«Zu den vorbildlichsten Medienunternehmen, was die Trennung von redaktionellem Inhalt und kommerziellen Botschaften anbelangt», gehöre Tamedia, schrieb Pietro Supino an den Konsumentenschutz. Und Nicole Bänniger von der Unternehmenskommunikation ergänzte an anderer Stelle: «Mit der Kennzeichnung ‹Sponsored› sowie dem zusätzlichen Verweis ‹Anzeige› wird jeweils deutlich deklariert, dass es sich um Werbung handelt.»
Wie konnte es mir nur passieren, dass ich die doppelseitige Swisscom-Werbung im Tagi für redaktionell hielt? Ich beschloss, in derselben Firma selbst nochmals nachzufragen. Die Antwort: «Ich habe auch erst in der dritten Spalte gemerkt, dass da etwas nicht stimmt.» Das «Sponsored» am oberen Seitenrand und den etwas zerdrückten Hinweis «Anzeige» habe er auch übersehen, sagte mir der erfahrene Journalist aus der T-Redaktion.
Hatte man mich also hinters Licht geführt oder lag es an mir? «Anzeigen dürfen durch ihre Gestaltung nicht den Eindruck erwecken, sie seien redaktioneller Bestandteil des Mediums», sagen die publizistischen Leitlinien des Tages-Anzeiger, indem sie mit berechtigtem Stolz den Verleger-«Code of Conduct» wiedergeben. Folgerichtig waren ja auch nur der Titel, der Lead, die Bildplatzierung und der Lauftext gleich formatiert wie bei Leitartikeln.
Tamedia hat also alles richtig gemacht. Verwechseln Leser den Absender, liegt es an ihnen selbst. Supino kümmert sich zum Glück bereits persönlich um das Problem: Die «Förderung der Medienkompetenz» sei für die «angesprochene Fragestellung von grösster Bedeutung». Meine Kompetenz als Leser trainiert Tamedia jetzt ja immer öfter. Und für die Redaktoren gibt es sicher auch bald eine hausinterne Weiterbildung.
Aber nicht nur der Tagi hat inkompetente Leser. Auch bei der NZZ am Sonntag hielten einige die gewohnt konservative Anti-Vegi-Seite für redaktionell. Chefredaktor Luzi Bernet fiel dann die Aufgabe zu, gegenüber dem Presserat das Eindringen des «Superhelden Schweinefleisch», so der Titel der Seite, zu erklären, und er fand dabei nichts Aussergewöhnliches. Dies nicht zuletzt, weil sich das Kürzel «sm», der Projektmanagerin von NZZ Content Solutions, klar abhebe von jenem einer NZZ-Redaktorin mit Kürzel «sm.», Punkt. Dem Presserat reichte der Punkt im Kürzel dann aber doch nicht.
"So kam der Artikel am 2. Juni daher", schreibt @srfnews zum Presseratsurteil gegen die @NZZaS (rechts). Nicht ganz, liebe Kollegen. Ihr habt mal eben die Kopfzeile abgeschnitten, die eine nicht ganz unwesentliche Info enthielt (links). Versehen oder Absicht? https://t.co/kyyW3lmRf7 pic.twitter.com/xHDeVTRxpA
— Michael Furger (@michael_furger) December 19, 2019
Schön eigentlich, dass uns die Handeltreibenden nun auch informieren, jetzt, wo sie die Journalisten beschäftigen, die nicht mehr bei den Medien arbeiten. Vielleicht sollte man für mich und andere inkompetente Leser einfach dazu übergehen, die redaktionellen Botschaften als solche zu kennzeichnen.
Urs Thalmann ist Jurist und arbeitet seit 2005 beim Journalistenverband Impressum seit 2008 als Geschäftsführer.
Unsere Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.
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Getarnt oder inkompetent?