Hat jemand gesagt, TV-Werbung sei ein Auslaufmodell? Wenn die Aussage schon allgemein nicht zutrifft, dann erst recht nicht während der Fussball-Euro. «Die Werbeumfelder sind sehr beliebt, und der Markt ist bereit, dafür tief ins Portemonnaie zu greifen», sagt Thierry Frey, Client Service Director bei Mediaschneider Bern. Mit Blick auf Nachfrage und Tarife sieht Frey aktuell Top-Werte bei den Werbeblöcken, die das Schweizer Fernsehen SRF im Rahmen der Berichterstattung zur Fussball-Euro anbietet. Der Mediaspezialist hat sich alle Planwerte dieser Werbeblöcke angeschaut und für die Zielgruppe der 15- bis 59-Jährigen aus der Deutschschweiz ausgewertet.
30 Sekunden kosten 90'000 Franken
Wie teuer und begehrt die Spots im Umfeld der Fussballspiele sind, zeigt der Vergleich mit den anderen Top-Werbeplätzen. Im Schnitt kostet die Belegung der EM-Blöcke 50 Prozent mehr (auf Basis der erbrachten Leistung) als jene rund um «Tagesschau» und «Meteo». Besonders beliebt sind Schweizer Spiele und das Finale: Blöcke in deren Umfeld kosten gar um circa 85 Prozent mehr als die Werbung rund um «Tagesschau» und «Meteo» im selben Zeitraum. 30 Werbesekunden in der Halbzeitpause des Euro-Finalspiels bietet der SRG-TV-Vermarkter Admeira für 90’000 Franken an. Dabei handelt es sich um einen Bruttowert. Der tatsächlich geschuldete Betrag kann davon abweichen. Natürlich bot Admeira auch spottbillige Spots an für ein paar hundert Franken, etwa während Nachmittagsspielen, die absehbar auf geringes Interesse stiessen. «Die Preise sind für die Euro zwar sportlich hoch, aber doch weitgehend gerechtfertigt», teilt Roland Ehrler, Direktor des Schweizer Werbe-Auftraggeberverbands, auf Anfrage mit. Das freut Admeira. Ohne Details zu nennen, heisst es bei der Ringier-Tochter und SRG-Vermarkterin, man verzeichne wie gewohnt eine sehr hohe Nachfrage für die Euro.
Dass TV-Werbung im Umfeld der Berichterstattung zu grossen Sportanlässen weiterhin so gut funktioniert, hat einen einfachen Grund: das Publikum. So erreichte zum Beispiel die TV-Übertragung des ersten Spiels der Schweizer Nati gegen Ungarn unter den 15-59-Jährigen 485’000 Zuschauerinnen und Zuschauer. Das entspricht einem Marktanteil von 84 Prozent. Auch die weiteren Schweizer Gruppenspiele erzielten solche Spitzenwerte. Zum Vergleich: Eine «Meteo»-Hauptausgabe erzielt im Schnitt einen – für normale Zeiten sehr guten – Marktanteil von 33 Prozent.
«Fussball-Euro ist vergleichbar mit Super Bowl in den USA»
Angesichts solcher Zahlen und Werte ist für Mediaspezialist Thierry Frey der Fall klar: «Ein Grossereignis wie die Fussball-Euro ist für die Schweizer Werbewelt nach wie vor in etwa das, was für die US-Werber der Super Bowl darstellt.» Das Bild des Super Bowl verwendet auch der Schweizer Werbe-Auftraggeberverband SWA mit Blick auf Sport-Grossereignisse wie Fussball-Euro oder Olympische Spiele.
Allerdings herrscht beim SWA nicht nur eitel Freude. Der Verband kritisiert «nicht-branchenübliche Bedingungen» von Admeira. So hätten zum Beispiel Werbekunden bei der Euro ein «Mindestinvest» von 150'000 Franken buchen müssen, um überhaupt als Werbekunde berücksichtigt zu werden. Ebenso habe es kein Rücktrittsrecht gegeben, und bei fehlender Verfügbarkeit der gewünschten TV-Blöcke habe sich Admeira das Recht herausgenommen, einen Ersatz selber zu buchen – ohne Mitsprache des Werbeauftraggebers oder der Mediaagentur. «Mit etwas mehr Wettbewerb würde es wohl kaum solche ‹EM-Fesseln› geben», hält dazu SWA-Direktor Roland Ehrler fest.
Admeira verteidigt Praxis und verweist auf Uefa-Vorgaben
Die Vorwürfe lässt Admeira so nicht stehen und verweist auf die Komplexität der Vermarktung limitierter Werbeplätze während der Fussball-Euro. Ausserdem gebe die Uefa als Veranstalterin gewisse Regeln vor für die Werbevermarktung, an die sich die Lizenznehmer zu halten hätten. So geniessen die offiziellen Sponsoren der Uefa einen privilegierten Zugang zu den besten Werbeplätzen. Das auferlegte Mindestinvest von 150'000 Franken sei eine bewährte Praxis, um Effektivität, Chancengleichheit und Auslastung für alle Kunden zu gewährleisten.
«Admeira ist sich bewusst, dass nicht alle Werbekunden substanzielle Investitionen tätigen können», teilt der Vermarkter auf Anfrage mit. Deshalb könnten auch Einzelspots gebucht werden. Steht der gewünschte Platz nicht zur Verfügung, biete man gleichwertige Ersatzmöglichkeiten an. «Dies geschieht stets im besten Interesse unserer Kunden hinsichtlich der Verfügbarkeit dieses knappen Werbeumfeldes und der gewünschten Präsenz», so Admeira auf Anfrage von persoenlich.com.
Werbeauftraggeber zufriedener mit Olympia
Im Gegensatz zur Fussball-Euro bewertet der Werbeauftraggeberverband SWA das Angebot von Admeira zu den Olympischen Sommerspielen in Paris als «fair und frei von ‹Fesseln›», was wohl auch daher rührt, dass es mit den zahlreichen sportlichen Disziplinen und Übertragungen weniger Spitzentage und entsprechend weniger Andrang gibt.
Bleibt schliesslich die Frage, ob vom sommerlichen Werbe-Hoch nur die Werbetreibenden profitieren oder unter dem Strich auch für die SRG mehr Geld in der Kasse bleibt als in einem «sportfreien» Sommer? Klar ist, dass die SRG für die Bewältigung solcher Grossanlässe viel Geld in die Hand nimmt, von den Kosten für die Übertragungsrechte bis hin zum Produktionsaufwand vor Ort. Eine Anfrage von persoenlich.com, wie das Verhältnis von Aufwand und Werbeertrag aussieht, beantwortet die SRG nur summarisch: «Mit der TV-Sportberichterstattung lässt sich in der Schweiz kein Geld verdienen.» Durchschnittlich deckten Werbung und Sponsoring nur 10 bis 20 Prozent der Vollkosten für Rechte, Produktion und Ausstrahlung ab, so die SRG weiter.