18.07.2014

Andreas Hugi

"Als Lobbyist alleine habe ich keinen Einfluss"

Die Schweizerische Gesellschaft für Public Affairs (SPAG) verpflichtet seit 1. Juli ihre Mitglieder dazu, alle Mandate offenzulegen. Andreas Hugi, Managing Partner bei der Agentur furrerhugi.publicaffairs, ist seit langem ein Verfechter der Transparenz. Mit persoenlich.com spricht er über die neuen Regelungen für Lobbyisten im Bundeshaus, den Meinungsbildungsprozess in der Schweizer Politik und das Verhältnis von PR und Journalismus.
Andreas Hugi: "Als Lobbyist alleine habe ich keinen Einfluss"

Herr Hugi, "PR-Firmen tun sich schwer mit der Transparenz", titelte der "Tages-Anzeiger" vorletzten Samstag. Ist das so?
Nein. Der gleiche Journalist hat ein paar Monate zuvor geschrieben "Lobbyisten zerren ihre Kunden ans Licht". Das ist nicht ganz kongruent von der Titelsetzung her. Die Politik wehrt sich seit Jahren dagegen, eine Regelung zu schaffen. Darum ist der Public-Affairs-Verband SPAG selber mit einer Lösung gekommen, die seit 1. Juli gilt und auch vom PR-Agenturen-Verband BPRA unterstützt wird. Es ist klar, dass das seine Zeit braucht. Ich bin aber überzeugt, dass sich in nützlicher Frist alle Mitglieder des Verbandes an die Regelung halten und ihre Mandate offenlegen. Allenfalls wird sich die Spreu vom Weizen trennen, das schadet aber auch nicht.

Es gab immer wieder Vorstösse im Nationalrat, die eine Offenlegung verlangten, doch die fanden keine Mehrheit. Wäre eine Regelung durch die Politik am besten?
Ich habe immer befürwortet, dass die Politik sagen soll, was für eine Regelung sie haben will im Umgang mit Lobbyisten. Die Gesellschaft hat ein legitimes Interesse zu wissen, wer bei politischen Entscheidungen mitdiskutiert und Einfluss nimmt. Es war aber immer klar, dass die Branche im Sinne der Selbstregulierung Massnahmen trifft, wenn von der Politik nichts kommt.

Sie fordern schon lange Transparenz. War es schwierig, Ihre Kollegen zu überzeugen?
Im BPRA, wo ich Präsident bin, waren wir uns schnell einig, dass man als Lobbyist Transparenz schaffen muss. Auch beim SPAG, wo ich Mitglied bin, ist man das Thema offensiv und selbstbewusst angegangen. Das ist bemerkenswert – man wirft der Branche ja gerne vor, dass sie lieber im Geheimen arbeitet. Dabei ist es im politischen System der Schweiz anerkannt, dass der Einfluss von Firmen und Verbänden über Lobbyisten Teil des Gesetzgebungsprozesses ist. Allerdings tun sich viele Parlamentarier immer noch schwer damit, auch weil mit einer staatlichen Regelung der Status der Lobbyisten in Bern quasi offizialisiert würde.

Ist Lobbying wirklich anerkannt? Ich habe den Eindruck, das Thema sei immer noch sehr umstritten.
Gut, es gehört ein bisschen zum politischen Ton, dass sich Politiker gegen aussen über Lobbyisten beklagen. Im Tagesgeschäft arbeitet man aber sehr gut und unproblematisch zusammen. Es ist breit akzeptiert, dass Parlamentarier nicht als abgeschottete Kaste unter sich Politik machen, sondern dass alle entscheidenden Interessensgruppen teilnehmen können am Meinungsbildungsprozess – und da gehören Lobbyisten eben auch dazu.

