05.03.2001

"Ich will die Rostflecken der Schweiz nicht beschönigen"

Das Image der Schweiz in der Welt hat in den letzten Jahren gelitten. Die bundeseigene PR-Organisation "Präsenz Schweiz" soll Abhilfe schaffen. Mit professionellen Marketingstrategien will sie unser Land wieder ins richtige Licht rücken. Antworten zu dem "Wie" gibt Johannes Matyassy (Bild), Chef von Präsenz Schweiz. Das Interview:
"Ich will die Rostflecken der Schweiz nicht beschönigen"

Welches Bild haben EU-Bürger von der Schweiz?

In Deutschland haben wir ein gutes Image, während die Franzosen eher irritiert sind. Dort und in den Benelux-Ländern sehen viele die Schweizer als "Rosinen-Picker". Auch ist eine gewisse Indifferenz gegenüber der Schweiz festzustellen. Oder man trifft auf die altbekannten Klischees: Heidi, Schokolade und Grossbanken – das allein macht die Schweiz aber nicht aus. Bei Besuchen in der Schweiz kommt dann die grosse Überraschung: eine moderne, wettbewerbsfähige und kulturell vielfältige Schweiz.

Nutzen Sie die Klischees oder wollen Sie sie ausmerzen?

Ich will das Bild komplettieren. Wer die traditionellen Aspekte mag, ist oft auch offen für neue Seiten der Schweiz. Ich will die Schweiz vor allem glaubwürdig und aktuell darstellen.

Welche Hauptaussagen will Präsenz Schweiz tranportieren?

Das Parlament hat uns einige Botschaften vorgegeben. Wir passen uns aber dem Zielpublikum an und ergänzen, d.h. konkretisieren die Botschaften von Fall zu Fall. Wir zeigen eine Schweiz, die sich von anderen Ländern unterscheidet. Keinen Sonderfall, sondern einfach anders, beispielsweise dank ihrer kulturellen und sprachlichen Vielfalt. Wir wollen ehrlich sein; wo sich "Rost" angesetzt hat, muss man dazu stehen. Wir wollen die Stärken der Schweiz zeigen, aber die Schwächen nicht verschweigen.

Sie kommunizieren auch die Schwächen der Schweiz im Ausland?

Natürlich. Wer immer nur Positives berichtet, verliert seine Glaubwürdigkeit. Ich will nicht beschönigen, sondern das Land so zeigen wie es ist. Das ist die grösste Herausforderung bei meiner Aufgabe.

Wen soll Ihre Botschaft erreichen?

Wir ermitteln das Zielpublikum mit Marktstudien und in enger Zusammenarbeit mit unsren Partnern, zum Beispiel unseren Botschaften. Zentral ist für mich insbesondere das Besucherprogramm von Präsenz Schweiz. Dabei laden wir Menschen aus anderen Ländern ein und zeigen ihnen die Schweiz. Wir richten uns dabei vor allem an aktuelle und potenzielle Meinungsmacher: Medienleute, Politiker, Kulturschaffende, Wissenschafter und Unternehmer; aber auch Schüler und Studentinnen sollen die Schweiz kennenlernen. Das ist effizienter und nachhaltiger als jede Kampagne. Wir schaffen damit ein Netzwerk von Ortsansässigen, die sich für die Schweiz einsetzen.

Welche traditionellen Mittel der Öffentlichkeitsarbeit nutzen Sie?

Wir wollen modern kommunizieren: Internet, Film, Fernsehen sind einige der Medien. Aber nicht in allen Ländern ist die Infrastruktur dafür vorhanden. Auch klassische PR-Mittel wie Broschüren kommen dort zum Einsatz.

Die USA und Grossbritannien sind Schwerpunktländer der Arbeit von Präsenz Schweiz. Warum?

Eine Umfrage bei Schweizer Botschaften hat ergeben, dass in diesen beiden Ländern sowie in Israel die Holocaust-Debatte immer noch nachwirkt. In den EU-Mitgliedsstaaten hat man teilweise Mühe, unsere Integrationspolitik einzuordnen. Die USA boten sich an, weil sie als einzige Supermacht der Welt ein wichtiger Partner für die Schweiz sind. In Grossbritannien hat die Schweiz gewisse Imageprobleme, aber wir wollen die traditionell engen bilateralen Beziehungen zu diesem EU-Land intensivieren. Demnächst wollen wir in einem weiteren Land stärker aktiv werden. Auf der Kandidatenliste stehen unter anderem Indien, Russland, China, Brasilien und Holland.

Die erwähnte Umfrage von Präsenz Schweiz in den USA ergab, dass die Schweiz als undemokratisch und unsolidarisch gilt. Warum?

Das hat mich geärgert. Das IKRK (Internationale Komitee vom Roten Kreuz) wird nicht der Schweiz zugeschrieben und die Einsätze des Katastrophenhilfe-Korps oder das Engagement der DEZA (Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit) sind kaum bekannt. Am meisten hat mich aber getroffen, dass man uns keine Nähe zum Bürger zugesteht. Jede Schweizer Bürgerin und jeder Schweizer Bürger kann jährlich über gut vierzig Vorlagen abstimmen. Das ist offenbar nicht bekannt, da wollen wir informieren.

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