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Was ist mit dem «Spiegel» los?

Matthias Ackeret

Es war die letzte Rache von Helmut Kohl: Er starb an einem Freitag. Der «Spiegel», sein härtester publizistischer Widersacher, war längst gedruckt und ausgeliefert. Während sich die Konkurrenz am nächsten Tag in medialer Lobpreisung des «Einheitskanzler» übertrumpfte, auf dem folgenden «Spiegel»-Titel eine laue Provokation: «Hauptstadt Hamburg». Doch schon wenige Tage später der Gegenschlag. Gorbatschow, Macron, Gabriel und Martin Walser huldigten im «Spiegel» dem Verstorbenen. Damit zeigte das Nachrichtenmagazin, was es immer noch kann. Wenn es wirklich will.
 
Doch immer mehr fühlt sich der Schreibende – ein jahrzehntelanger «Spiegel»-Junkie — wie ein enttäuschter Liebhaber. Hat die Monotonie der Merkel-Politik selbst den «Spiegel» eingeschläfert? Oder ist es nur die Verklärung seiner glorreichen Vergangenheit? Es ist zweifelsohne Tatsache, dass heikle Themen wie die Flüchtlinge in Deutschland  oder die EU-Krise immer weniger hinterfragt, sondern nur noch im «political-correctness»-Look abgehandelt werden. Dafür glänzt das Nachrichtenmagazin durch ein permanentes Trump-Bashing. Als würde der amerikanische Präsident deswegen zurücktreten. Dasselbe gilt für Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Obwohl einem permanenten «Spiegel»-Sperrfeuer ausgesetzt, ist ihr Rücktritt ähnlich wahrscheinlich wie der Wahlsieg von Martin Schulz. Das hätte es beim alten «Spiegel» nicht gegeben.
 
Seit Monaten versucht das Nachrichtenmagazin Fussballgott Ronaldo nachzuweisen, dass er 950’00 Dollar Schadenersatz wegen einer Vergewaltigung in Las Vegas bezahlen musste. Eigentlich eine Sensationsstory. Doch was in Las Vegas geschah, blieb in Las Vegas. Wohl auch ein Novum: in einem eigenen Artikel beklagte sich der «Spiegel», dass der Ronaldo-Knüller keine grösseren Reaktionen erzeugte. Was wirklich überraschte.

Doch nun scheint man in Hamburg die bewährte Notbremse zu ziehen. Thema des vorletzten Sonderheftes: Hitlers Aufstieg zur Macht.

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Kommentare

  • Rudolf Mohler, 04.07.2017 14:10 Uhr
    Während rund 45 Jahren war ich absolut regelmäßiger SPIEGEL-Leser. Doch beim Hamburger Magazin ist vor etwa vier, fünf Jahren eine kontinuierliche Talfahrt eingetreten. Journalistisches Ungenügen, Sauglautismus, Kanzlerinpostille und schwerverständlicher Mumpitz bis hin zur treffend betitelten Kolumne "Besser weiss ich's nicht" waren keine Ausrutscher mehr. Nein das häufte sich von Monat zu Monat. Im März 2016 kam dann mein Entscheid, mich aus dem Kreis der SPIEGEL-Leser definitiv zu verabschieden. Und man glaubt es kaum, es geht mir blend ohne die Wochenpost aus Hamburg. "Der S£PIEGEL" isch over", wie oben schon Schäuble zitiert wird. Das beste dürfte einfach noch das sagenhafte SPIEGEL-Archiv sein. Hei, waren das noch Zeiten, als sich Kohl weigerte, das Blatt auch nur zur Kenntnis zu nehmen, als Augstein den SPIEGEL nicht unberechtigt als "Sturmgeschütz der Demokratie" bezeichen durfte, als Franz Josef Strauß sich mit den Hamburgern noch echte Politikschlachten lieferte. Sogar die Zeiten, als Chefredaktor Erich Böhme seine maliziösen und zugleich amüsanten Kommentare beisteuerte, waren noch glanzvoll gewesen.
  • Nico Herger, 03.07.2017 18:27 Uhr
    Der Spiegel isch over (frei nach Schäuble).
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