Sie haben mit Lorenz Hess seit kurzem einen Nationalrat in der Agentur...
...er ist ab Herbst Teil einer Gruppe strategischer Einzelberater, die in einem neuen Gefäss auf eigene Rechnung Kommunikationsleistungen anbieten. Er steht also nicht auf der Payroll unserer Agentur. Auch das wäre aber unproblematisch. Parlamentarier müssen ihre Berufe und ihre Beziehungen im Register der Interessenbindungen offenlegen. Solange transparent ist, dass Lorenz Hess PR-Berater ist, sehe ich kein Problem. Andere Parlamentarier sind auch PR-Berater.

Wie zum Beispiel Gregor Rutz, der offenbar wegen der neuen Transparenz-Regelung aus der SPAG austreten will. Können Sie das nachvollziehen?
Nein. Wir sind an einer heiklen Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Politik tätig, wo es sehr legitim ist, dass man wissen will, wer an einem politischen Meinungsbildungsprozess teilnimmt. Wir legen als Agentur seit der Gründung vor acht Jahren unsere Mandate offen und machen damit nur gute Erfahrungen.

Gibt es denn Kunden, die das nicht wollen?
Wir hatten nie einen Kunden, der sich daran gestört hätte, in acht Jahren hat sich nur ein potentieller Kunde deswegen zurückgezogen. Je grösser und internationaler die Firma ist, desto weniger ist es ein Problem. In den USA ist das ja seit Jahrzehnten gang und gäbe, sogar die Mandatssumme wird offengelegt. Dazu kann man ja auch stehen.

Gemäss einem verbreiteten Klischee versuchen Lobbyisten hinter den Kulissen mit viel Geld und schmutzigen Tricks, Politiker zu einer bestimmten Meinung zu bewegen.
Ja, das ist ein Klischee. Wenn man schaut, wie der politische Prozess läuft, dann ist es offensichtlich, dass das nichts bringt. Lobbying hat einen schlechten Ruf, aber das gehört zum Spiel.

Sie listen auf Ihrer Agentur-Website in der Sparte Public Affairs alle Kunden auf, nicht aber bei Corporate. Warum nicht? Inwiefern unterscheiden sich diese beiden Sparten?
Wir werden das bei Corporate auch machen. Diese Sparte der Agentur gibt es erst seit Mai, da sind wir noch am Aufstarten, auch wenn wir schon erste schöne Mandate an Land gezogen haben. Wir werden es gleich handhaben wie bei Public Affairs. Bei Unternehmens- und Marketingkommunikation muss man das Thema allerdings differenzierter anschauen. Da gibt es Investor Relations oder Begleitung von Börsengängen, die heikel und gesetzlich geregelt sind. Auch in der strategischen Einzelberatung, im Kommunikationscoaching oder in der Krisenkommunikation kann man nicht sämtliche Mandate offenlegen. Wir werden im Bereich Corporate sicher einige Ausnahmen machen müssen. Mittelfristig wird man aber auch in der klassischen PR mehr über Transparenz diskutieren.

Wird der Verband BPRA da aktiv werden?
Es wird diskutiert, ist aber sicher nicht so virulent wie beim Lobbying. Der gesellschaftliche Anspruch ist auch nicht gleich hoch: Man will wissen, wer in der Politik Einfluss nimmt, aber nicht unbedingt, wer den Jahresbericht für diese oder die Medienarbeit für jene Firma macht.

Ist das öffentliche Interesse, das bei grossen und finanzkräftigen Unternehmen mit öffentlicher Wirkung zu erfahren, nicht legitim?
Man muss bei der Transparenz immer unterscheiden zwischen öffentlichem Interesse und reiner Neugierde. Im Bereich Lobbying und Public Affairs ist das öffentliche Interesse nachweisbar und offensichtlich, im Bereich Corporate Communications muss man es differenzierter anschauen.

