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Schweizer Werber sollten Russland beneiden

Nico Ammann

In den vergangenen Tagen hatte ich die Ehre, die Red Apple Awards zu jurieren. Ich war Teil einer internationalen, elfköpfigen Jury, in der nebst Russen, Leute aus Deutschland, China, Japan, Amerika und Spanien vertreten waren. Chairman der Jury war Eric Schoeffler, European Executive Creative Director von Havas. Ich habe also den Boss von Star-Werber Frank Bodin kennen gelernt. Das alleine war die Reise schon wert.

redfestival_nicoammann

Neben unzähligen Eindrücken, Erlebnissen und den intensiven Jurytagen, habe ich folgende Erkenntnisse aus Moskau mit nach Hause genommen: Russland ist gut im «Neuen». Die Qualität der Arbeiten in den traditionellen Kategorien wie Print & Film war zugegebenermassen schlecht. So schlecht, dass ich beim vorausgehenden Onlinevoting, wo wir die Spreu vom Weizen für die Longlist trennten, kurzzeitig dachte, dass das Festival ein Scam ist. Und, dass ich wohl nur unter einem Vorwand nach Russland eingeladen wurde, um mich dann in eine dunkle Gasse zu entführen und mich sämtlicher Organe zu befreien. Doch das Gegenteil war der Fall. Wir wurden äusserst freundlich empfangen und während der gesamten Zeit von sämtlichen Locals warmherzig umsorgt. So viel zu Vorurteilen.

redfestival_jury

Jetzt aber zurück zur Werbung: Die Arbeiten in den «modernen» Kategorien, wie Branded Entertainment und allen Digitalkategorien waren von hoher Qualität. Die Gold und Grand Prix Gewinner werden sich meines Erachtens auch an internationalen Award Shows durchsetzen. Die russische Werbeindustrie steht demzufolge ausgezeichnet da. Sie tut sich zwar schwer mit alten Formaten, wie Print und dem klassischen 30-Sekünder, aber hat ihre Stärken in den Medien und Formaten, die unsere Zukunft prägen werden. Eine für uns Schweizer, durchaus beneidenswerte Ausgangslage.

Meine Top 3 des Red Apple Festivals sind:

«NMD Live» für Adidas von der Agentur Friends Moscow.

«Instead of Cafe» von «Instinct», eine vielschichtige Arbeit, die auf dem Insight beruhte, dass sich viele russische Bürger seit der Krise auswärts essen nicht mehr leisten können.

IKEA The Instead of Cafe from Instinct on Vimeo.

Und «Piter», ein 30-minütiger Film, in dessen Zentrum die Bäckereikette Bushe's Bakery steht.

Die Jurytage waren lang. Wir hatten täglich zwölf bis vierzehn Stunden Cases angeschaut, gelobt, kritisiert, hinterfragt und analysiert. Gerade weil, ausser den drei russischen Jurymitgliedern, niemand persönliche Arbeiten im Rennen hatte, waren die Diskussion enorm angenehm und stets professionell. Es wurde auch niemand aus der Jury bestochen oder für eine Goldvergabe mit Beluga Kaviar, einem Kremlbesuch oder mit einer im Hotelzimmer wartenden, russischen Edel-Prostituitierten entlöhnt. Solche Dinge bleiben wohl eher Staatsmännern wie Donald Trump vorenthalten.

Es waren fünf tolle Tage. Ich habe erlebt, dass Kreativität Menschen zusammenschweisst. Elf Leute, die in acht unterschiedlichen Ländern arbeiten, und die ausser Kreativität keine Verbindung haben, sind innert wenigen Tagen zu einer harmonischen und freundschaftlichen Crew zusammen gewachsen. Werbung kann demzufolge mehr, als «nur» verkaufen. Werbung kann auch verbinden.

Alle Gewinner des Red Apple Awards finden Sie hier.

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Kommentare

  • Frank Bodin, 20.02.2017 22:22 Uhr
    Wusste nicht, dass ich einen neuen Boss habe -
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