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Chance oder Risiko für Firmen und Vereine?

Es kommt nicht von ungefähr, dass das Thema E-Sports derzeit einen Hype erlebt (persoenlich.com berichtete). Aus einem ehemaligen Nischenthema ist ein Milliarden-Business geworden. Mit mehr als 900 Millionen Dollar im Jahr 2018 verdreifachte sich gemäss den Marktforschern Newzoo der Umsatz im E-Sports-Markt nahezu innerhalb von nur vier Jahren. Für 2020 geht man von einer Steigerung auf über 1,4 Milliarden Dollar aus: Einnahmen durch Übertragungsrechte, Werbung und Sponsoring. Auch an Zuschauern mangelt es nicht. Das Finale der WM des Strategiespiels «League of Legends» verfolgten satte 205 Millionen Zuschauer. Zum Vergleich: Das «klassische» Fussball-WM-Finale schauten «nur» 163 Millionen. Also ein lukratives Business für Sponsoren – auf den ersten Blick.

Immer mehr Unternehmen und Vereine wollen vom Wachstum des Marktes profitieren. Die E-Sports-Sparte des FC Basel konnte bereits beim Start des Engagements 2016 alle seine Trikot-Sponsoren gewinnen, darunter zum Beispiel die Basler Kantonalbank oder Novartis. So war die neue Sparte von Beginn weg profitabel. Zudem habe das Engagement in E-Sports auch zu neuen Sponsoren verholfen. Auch die Swisscom oder der TCS sponsern Spieler und eigene Ligen. Die Postfinance startete 2019 ihr E-Sports-Experiment und sponsert seitdem fünf Gamer. Sie bezahlt ihr Gehalt, stellt ihnen ein gemeinsames Haus und einen Coach zur Verfügung.

Das Ziel der Engagements: Kontakt zu einer bis dato praktisch unerreichten Zielgruppe, der Zocker und Nerds. Und es winkt die Chance, in neuen Absatzmärkten Fuss zu fassen: In den USA und in Asien boomen E-Sports.

Unternehmen und Vereine, die sich in E-Sports engagieren, stossen aber nicht nur auf Begeisterung. Auch wenn die Beliebtheit von E-Sports zunimmt, die Proteste der Fans des FCB sprechen eine andere Sprache. Und sie zeigen das Risiko für Vereine und Unternehmen.

Kritiker fragen: Ist es gerechtfertigt, dass eine Industrie mit «Ballerspielen» wie «Counter-Strike» Jugendliche und junge Erwachsene vor die Bildschirme zieht und mit stattlichen Einkommen lockt? Mit Engagements in E-Sports laufen Unternehmen Gefahr, mit den negativ assoziierten Ego-Shootern und gewaltverherrlichenden Spielen in Verbindung gebracht zu werden. Bestehende Kunden beziehungsweise Fans zu verärgern und die eigene Reputation zugunsten neuer Fans – im wahrsten Sinne des Wortes – aufs Spiel zu setzen.

Diese Abwägung müssen Unternehmen und Vereine machen, bevor sie auf den E-Sports-Hype aufspringen. Dass der FC St. Gallen, 2016 noch als Vorreiter gefeiert, 2018 vorerst seinen Rückzug aus E-Sports bekannt gab, zeigt, wie vorsichtig Schweizer Unternehmen derzeit noch sind. An E-Sports will man sich nicht die Finger verbrennen.



Colin Fernando ist Senior Brand Consultant und Sportmarkenexperte bei der Managementberatung BrandTrust.

Unsere Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

 

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