«Wir wissen nicht, was den Autor geritten hat»

Fritz+Fränzi - Das Elternmagazin feiert das 20-jährige Bestehen. Chefredaktor Nik Niethammer erklärt im Interview, warum Fritz+Fränzi als eines von wenigen Printprodukten stets an Leserinnen gewinnt und was er von den Vorwürfen von Inside Paradeplatz hält.

von Loric Lehmann

Herr Niethammer, Fritz+Fränzi feiert in diesen Tagen das 20. Jubiläum. Gut ein Drittel der Zeit waren Sie Chefredaktor der Zeitschrift. Was zeichnet das Magazin heute aus?
Uns wird ein gutes Gespür attestiert für die drängenden Fragen, mit denen sich Eltern heute beschäftigen. Unser Magazin ist für viele Mütter und Väter ein verlässlicher Lebensbegleiter – in schönen wie in anspruchsvollen Zeiten mit ihren Kindern. Ich glaube, dass der Wunsch nach Erklärung und Analyse sowie die Sehnsucht nach Einordnung noch nie so gross waren wie heute. Wir leisten Hilfestellung, erheben nicht den Zeigefinger, versprechen keine schnellen Lösungen. Fritz+Fränzi steht für konstruktiven, inspirierenden Journalismus. Das kommt offenbar gut an.

Was beschäftigt die Eltern von heute anders als früher?
Für unser Jubiläumsheft haben wir in alten Ausgaben gestöbert und – wenig überraschend – festgestellt, dass Eltern von schulpflichtigen Kindern früher wie heute dieselben Fragen umtreiben. Wie geht Erziehung? Was macht eine gute Mutter, einen guten Vater aus? Wie kann ich mein Kind am besten begleiten und unterstützen? Wie viel Sorge ist angebracht, wie viel Vertrauen nötig? Und wie findet sich die richtige Balance zwischen Liebe und Strenge? Elternsein ist Trial and Error. Versuch und Irrtum. Das gilt ganz besonders bei Themen, die in den letzten Jahren neu dazugekommen sind: Medienkonsum, bedürfnisorientierte Erziehung, Cybermobbing, um nur einige zu nennen.

Wie gestaltet sich die Themensetzung? Ist es nicht schwierig, jeden Monat etwas Neues zu behandeln?
Wer selber Kinder hat, weiss: Familie und Erziehung sind ein weites Feld. Nein, die Themen gehen uns nicht aus, im Gegenteil. Die Titelgeschichten für 2022 stehen seit einem Monat fest und für 2023 gibt es bereits eine Longlist. Wir erhalten viel Input aus der Leserschaft, von Fachleuten und Institutionen. Ausserdem sind die meisten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Fritz+Fränzi selber Eltern. Wir sind sozusagen an der Quelle.

«Herr Frenkel war gar nicht an einer fairen Berichterstattung interessiert»

Die meisten Printmedien verlieren jedes Jahr an Reichweite. Fritz+Fränzi ist laut den jüngsten Wemf-Erhebungen eines der wenigen Deutschschweizer Magazine, das erneut an Reichweite gewonnen hat. Wie erklären Sie sich diesen Erfolg?
Manchmal müssen wir uns selber kneifen: 213’000 Leserinnen und Leser bedeutet ein Zuwachs von 70’000 innerhalb von fünf Jahren. Inzwischen hat unser Magazin eine grössere Reichweite als die Printausgaben von NZZ und Weltwoche. Wir fühlen uns gut aufgehoben bei der Stiftung Elternsein, der Herausgeberin von Fritz+Fränzi. Stiftungsratspräsidentin Ellen Ringier und Geschäftsführer Thomas Schlickenrieder lassen der Redaktion maximale Beinfreiheit und sorgen mit strategisch und verlegerisch klugen Entscheidungen dafür, dass unser Magazin gedeihen kann.

Inside Paradeplatz warf Ihrem Magazin kürzlich vor, jedes Jahr eine Million Franken Verlust zu machen und sich «marktwidrig» zu verhalten. Was sagen Sie zu diesen Vorwürfen?
Mit Verlaub, das ist grober Unsinn. Wir wissen nicht, was den Autor geritten hat. Der Text strotzt vor Unwahrheiten, Behauptungen und Mutmassungen. Was mich am meisten stört, ist der gehässige, herablassende Tonfall. Der Autor hat uns im Vorfeld einen Fragenkatalog zukommen lassen. Wir haben seine Fragen ausführlich beantwortet und stellen erstaunt fest: Keine Silbe davon findet sich im Text wieder. Der Verdacht liegt nahe: Herr Frenkel war gar nicht an einer fairen Berichterstattung interessiert.

