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Wie ein gallisches Dorf

Kurz vor Ostern brannten in Paris, der Stadt der Liebe, nicht nur die Herzen, sondern auch die Notre-Dame. Für einen kurzen Moment verharrte die Welt in kollektiver Trauer. Auf allen Medien dominierte nur ein Thema. Mit wenigen Ausnahmen: das Schweizer Fernsehen ignorierte die Schreckensmeldungen aus Frankreich – und brachte die Gesundheitssendung «Puls». Ein gallisches Dorf, das sich gegen die Ereignisse in der Hauptstadt der Gallier stemmt.

Nachträglich argumentierte das Schweizer Fernsehen, dass es auf seinem Internetportal live über den Brand berichtet hätte. Das ist zwar vorbildlich, obwohl die Zuschauer nichts davon mitbekommen haben. Angesichts des glimpflichen Ausgangs der Tragödie tönt dies spitzfindig, doch SRG heisst immer noch Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft. Unseren Verlegern sollte dies zu denken geben: Setzt auch die SRG auf eine Digital-First-Strategie, so bedroht sie langfristig ihre eigenen Nachrichtenportale. Im Internet herrscht Darwinismus in Reinkultur: Langfristig überlebt, wer am meisten Klicks und Reichweite hat.

Dies zeigt das Beispiel Österreich. Dort betreibt der gebührenfinanzierte ORF das grösste Nachrichtenportal. Ohne die lästige Pflicht, Bezahlschranken wie die Privaten einzuführen, ist er der Konkurrenz immer überlegen.

Wehren sich unsere Verleger nicht dagegen, hat die SRG bereits in wenigen Jahren das dominanteste Portal. Gilles Marchands Truppen machen es geschickt: Der Ausbau ihres Internetangebots ist geräuschloser als der Wiederaufbau der Notre-Dame. Zurückhaltung ist das Markenzeichen. Wie bei der Berichterstattung aus Paris.



Matthias Ackeret ist Verleger von «persönlich» und persoenlich.com.

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