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Wo bleibt der Frauen-Winkelried?

Vor zwei Jahren habe ich ein Buch geschrieben mit dem Titel «#Frauenarbeit – Tipps und Tricks für junge Berufsfrauen» (persoenlich.com berichtete). Das Buch brachte mich landauf landab mit jungen Frauen zusammen. Von Amriswil bis Zürich wurde viel Boden abgedeckt und manche Mehrzweckhalle besucht. Was ich bei diesen Begegnungen erleben durfte und welche Insights ich über Frauen im Berufskontext mitnehmen durfte, das publiziere ich regelmässig auf unserem Instagram Kanal @Frauenarbeit – ich freue mich, wenn Sie mal reinschauen.

Seit zwei Jahren setze ich mich nun sehr aktiv mit dem Thema der Frauen in der Berufswelt auseinander. Was Frauen von einem Arbeitgeber wollen, welche Themen der Unternehmenskultur sie beschäftigen, da durfte ich tief eintauchen. Es wurde in den vergangenen zwei Jahren viel berichtet rund um die Themen Frauenförderung, Gleichberechtigung, Vereinbarkeit – auch Parteien greifen diese Themen gerade sehr prominent auf. Denn sie beschäftigen die Menschen offensichtlich.

Aber wissen Sie, was ich wirklich überraschend finde? Dass ich seit zwei Jahren den Tag abwarte, an dem schlaue Schweizer Unternehmen ihr «Frauencommitment» (eine Wortschöpfung, um «Frauenthemen», «Feminisierung», «Frauenförderung» oder die «weibliche Seite» zu umgehen) als Differenzierungschance entdecken. Ich warte und warte – aber er kommt einfach nicht. Bei welchem anderen Thema, das 51 Prozent der Bevölkerung betrifft, halten sich die Unternehmen sonst so zurück? Ich kann beim besten Willen keines nennen. Das finde ich als Werbestrategin unheimlich spannend. Denn da gibt es eine Differenzierungschance.

Mein persönlicher Aha-Moment war der Frauenstreik. Ein ausgesprochen friedlicher, gut gelaunter Tag, der Social Media und die Berichterstattung der Medien dominierte, der Bottom-up mit viel Herzblut organisiert und orchestriert wurde. 500‘000 Personen fanden laut Angaben der Organisatoren zusammen. Ich fand erstaunlich, dass der Anlass von praktisch keinem Schweizer Unternehmen als kommunikative Plattform, kommunikativer Zeitpunkt oder Thema genutzt wurde. Meistens hijackt ja irgendeine Firma solche Anlässe und macht eine Marketingaktion und verkauft alle lila Artikel für 50 Prozent Rabatt, organisiert eine «Guerilla-Aktion» oder schaltet eine Award-Anzeige. Interessanterweise nicht beim Frauenstreik.

Ich glaube, das zeigt ein Dilemma auf. Die Unternehmen halten sich zurück, sich beim «Frauencommitment», zu exponieren. Zu sehr fürchtet man, damit eine Büchse der Pandora zu öffnen. Zu lila, zu aggressiv, zu politisch, zu links ist das Thema heute noch behaftet.

Ich glaube, damit vergibt man sich eine riesige Differenzierungschance. Gut ausgebildete Frauen suchen nach den Firmen, in denen sie wachsen und sich einbringen können. Konsumentinnen wünschen sich Marken, die ihre Themen verstehen, unterstützen und voranbringen. Meine Hoffnung ist, dass Unternehmen «Frauencommitment» demnächst auch in der Schweiz als wirtschaftliche Chance entdecken. Weil man damit im «War for Talents» hervorragende Arbeitskräfte anziehen und binden kann. Und weil man sich im «War for Eyeballs» heute noch glasklar von der Konkurrenz absetzen kann. Mit Swissness muss man sich schon ein ganz klares Feld suchen. Beim Thema Nachhaltigkeit ist man als Unternehmen auch nicht mehr alleine. Aber bei «Frauencommitment», da wäre man der Pionier. Und an den Pionier erinnert sich jeder. Und jede.


Regula Bührer Fecker ist Partnerin bei der Agentur Rod Kommunikation.

Unsere Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

 

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