraut und auf bewährte Werte setzt. Mit Erfolg, denn alle guten Unternehmer sind letztlich Konservative.

Was würde denn passieren, wenn es die "Weltwoche" nicht gäbe?

Ohne die "Weltwoche" würden die anderen Zeitungen weiter nach links driften. Wir sind ein Segen für die Schweiz (lacht).

Also wäre die Schweiz ohne die "Weltwoche" schon lange in der EU?

Nein. Die Schweizer lassen sich nicht so einfach beeindrucken. Aber wir geben tüchtig Gegensteuer.

War ihre erste Begegnung mit Christoph Blocher tatsächlich eine Erleuchtung, wie so oft kolportiert wird?

Ich musste nicht erleuchtet werden, um zu merken, dass ein Grossteil dessen, was meine Kollegen über Blocher geschrieben haben, ideologisiert und oft falsch war. Je länger ich darüber nachdenke, desto verblüffender finde ich es, dass sich die Mehrheit aller Journalisten ausgerechnet auf den Mann eingeschossen hat, der nicht nur ein hervorragender Unternehmer ist, sondern bis heute wichtige Impulse für die Schweiz gibt. Offenbar stimmt es, dass die Medien-Schweiz ein Problem mit echten Leistungsträgern hat. Es war wichtig, gegen diese mediale Blocherbashing einen Kontrapunkt zu setzen.

Ihr Bundeshauskorrespondent Urs Paul Engeler wird bald pensioniert. Er zählt bereits seine Tage. Wie gedenken Sie ihn zu ersetzen?

Einen Urs Paul Engeler können sie nicht ersetzen, obschon wir gute Leute haben. Das ist eine eigene Liga von Journalisten, an die wir Junge uns erst herantasten müssen. Engeler ist wie früher ein Hanspeter Born eine Legende des Journalismus. Das sind absolut unbestechliche, hoch intelligente und brillante Journalisten. Es ist eine Ehre, mit solchen Persönlichkeiten zusammenzuarbeiten.

Zuletzt noch eine persönliche Beobachtung: Ich verstehe die "Weltwoche" als Ergänzungszeitung. Es gibt nun aber etliche Leute, welche ausser der Gratistagespresse nur die "Weltwoche" lesen und daher sehr stark auf ihren Kurs eingeschworen sind, ohne sich aus dem Medienspektrum selbst eine Meinung zu bilden. Ist das nicht fahrlässig?

(Lacht) Fahrlässig? Auf keinen Fall! Lesen Sie am besten nur noch die "Weltwoche"! Ernsthaft: Wenn Sie wirklich eine fundierte, nachhaltige Meinungsbildung zu den wesentlichen Fragen der Politik und der Gesellschaft wollen, dann sollten Sie die "Weltwoche" lesen.

(Interview: Adrian Schräder. Das vollständige Interview erscheint in der Juni-Ausgabe der Zeitschrift "persönlich")



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