Howgh, der Ständerat hat gesprochen: Zigarettenwerbung in Presse und Online soll verboten und Sponsoring stark eingeschränkt werden (persoenlich.com berichtete). Es ist fast wie im Wilden Westen: Die Zigarettenmultis und die Werbebranche sind die Bösen, die Befürworter dieser Werbeverbote die Guten.
Mit Verlaub: Dieser Entscheid zeugt von einer grossen Heuchelei und Kurzsichtigkeit. Leidtragende dieser Regelung sind nicht die Raucher oder die Gesunden, sondern die Schweizerische Werbebranche mit rund 30'000 Mitarbeitenden, die bereits jetzt schon von den Konsequenzen der Digitalisierung betroffen ist.
Konsequent wäre doch, Zigarettenprodukte ganz zu verbieten oder in den Kantonen Neuenburg, Waadt oder Luzern, dort wo sich die Zigarettenmultis befinden, auf deren «schmutziges Geld», also die Steuergelder, zu verzichten. Solche Forderung aufzustellen, wagt selbstverständlich kein Politiker.
In unserer Gesellschaft hat sich die Maxime durchgesetzt: Wenn man das Übel schon nicht beseitigen kann, geht man auf die Werbung los. Man schlägt den berühmten Sack und meint eigentlich den Esel. Nach der Zigarettenindustrie wird schon bald die Banken-, Auto-, Flug-, Reise- und Nahrungsmittelwerbung unter neuen Verboten und Einschränkungen zu leiden haben. Unterstützung kann die Werbebranche von unseren Parlamentariern keine erwarten, zu verlockend sind die Verheissungen, als guter und edler Mensch dazustehen und sich im gesellschaftspolitischen Mainstream suhlen zu können. Und dies schreibe ich als überzeugter Nichtraucher.
Doch es kommt noch absurder: Viele Medien, die immer noch von den spärlich werdenden Inseraten leben, zeigen sich gegenüber der Werbe- und Marketingbranche verständnislos. So kritisierte der kulturfaffine «Tages-Anzeiger» am vergangenen Freitag, die Credit Suisse wegen ihrem Kultursponsoring beim Lucerne Festival. Aber wer sollte und kann denn überhaupt noch dieses hochstehende und sicher nicht ganz billige Kulturhappening bezahlen, wenn nicht ein finanzkräftiges, privates Unternehmen? Oder nehmen wir die «SonntagsZeitung», die am vergangenen Sonntag zu einem Lobgesang auf die Modekette Zara ansetzte, da diese «komplett auf Marketing» verzichte. Fazit der Autorin: «Stur und still bleiben», wenn alle laut sind, sei «grossartig».
Man braucht ja vor den Werbetreibenden wirklich nicht in die Knie zu fallen, aber vielleicht sollte man sich als Medienhaus und auch als Journalist mal eine Tausendstelsekunde überlegen, woher all die Einnahmen stammen, die unsere Branche noch am Überleben halten.
Wie wir wissen: sicher nicht von Zara. Und schon bald nicht mehr von Zigarettenindustrie. Aber ganz sicher nicht von Google, das vergangene Woche von der gesamten Politprominenz, also vom Bundespräsidenten über die Stadt- und Regierungspräsidentin als leuchtendster Hotspot unseres Landes gefeiert wurde. Die Konsequenzen für die Werbebranche wurden mit keinem Wort erwähnt.
Bei soviel Lobpreisung wäre es sogar dem Marlboro-Mann schlecht geworden.
Matthias Ackeret ist Verleger und Chefredaktor von «persönlich».
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20.09.2019 14:25 Uhr
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