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Ein tektonisches Beben

Matthias Ackeret

Für die Werbebranche ist es ein tektonisches Beben mit Stärke 9: Andreas Widmer verlässt die Y&R Group. Neben dem CEO und VR-Präsidenten scheiden zusätzlich die beiden Kadermänner Claus Bornholt und Bruno Rambaldi aus. Wenige Tage vorher hat bereits Kreativchef und CCO Markus Gut seinen Wechsel als CEO und Mitinhaber der Brandingagentur Process bekanntgegeben. Die Y&R-Group – und dazu braucht es keine hellseherischen Fähigkeiten – ist führungslos. Im aktuellen LSA-Ranking der Kommunikationsagenturen belegt die Y&R Group den vierten Rang und umfasst die Firmen Advico Y&R, Futurecom und Wunderman. 

Sir Martin Sorel, CEO von WPP, zu der auch die Y&R Group gehört, dürfte ein Déja-Vu haben: Bereits vor 15 Jahren haben der damalige Geschäftsführer und Verwaltungsratsdelegierte Peter Felser und ein Grossteil seiner Mitstreiter die damalige Advico Young & Rubicam in Gockhausen Knall auf Fall verlassen, um die Kreativagentur Spillmann Felser Leo Burnett zu gründen. Was folgte, waren jahrelange Prozesse und Rechtshändel, die die Y&R Group an den Rande des Abgrundes brachten. Vor allem Andreas Widmer und Markus Gut ist es zu verdanken, dass sich die Firma in den vergangenen Jahren vom Felser’schen Abgangsschock erholte, neu positionierte und im trendigen Zürich-West einen Neuanfang startete.

Es zeigte sich also bereits 2002, dass das internationale Netzwerk nicht in der Lage ist, ihrem Schweizer Ableger realistische Vorgaben zu machen. Gerüchten zufolge wollte das internationale Netzwerk die Marke Wunderman zulasten des hierzulande bestens eingeführten Brands Advico Y&R stärken. Die Opposition aus der Schweiz stiess beim internationalen Management auf taube Ohren und erzeugte kein Verständnis. Das Resultat zeigt sich mit den News vom Freitag. Ob man jenseits des Atlantiks jeweils die Möglichkeit in Betracht zog, dass die gesamte Führungscrew ihren Bettel hinwerfen könnte, wissen wir nicht. Für die ungefähr 120-köpfige Belegschaft an der Hardturmstrasse ist es aber der Horror. Hoffen wir in deren Interesse, dass schon bald eine befriedigende Lösung gefunden wird. Doch davon ist man heute sehr weit entfernt.  

Manchmal, so stellte schon Karl Marx fest, wiederhole sich die Geschichte. Entweder als Farce oder Tragödie. Hier ist  nach 2002 wohl das der zweite Fall.

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