«Nur weil ein Teil unserer Auflage kostenlos verteilt wird, steigt nicht automatisch die Reichweite»

Der Autor behauptet, Fritz+Fränzi würde anderen Redaktionen das Wasser abgraben und die Wemf-Reichweite liege nur deshalb deutlich höher als bei der Konkurrenz wie «Wir Eltern», weil von jeder Ausgabe 70’000 Exemplare gratis verteilt würden. Stimmt das?
Der Vorwurf, wir würden uns marktwidrig verhalten, ist absurd. Nur weil ein Teil unserer Auflage kostenlos verteilt wird, steigt nicht automatisch die Reichweite. Fakt ist: Im vergangenen Jahr hat die Stiftung Elternsein 66 Prozent der aktuell beglaubigten Auflage von knapp 103’000 Exemplaren kostenlos über die Schulen abgegeben. Damit stellt die Stiftung sicher, dass auch Eltern, die sich kein Abonnement leisten können, von den Beiträgen in Fritz+Fränzi profitieren können. Zudem erreicht die Stiftung durch den Schulversand auch Eltern, die sich bisher wenig mit Elternbildung auseinandergesetzt haben. Oberstes Ziel der gemeinnützigen Stiftung Elternsein ist es, so viele Eltern wie möglich bei der anspruchsvollen Aufgabe der Erziehung ihrer Kinder zu unterstützen.

Momentan macht auch noch die Rohstoffknappheit den Zeitungen das Leben schwer (persoenlich.com berichtete). In einem Interview zu Ihrer Ernennung als Chefredaktor 2014 sagten Sie: «Ich glaube an Print». Hat sich da etwas geändert?
Nein, im Gegenteil. Unser Alltag wird immer digitaler, gleichzeitig wächst die Sehnsucht nach analoger Qualität. Davon bin ich fest überzeugt. Mechanische Uhren boomen, schöne Bücher bleiben begehrt, Vinylplatten erleben eine Renaissance. Und: Print lebt. Das ist zugegeben eine optimistische Betrachtungsweise. Und sie gilt insbesondere für Special-Interest-Magazine. Ein Selbstläufer ist Print längst nicht mehr, es ist harte Arbeit. Meine Kolleginnen und Kollegen Evelin Hartmann, Virginia Nolan, Benjamin Muschg und ich versuchen, jede Ausgabe mit so viel Leidenschaft und Liebe zum Detail zu produzieren, als wär’s die letzte.

«Wir werden nicht aufhören, noch besser zu werden»

Wie weit sind Sie mit Fritz+Fränzi bei der digitalen Transformation?
Ein grosses Thema, speziell für einen kleinen Verlag. Wir haben unter der Leitung von Tobias Winterberg und Patrik Luther vor zwei Jahren einen Digitalprozess angeschoben, der vor wenigen Tagen seinen vorläufigen Abschluss fand mit der Lancierung des «Schweizer ElternPasses», einem Angebot für gemeinsam erlebte, bezahlbare Familienzeit. Und dem Launch unserer rundum erneuerten Website. Wir haben insbesondere die Benutzerführung verbessert und das Design modernisiert. In der Menüleiste findet sich neu die Kategorie «Elternwissen in 5 Minuten» und die redaktionell kuratierte Rubrik «Themen nach Alter».

Fahren Sie fort.
In Zukunft setzen Online-Redaktionsleiterin Florina Schwander und ihre Kolleginnen Hanna Lauer, Irena Ristic und Maria Ryser verstärkt auf Bewegtbild und Online-Only-Beiträge mit starkem Servicecharakter. Und wir haben ein kostenloses Login eingerichtet. Damit erhalten Userinnen und User unbegrenzten Zugriff auf über 2000 Artikel von Fritz+Fränzi. Zudem können Texte neu im persönlichen Profil gespeichert und altersspezifische Artikel abgerufen werden.

Welche Projekte beschäftigen Sie als Chefredaktor sonst noch in naher Zukunft?
Zuoberst auf unserer To-do-Liste steht der Dialog mit unseren Leserinnen und Lesern. Den wollen wir intensivieren. Dann freuen wir uns auf viele neue hochkarätige Referentinnen und Referenten, die wir im Rahmen der Vortragsreihe «Kosmos Kind» zusammen mit der «Akademie. Für das Kind» 2022 präsentieren können. Und wir werden nicht aufhören, noch besser zu werden. Wir möchten Eltern und Erziehungsinteressierten auch im nächsten Jahr mit Fritz+Fränzi, dem Kindergartenprogramm, unserem Berufswahlheft und den digitalen Angeboten bei wichtigen Entscheidungen zur Seite stehen und ihnen das Gefühl vermitteln: Sie sind nicht allein. Bei aller Anstrengung macht es Freude, Eltern zu sein. Und oft macht es sogar glücklich.