PR-Leute und Journalisten werden gerne als "natürliche Feinde" betrachtet. Ist es wirklich so schlimm?
In der grossen Mehrheit der Fälle ist es ein unproblematisches Verhältnis. Ich verstehe, dass man als Journalist kritisch auf PR-Leute schaut – wir schauen teils auch kritisch auf Journalisten. Wichtig sind gegenseitige Wertschätzung und kritische Distanz. Ich halte aber nichts von diesen Verbrüderungsszenarien, dass man sagt, man ist ja quasi Partner und will das gleiche. Klar, das Selbstverständnis des Journalisten ist stark im Wandel. Doch es greift zu kurz, wenn man sagt, es gibt eine immer mächtigere PR-Branche mit immer mehr Geld und Einfluss, und einen immer ohnmächtigeren Journalistenstand, der unter immer grösserem Kostendruck immer weniger Zeit hat zum Produzieren. Grundsätzlich haben Journalisten nach wie vor sehr viel mehr Macht als PR-Leute.

Viele Journalisten wechseln irgendwann in die PR – den umgekehrten Weg gehen aber nur wenige.
Das ist so. Die Aufgabengebiete sind verwandt. Wir machen in der politischen Kommunikation oder in der PR viel journalistische Arbeit, verdichten komplexe Sachverhalte, richten sie auf die Zielgruppe aus. Ich habe auch mit einem Volontariat bei der "Neuen Zürcher Zeitung“ angefangen. Als ich in die Kommunikation wechselte, hat man mir gesagt, jetzt sei ich also definitiv auf der dunklen Seite der Macht. Ich finde es positiv, wenn man ein starkes Berufsstandesverständnis hat als Journalist. Und es ist sicher auch mehr als bei anderen Berufen eine Berufung und Überzeugung. Aber ich nehme für mich auch in Anspruch, dass ich Kommunikation aus Berufung und Überzeugung mache.

Vertreten Sie eigentlich nur Kunden und Interessen, hinter denen Sie auch stehen können?
Wir als Agentur haben wie viele Kollegen aus dem Verband den Grundsatz, dass wir keine sich widersprechenden Mandate betreuen. Und gerade bei politischen Mandaten muss man das Grundanliegen im weitesten Sinne mittragen können. Wir haben auch verankert, dass wir keine extremen Positionen vertreten und dass unsere Mitarbeitenden nicht auf Mandaten arbeiten müssen, hinter denen sie persönlich nicht stehen können. Aber am Ende des Tages sind wir Berater, und das heisst, dass wir nicht die Rosinen herauspicken können und nur das nehmen, was uns zu 100 Prozent entspricht.

Wäre es möglich, dass Sie ein politisches Mandat anstreben?
Nein, auf kantonaler oder nationaler Ebene wäre es für mich nicht möglich, da gäbe es zu viele Friktionen bei meinen Mandaten. Als Lobbyist bin ich sehr nahe an der Politik, da kann ich mir ein Parlamentsmandat nicht vorstellen. Auf der anderen Seite bin ich auf kommunaler Ebene als Gemeinderat in der Exekutive aktiv, da ist Politik sehr konkret und nicht parteipolitisch. Ich habe genug in die Politik hineingesehen, als FDP-Fraktionssekretär und als persönlicher Mitarbeiter eines Regierungsmitgliedes, und mir ist sehr wohl in der Rolle des Lobbyisten. Ich wäre auch kein guter Parlamentarier. Für mich ist die Sicht, die ich jetzt habe, sehr viel spannender.

Letzte Frage: Wie viel Einfluss haben Sie als Lobbyist und Berater?
Als Lobbyist alleine habe ich keinen Einfluss. Wir sind immer nur so gut wie die Argumente unserer Kunden. Es ist eine Illusion zu glauben, dass ein Politiker sich überzeugen lässt, weil er mich gut kennt oder mit mir an einem schönen Apéro war. Am Ende des Tages sind wir Informationsbroker. Wir müssen helfen, die guten und richtigen Argumente zur richtigen Zeit zur richtigen Zielgruppe zu bringen. Parlamentarier können sehr gut abwägen, was politisch gute Argumente sind und was nicht. Wir haben auch kein Interesse, per se Einfluss zu nehmen. Wir sind die Statthalter und Unterstützer unserer Kunden.

Interview: Lukas Meyer//Bild: zVg



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