TV-Kritik

Böse Buben, gute Mädchen

Vorweg Beifall: Wir haben in «Private Banking» eine Reihe von formidablen Schweizer Schauspielern gesehen. Wie immer, wenn Top-Fachfrau Ruth Hirschfeld bei einer Produktion fürs Casting zuständig ist. Herausragend: Stephanie Japp («Der Kriminalist», «Grounding», «Tatort»). Eine Schauspielerin, die man häufiger sehen möchte.

Ansonsten: 90 Minuten hätten für diese Geschichte gereicht. Stattdessen wurde mit der grossen Kelle angerichtet. Auch mit enormem Werbe- und Traileraufwand. Der erste Teil war ein Compliance-Crash-Kurs für Banklehrlinge im ersten Ausbildungsjahr. Beim zweiten Stück kam dann doch noch Spannung auf.

Die Story in Kürze: Bankchef Leo Weyer (Christian Kohlund) liegt nach einem Herzinfarkt im Koma. Seine Tochter Caroline (Stephanie Japp) will das Familienerbe retten. Sie wagt sich als Aussenseiterin auf den Stuhl ihres Vaters und versucht, mit der internen Compliance-Juristin die Bank zu säubern.

Geldwäscherei, Steuerbetrug, Offshore-Konstrukte, gewissenlose Machtmenschen, Gier, Intrigen, in Schale geworfene Finanzhaie, dunkle Geheimnisse, Abgründe, besoffener Sex – der Film lässt kein Klischee aus. Eine Abrechnung, in der die Finanzbranche so gezeigt wird, wie Schreinermeister Muggli sie sich vorstellt. Fiktion. Überspitzung. Soweit alles ok.

Störend nur: Regisseurin Bettina Oberli und ihre Autoren («Wir stützten uns auf eine Vielzahl von Insidern») hörten vor der Ausstrahlung des Zweiteilers nie auf, darauf zu beharren, dass sie die Wahrheit über das Bankengeschäft erzählen. Oberli in «10vor10»: «Wir haben noch viel mehr extreme Geschichten zu hören bekommen.» Warum hat sie diese in ihrem Film (über die alte Welt des Private Bankings) nicht erzählt? Vergehen von Banken sollen keinesfalls schöngeredet werden. Allerdings ist die Party längst vorbei. Oberlis 180-Minuten-Streifen hat wenig zu tun mit den heutigen Realitäten. Das Private Banking befindet sich im grössten Wandel seit seinem Bestehen.

Genau das zeigte Reto Lipp zu diesem Thema nach dem Film achtenswert im Wirtschaftsmagazin «Eco». Und rückte so manches ins richtige Licht. Automatischer Informationsaustausch, immer mehr Gesetze und Regulierungen, massiv verschärfte Compliance: die alten Geschäftsmodelle sind tot. Die glorreichen Zeiten vorbei. Und das Bankgeheimnis für ausländische Kunden seit 2014 Geschichte.


René Hildbrand
René Hildbrand ist Journalist, langjähriger Fernsehkritiker und Buchautor. Während 27 Jahren war er für «Blick» tätig, danach Chefredaktor von «TV-Star».

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Kommentare

  • Michael Wolf, 20.12.2017 12:17 Uhr
    Falsch. TV-Kino ohne erdrückende und unfair zwangsfinanzierte öffentliche Konkurrenz würde überhaupt erst möglich. TV wird es noch lange geben, auch mit Kultur und guten Eigenproduktionsfilmen, dafür gibt es ein Publikum.
  • René Lüchinger, 19.12.2017 11:30 Uhr
    Lieber René Wir kennen uns ja bestens aus unserer Jean-Frey-Zeit und ich schätze Dich und Deine TV-Kommentare sehr. Wenn ich hier nun zurückschreibe: warum müssen wir eigentlich heimisches TV-Schaffen immer schlecht reden mit dem Argument es sei zu wenig realistisch, beleuchte Vergangenes undsoweiter?? Es war ja dramaturgisch gut gemachtes TV-Kino und ich persönlich bin happy, dass dies mit Schweizer Stoffen noch hergestellt werden kann - und zwar unabhängig davon, ob ich persönlich mit jeder inhaltlichen Sequenz einverstanden bin. Wichtiger wäre darauf hinzuweisen, dass solches TV-Kino bei einer Abschaffung der SRG nicht mehr finanzierbar wäre - wer etwas anderes behauptet, lügt.
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